Es gibt kaum etwas Faszinierenderes, als zu sehen, wie eine Serienproduktion funktioniert. Woher kommt die Idee? Was macht der sogenannte Autorenstab daraus? Wie entwickelt sich ein Drehbuch vom Entwurf bis zur fertigen Episode? Und in diesem Fall : Wie war das alles bei Star Trek - Deep Space Nine?
Am Anfang war eine vage Idee. Star Trek sollte es sein,
ja, aber eben doch wieder anders, düsterer, dramatischer,
fremdartiger, unheilvoller ... Der "menschliche"
Aspekt sollte in jedem Fall eine wesentlich handlungstreibendere
Rolle spielen, und das bedeutete wiederum zwischen den geplanten
Hauptfiguren der Serie nichts anderes als Konflikt, Konflikt
und nochmals Konflikt. Deep Space Nine sollte mehr als SF
sein, es sollte die Gelegenheit nutzen, menschliche Aspekte
zu erforschen, zu zeigen, was man unter der gewöhnlichen
Oberfläche des Fernsehlebens sieht. Und so erzählt
Deep Space Nine nicht nur eine großartige Geschichte
vor dem Hintergrund eines gigantischen Weltraum-Sets, nein,
es redet vor allem über Personen und erzählt damit
eine sehr tiefe und sehr persönliche Geschichte.
Judith und Garfield Reeves-Stevens hatten eine Gelegenheit,
von der viele Fans einfach nur träumen können. Sie
warfen einen Blick hinter die Kulissen der gesamten Deep-Space-Nine-Produktion,
und das über den Zeitraum eines ganzen Jahres. Sie nahmen
an den Sitzungen des Autorenstabs teil, beobachteten die Arbeit
des Maskenbildners ebenso wie die Arbeit des Kameramanns,
wenn die Crew von Deep Space Nine auf der OPS gefilmt wurde.
Sie beobachteten die Arbeit des Cutters oder wie Odos Metamorphose
mittels modernster Computergraphik Wirklichkeit wurde, und
sie sprachen neben den Autoren und Schauspielern auch mit
den herumeilenden Bühnenarbeitern und Kulissenbauern,
und sogar mit den beiden Produzenten: Rick Berman und Michael
Piller.
Dieses Buch entstand, wie gesagt, nach Recherchen, die sich
über ein ganzes Jahr hinzogen, und deshalb bietet es
Einblicke in den gesamten Produktionsprozess von Deep Space
Nine, wie man ihn sich als interessierter Fan gar nicht besser
wünschen kann. Was dieses Buch jedoch für Hobby-,
Nachwuchs- oder Profi-Autoren besonders interessant macht,
sind vor allem die Schilderung der ersten Idee, die ersten
Handlungsentwürfe, ja der Zugang und die Beschreibung
der Entstehung der einzelnen Geschichten bis hin zu den endgültigen
Drehbüchern, welche Judith und Garfield Reeves-Stevens
von Überarbeitung zu Überarbeitung gelesen haben,
um so zu sehen, welche Veränderungen (im Kleinen wie
im Großen) in jede Episode einflossen.
Grundlage dafür war die so genannte "Bibel",
eine Beschreibung der ersten Bestandteile (Set, Figuren, Handlung
), die Berman und Piller für die Serie erdacht
hatten. Aber es genügte nicht, einfach zu wissen, dass
Quark die Bar der Station betreibt, Odo ein Formwandler ist
oder die Cardassianer die Station aus irgendwelchen noch nicht
klar ausformulierten Gründen aufgegeben hatten. Damit
Deep Space Nine als Serie erfolgreich sein konnte, mussten
all diese grundlegenden Elemente erst einmal zu einer spannenden
und konfliktreichen Geschichte verwoben werden, zu etwas Organischem,
das lebt und atmet und sich entwickelt, belebt mit Charakteren,
deren Persönlichkeit und Schicksal für den Zuschauer
von magischer Anziehungskraft sind. Im Ergebnis wurde so beispielsweise
aus dem Außenseiter Odo ein Charakter, der permanent
die "menschlichen Werte erforscht und kommentiert".
Quark wurde neben der für einen Ferengi typischen Habgier
eine interessante Beziehung zu Sisko und Odo zugeschrieben,
in der er hin und wieder, gegen Profit versteht sich, bei
der Lösung von Problemen behilflich ist. Und die Cardassianer
haben verstärkt mit innenpolitischen Unruhen zu kämpfen,
die ihre Aufmerksamkeit weit mehr erfordern, als eine weit
abgelegene Kolonie namens "Bajor". In einem zweistündigen
"Treatment" zu dem geplanten Pilotfilm "The
Ninth Orb" legten Berman und Piller genau diese ersten
Grundlagen in einer Geschichte fest, wobei Judith und Garfield
Reeves-Stevens genau dieses "Treatment" samt "Bibel"
mit der letztendlich verfilmten Version "Emissary"
hinsichtlich Handlung und Personen ausführlich in ihrem
Buch verglichen haben. Und wo hat man schon die Möglichkeit
dokumentiert den Werdegang einer solchen Pilotfilms zu sehen,
und dann auch noch einen Blick in die Entwicklung des ein
oder anderen Episoden-Drehbuchs zu werfen?
Wie schafft man also Spannung? Wie schafft man Konflikt? Wie
entwickelte man für ein Drehbuch gute Dialoge? Wie plant
man eine Szene? Wie ordnet man einzelne Szenen am besten an?
Wie gibt man einer vorläufigen Charakterskizze Tiefe
ohne melodramatisch zu werden? Wie vermeidet man inhaltliche
Fehler?
All diesen Fragen wenden sich die Autoren intensiv zu. "Star
Trek - Deep Space Nine: Die Realisierung einer Idee"
berichtet damit nicht nur über die phantastischen Modellbauten,
das Design, die kunstvolle Tricktechnik oder die Schwierigkeiten
bei der Besetzung, es ist vor allem auch für Autoren
ein fesselndes und lehrreiches Lesevergnügen. Wer also
auch in puncto Schreiben hinter die Kulissen von Deep Space
Nine sehen möchte, kommt an diesem einmaligen Werk nicht
vorbei.
330 Seiten, 29,80 DM, 1996, ISBN: 3-453-10982-1, Heyne-Verlag.