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Darf ein Buch auch mal schlecht ausgehen, oder fühlt der Leser sich dann hintergangen?

Ich schreibe nun schon, seit ich 10 Jahre alt bin, Geschichten. Natürlich waren diese anfangs nicht wirklich lesetauglich, aber ich habe seitdem immer mehr geübt und nun auch schon zwei, drei Manuskripte beendet. Sie an einen Verlag zu schicken habe ich mich aber noch nicht getraut. Nun zu meiner eigentlichen Frage: Kann ich ein Buch auch mal schlecht ausgehen lassen, d. h., der Bösewicht siegt über die Heldin und regiert weiterhin das Königreich, oder fühlt der Leser sich dann hintergangen?

Ich freue mich, dass du bereits die Erfahrung gemacht hast (die ich ganz jungen Autoren/innen stets vorbete), dass man das Schreiben eigentlich am besten durch Übung, also weiteres Schreiben, lernt. Auf jeden Fall: schreib weiter! Und lass dir Zeit damit, Manuskripte an Verlage zu senden. Je besser die Manuskripte und Geschichten, desto größer die Chance, dass sie genommen werden. Und du weißt es ja schon: Schreiben reift mit der Zeit und der Übung.

Zu deiner Frage, ob ein Roman auch mal „schlecht“ ausgehen darf: Eigentlich ist alles erlaubt in der Fiktion, solange (!) die Lösung der Geschichte sich aus der Geschichte selbst ergibt. Zum Beispiel, wenn die Heldin einen ganz großen Charakterfehler oder eine große Schwäche hat, die sie überwinden muss, um den Antagonisten zu besiegen. Dann kämpft sie nämlich auf zwei Ebenen: Den äußeren Konflikt trägt sie gegen den „Bösewicht“ aus, den inneren Konflikt mit sich selbst gegen ihre Schwäche. (Nebenbei gesagt sind Helden mit innerem und äußerem Problem meist viel interessanter.)

Demnach gibt es vier Lösungen:

  1. Sie besiegt ihre Schwäche und den Antagonisten (absolutes Happy End, Sieg auf ganzer Linie; das würde ich als Leser nur schlucken, wenn die Hindernisse und sich steigernden Katastrophen auf ihrem Weg enorm gewesen sind, nach dem Motto: Viel gewagt, viel gelitten, Happy End akzeptabel).
  2. Sie besiegt den Antagonisten, aber nicht ihre Schwäche, was sie erneut angreifbar macht (schwaches Ende, denn wodurch siegt sie dann? Zufällige Siege sind keine Siege, sondern nur Glücksfälle).
  3. Sie besiegt ihre Schwäche, aber es reicht nicht, um den Antagonisten zu besiegen (der Kampf wird fortgesetzt, ein typisches Ende für Fortsetzungsromane; hinterlässt bei Lesern leicht einen schalen Geschmack, wenn nicht von Anfang an deutlich wird, dass der Antagonist noch gebraucht wird, etwa weil sie ihn erst in Band 3 besiegen kann).
  4. Sie besiegt weder ihre Schwäche noch den Antagonisten (übles Ende, denn da fühlt sich der Leser betrogen, weil er mit einer Figur mitgelitten hat, die am Ende des Weges genauso dasteht wie am Anfang; nichts hat sich geändert, wozu also die ganze Geschichte?).
  5. Für ein Szenen- oder ein Kapitelende existiert noch eine Möglichkeit, die m. E. die ergiebigste für diese Art Schlussteile ist:
    Sie besiegt weder ihre Schwäche noch den Antagonisten, und darüber hinaus (!) hat sie jetzt noch ein weiteres Problem am Hals, z. B. wurde sie gefangen genommen. Das bringt die Heldin wunderbar in noch mehr Schwierigkeiten, und der Leser ist gespannt, wie es ihr nun gelingen soll, da herauszukommen und trotz allem zu siegen. Das ist aber keinesfalls für ein Romanende sinnvoll, denn damit fühlt der Leser sich um einen Abschluss, ein Ende betrogen. Es ist der sogenannte Cliffhanger, der das nächste Buch, die Fortsetzung verkaufen soll. Die meisten Leser möchten aber lieber eine zumindest auf einer Ebene abgeschlossene Erzählung, die nicht alles offen lässt (siehe b und c).

Eine Zeitlang war es modern, gar kein Ende anzubieten und den Leser ratlos zurückzulassen, wie die Geschichte denn nun ausgeht, besonsders in der Nicht-Genre-Literatur, in der „gehobenen Belletristik“, im experimentellen und / oder postmodernen Roman. Doch diejenigen der Leser, die Geschichten wollen, wollen auch einen Abschluss. Daher sollte man keinen Unterhaltungsroman anbieten, der die Lesererwartungen an das Ende grob enttäuscht.

beantwortet von: Stefanie Bense (13-3)

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