Das Schreiben sei "zweifellos eine Symbiose aus Handwerk und Geheimnis" (Wolfgang Weyrauch), "zu zehn Prozent Inpiration und zu neunzig Prozent Transpiration" (Umberto Eco), zitiert Fritz Gesing in der Einleitung zu seinem Buch "Kreativ Schreiben". Der Teil, auf den Fritz Gesing mit seinem Buch eingehen will, ist somit der größere. In "Kreativ Schreiben" geht es um das Handwerk des Schreibens, um ein Schreiben, das gezielt die Leser ansprechen soll. Das Ziel, das Gesing sich setzt, ist die Vermittlung von "Voraussetzungen und grundlegenden Techniken" eines solchen Schreibens.
Doch zunächst befaßt sich der Autor noch nicht mit detaillierten technischen Tips. Zu Beginn wird ein Blick auf den Prozeß des Schreibens geworfen, auf die Inspiration und ihre Voraussetzungen. Dabei gibt Gesing einige Tips zu kreativen Strategien und für das Überwinden von Blockaden.
Dann steigt Gesing in das eigentliche Handwerk des Verfassens guter Geschichten ein und beginnt mit einem wesentlichen Teil: den Charakteren. Die Unterscheidung der verschiedenen Formen von Figuren (Platzhalter, Neben- und Hauptfiguren) wird ebenso angesprochen wie die Namensgebung der Figuren und deren Einführung und Charakterisierung. Geschichte und Plot sind ebenso wesentliche Themen. Der Konflikt als "innerer Motor aller dramatischen Geschichten" (S.96) wird erläutert, und im Folgenden führt Gesing zwanzig "Meisterplots" und ihre Funktionsweise auf. Anschließend folgt ein Exkurs zum Thema "Erzähler und Erzählperspektive", bevor der Autor zu einem weiteren Kernpunkt des Buches kommt: die (S.137) Komposition und Handlungsmuster. Dieser Abschnitt dreht sich um den Aufbau, die Konstruktion einer funktionierenden Geschichte und die Dramaturgie der Handlung. Die Bedeutung von Anfang, Mittelteil und Schluß, von "Plotpoints" und Titel kommt ebensowenig zu kurz wie die wichtige Frage: "Wie erzeugt man Spannung?" (S.156). Nach dem Überblick über die Komposition der Handlung geht Gesing weiter ins Detail. Sein nächster Angriffspunkt sind die "Grundformen des Erzählens: Szene versus Beschreibung" (S.161). Dabei schildert er sowohl szenische und nichtszenische Formen als auch ihre unterschiedliche Funktion in der Geschichte, er geht auf das Verhältnis der beiden Formen zueinander sowie die "Ökonomie des Erzählens" (S.180) ein und gibt Hinweise zur Gestaltung von Szenen und Beschreibungen. Ein weiteres Mal geht Gesing ins Detail, indem er auf die Sprache selbst eingeht, die Wichtigkeit der Beherrschung der Sprache betont und Einzelheiten wie Symbol und Metapher aufgreift. Den Schluß seiner Darstellung bildet ein Kapitel über das Überarbeiten und Korrigieren der "fertigen" Geschichten, über die Bedeutsamkeit der Überarbeitung, über Einfluß und Auswahl von Erstlesern. Auch das Stichwort Kritik fällt, und Hinweise zum Umgang mit ihr und der fast unausweichlichen Ablehnung durch Verlage fehlen natürlich auch nicht.
"Kreativ Schreiben" ist kein einfach zu lesendes Buch. Das Niveau, auf dem Fritz Gesing sich bewegt, ist vergleichsweise hoch, und der Gehalt mancher Passagen läßt sich nicht beim ersten Lesen komplett aufnehmen. Doch gerade die detaillierte Darstellung des Aufbaus einer funktionierenden Geschichte (und funktionierender Charaktere, Dialoge,...) und die immer gegenwärtige Mahnung, beim Schreiben an den Leser zu denken, machen das Buch ebenso zu einem wertvollen Ratgeber beim Schreiben einer Geschichte wie die Hinweise auf häufig begangene Fehler. Die schlichte Aufmachung ohne graphische Mätzchen und die oft technische und fast trockene Ausführung werden durch viele Beispiele aus der Literatur der Vergangenheit und Gegenwart und durch grau unterlegte Checklisten und Übungen aufgelockert, so daß trotz der Masse an Informationen, die vermittelt werden, ein lesbares Buch dabei herauskommt. Ein weiteres Plus sind die am Ende auf mehreren Seiten aufgeführten Schreibübungen, von denen manche schon in die Kreativgymnastik von Gabi Neumayer Einzug gehalten haben. Sehr nützlich und schön umfangreich fand ich auch die Literaturhinweise im Anhang, die sowohl Werke zum Schreiben und Veröffentlichen als auch enpfehlenswerte und beispielhafte Belletristik und Nachschlagewerke umfassen.
Alles in allem läßt sich sagen, daß "Kreativ Schreiben" von Fritz Gesing ein jedem "Schreiberling" zu empfehlendes Buch ist, das auch hohen Ansprüchen genügen wird. Ich jedenfalls habe es mit Freude und Gewinn gelesen.
Dumont, Köln |