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Ich möchte für meine Geschichte eigene Sprachen entwickeln. Wie macht man das?

Ich möchte für meine Geschichte eigene Sprachen entwickeln. Leider ist es schwer, herauszufinden, wie man so was macht. Ich möchte es möglichst natürlich und realistisch haben und nicht einfach erfundene Wörter zusammenkleben oder Wörter in einem normalen Satz ersetzen. Mir schwebt da Komplexität vor, wie Tolkien sie entwickelt hat. Allerdings weiß ich noch nicht, ob ich auch auf Lautverschiebungen und andere Veränderungen eingehen möchte. - Können Sie mir einen Tipp geben, wo ich mich über so ein Thema informieren kann, bzw. wissen Sie selbst, wie man so was angeht?

Ich fürchte, ich bin nicht die richtige Ansprechpartnerin, was das Erfinden von Sprachen angeht. Das ist ein komplexes linguistisches Feld, das ich nicht beherrsche. Allerdings frage ich mich, wozu du eine komplett "neue" Sprache benötigst.

Falls du eine Geschichte (Roman, Story) erzählst, in der Aliens oder andere Fabelwesen vorkommen, dann frage dich, was für ein Weltbild sie haben. Davon hängt ihre Sprache im Wesentlichen ab. Sprache ist Kulturgut, das bedeutet: Kultur prägt die Sprache. Wer kriegerisch aufwächst, hat hundert Wörter für Kampf; wer in einer Schneelandschaft aufwächst, kennt hundert Wörter, die Schnee in seinen verschiedenen Formen bezeichnet.

Eigentlich brauchst du also VOR dem Erfinden der tatsächlichen Sprache ein erfundenes Volk mit fiktiver Kultur. Dann kommt dazu, dass es (auch bei uns) verschiedene Sprachzweige gibt: Fachsprachen (z. B. für Ärzte, Ingenieure, Händler, Zauberer ...), Kunstsprachen, Geheimsprachen, Sprachen z. B. für bestimmte Kasten, Rituale, Zeremonien, Kindersprachen, Zeichensprachen ... und das in jeder einzelnen Sprache.

Hier gibt es etwas Theorie zur Entwicklung von Sprache bzw. was sie bedeutet:
- http://www.mauthner-gesellschaft.de/mauthner/hist/fichte.html
- http://www.uni-potsdam.de/portal/nov01/ursprung.htm

Hier etwas über die beiden Kunstsprachen Sindarin und Klingonisch sowie ihre Entstehung:
- http://www.morgenwelt.de/wissenschaft/000110-klingon.htm
- http://www.sindarlambion.net/

Eine tatsächliche Anleitung, wie man eine Kunstsprache erfindet, kenne ich nicht. Und habe ich auch nicht gefunden. Es gibt ein paar Hinweise unter http://www.weltenbastler.net/artikel/sprachen.htm. Da hat jemand Englisch / Deutsch in eine Kunstsprache "übersetzt". Man könnte natürlich auch Morsen oder Esperanto als Sprachmodelle heranziehen ...

Im Prinzip müsste man für das Erfinden einer wirklich "neuen" Sprache Linguistik studieren, dann ein ganzes Jahr darauf verwenden, das alles wieder zu vergessen, und dann ... Tolkien war nicht umsonst Professor und Linguist. Mal ganz abgesehen davon, dass es eine wirklich "neue" Sprache nicht gibt. Es wird immer angelehnt an bereits vorhandene Sprachsysteme.

Aber mal ehrlich: Wozu brauchst du eine neue Sprache? Deine Geschichte sollte vom Geschehen leben, also von Figuren und Handlung, nicht von einer besonderen Sprache. Ich mag Tolkiens "Herr der Ringe", lese ihn sogar des Öfteren, aber die gesammelten Abhandlungen über Geschichte, Sprache und Landschaften finde ich eher langweilig. Wer liest das wirklich?

Frage dich, ob du nicht, statt deine Geschichte voranzutreiben, dich in Details verlierst. Das ist oft viel einfacher (in dieselbe Falle bin ich auch schon getappt, herzlich willkommen!), als stringent bei der Story zu bleiben.

Und deine Fremden können sich ja auch nicht seitenlang in ihrer Sprache unterhalten (Dialog), denn dann verlierst du den Leser. Wenn du allerdings nur Exotik / Fremdheit herstellen willst, dann genügen dazu schon ein paar Sprachbrocken, vielleicht noch der eine oder andere Sprachtick oder -fehler (z. B. in der Syntax: Statt "Ich gehe jetzt" sagt einer eben "Jetzt ich gehe"), in Maßen eingesetzt (!), und eventuelle Themenvorlieben. So wird ein Krieger mit dem begrenzten Vokabular unserer Sprache bestimmt hadern, während ein Händler vielleicht anderes bemängelt und der Priester immer wieder auf seine Sprachebene verfällt. Noch mal: Die Weltsicht der Figuren / Völker ist viel wichtiger als ihre Sprache, denn die können sie auch in unserer ausdrücken. Wetten?

beantwortet von:Stefanie Bense (5-11)

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