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In meinem Kopf ist alles ganz klar, aber ich bekomme es nicht so aufs Papier. Was soll ich tun?

Ich habe Schwierigkeiten, mich auszudrücken. In meinem Kopf ist alles ganz klar, aber ich bekomme es nicht so aufs Papier, habe auch schon mehrere Geschichten abgebrochen und weiß nicht weiter. [Die Original-Mail ist verschwunden, daher wird die Frage hier nur inhaltlich wiedergegeben. – die Red.]

Gedankenchaos beim Schreiben? Das kennen wir alle. Manche lieben es, weil dadurch erst die spannendsten Ideen entstehen. Manche hassen es, weil sie lieber geordneter schreiben möchten. Die Phantasie ist nun mal frei ...

Wenn man jedoch eine Geschichte erzählen will, braucht sie einen "Roten Faden" und eine Struktur. Die kann man sich vorher erarbeiten oder während des Schreibens.

Vorher heißt, dass man sich Gedanken macht, was wann warum mit einer Figur in der Geschichte passiert und was sich daraus für Konsequenzen ergeben. Das kann man auf Zetteln, Karteikarten etc. in Kurzform notieren und dann hinterher sortieren. Etwa: Also erst muss der Zauberer in die Stadt kommen, dann können die merkwürdigen Vorfälle der Stadtwache auffallen, und dann bekommt mein Held den Auftrag herauszufinden, was da vorgeht.

Als Nächstes wird dieses "Gerippe" mit "Fleisch" gefüllt, d. h., man erarbeitet sich Szene für Szene, was wo wie mit wem passieren soll. Auch das lässt sich auf Karteikarten festhalten und später sortieren. Bevor man den tatsächlichen Text schreibt!

Wer lieber entdeckt statt plant, schreibt einfach drauflos. Das ist nicht falsch. Aber die Arbeit, die sich ein Planer vorab macht, muss der Entdecker beim Schreiben oder danach leisten: Er muss eine Struktur finden und beibehalten. Er muss ein logisches Ganzes aus all seinen Ideen machen. Und das bedeutet wirklich Arbeit!

Dennoch kennen auch Planer das Szenario, dass sich Szenen, Figuren und Schauplätze während des Schreibens ändern. Daher planen sie nie alle Details im Voraus, sondern schaffen sich nur eine grobe Struktur. Vor allem muss man wissen, wo die Geschichte anfängt und wo sie wie aufhören soll. Ohne diese Fixpunkte mäandert jeder Text nur so vor sich hin. Denken Sie es sich wie eine Urlaubsreise. Wenn Sie nicht wissen, wohin sie wollen, wie wollen Sie denn da ankommen? Nun können Sie jeden Stopp und jede Übernachtung vorab planen oder einfach drauflos fahren (was natürlich mehr Zeit kostet). Aber sobald Ihnen das Ziel klar ist, werden Sie auch ankommen.

Daher rate ich Ihnen: Werden Sie sich erst einmal über das Ende Ihrer Story klar. Schreiben Sie es vielleicht zuerst. Dann versuchen Sie, auf dieses Ende hin zu schreiben. Zusätzlich empfehle ich Ihnen die Artikel im "Tempest", die sich mit dem Aufbau einer Geschichte befassen.

Was Ihre Unzufriedenheit mit Ihren Formulierungen angeht: Das geht uns im ersten Entwurf allen so! Nichts, was man im Eifer der aufblühenden Idee hin schreibt, trifft wirklich das, was wir meinen. Es sei denn, der Autor ist ein Meister der Sprache und versteht es, sich immer treffend auszudrücken. Es ist ein Lernprozess und ein dauerndes Trainieren, die Sprache für seine Texte einzusetzen. Sie werden neue Worte lernen und erfinden, Sie werden manchmal in Metaphern und Bildern schwelgen, um etwas zu beschreiben. Je mehr Sie schreiben, desto sicherer werden Sie in der Sprache. (Ansonsten helfen weiter: Duden, Synonym-Wörterbücher und Dornseiff: Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen.)

Dennoch: So, wie es in Ihrer Phantasie erscheint, so wird es auf dem Papier oder im PC niemals aussehen. Im Kopf ist es perfekt, geschliffen, blendend bunt, kristallklar und einmalig schön. Aber sobald es in die Realität treten muss, bedeutet es harte Arbeit, zumindest einen Teil dieser Schönheit zu retten. Auch das geht uns allen so.

Das mag kein Trost sein, aber es gibt kein Rezept dafür, nur hartes Training. Immer wieder sind Beschreibungen neu zu formulieren, Wörter nachzuschlagen (und die deutsche Sprache ist daran sehr reich!), auszuprobieren und ist ein eigener Stil zu schaffen.

Verlieren Sie nicht den Mut! Nehmen Sie's als Herausforderung! Besiegen Sie Ihre Selbstzweifel, indem Sie in eine Schreibgruppe gehen, die handwerklich arbeitet. Dort erfahren Sie, dass alle anderen ähnliche oder gleiche Probleme haben. Und Sie können sich Hilfe holen bei denen, die schon "etwas länger im Training" sind. Trauen Sie sich aber erst, selbst eine Geschichte in der Runde vorzustellen, wenn sie an ihr nicht mehr zweifeln.

Geben Sie nicht auf! Schreiben zu lernen ist ein Prozess wie Bergsteigen oder Marathonlauf zu lernen. Irgendwann steckt man mal fest, dann rutscht man ab, dann geht einem die Puste aus. Nur wenn man dabei bleibt, kann man etwas erreichen! Sie werden merken, dass Sie etwa alle 150.000 Wörter, die Sie schreiben, einen "Quantensprung" machen werden. Es wird dauern, aber das ist es wert! Wer jemals Menschen mit seinen Geschichten unterhalten hat, der weiß das.

beantwortet von: Stefanie Bense (11-10)

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