Die meisten Schreibbücher behandeln Plot nur am Rande. Das Thema ist schwierig: Immerhin ist Plot der Handlungsaufbau einer Geschichte. Innerhalb eines Lehrbuches die Entwicklung einer Szene aufzuzeigen ist bei weitem nicht so aufwendig wie die Entwicklung des Plots eines Romans.
Ansen Dibell hat ein Lehrbuch geschrieben, das sich nur mit dem Thema Plot auseinander setzt und nun auch als Taschenbuch vorliegt. Das Buch ist entsprechend der verschiedenen Stadien eines Plots gegliedert. What Is a Plot?, Grand Openings, Early Middles, Building the Big Scenes, When You Come to the End, Stop - das sind die Titel der Kapitel. Dazwischen finden sich weitere Kapitel zu Viewpoint (Erzählperspektive), Exposition, Pattern (Erzählmustern), Rückblenden, Übergängen, Erzähltempo und Melodrama.
"Die übliche Definition von Plot ist, dass er beschreibt, was in einer Geschichte alles passiert. Das ist nützlich, wenn man über fertige Geschichten redet, aber wenn wir uns Geschichten anschauen, die gerade geschrieben werden, ist es so nützlich, wie zu sagen, dass ein Geburtstagskuchen ein großes Gebäck mit Zuckerguss und Kerzen ist. Es sagt Ihnen nicht, wie Sie einen machen." (Damit ihr einen Eindruck vom Schreibstil bekommt, diese Passage noch einmal auf Englisch: "The common definition of plot is that its whatever happens in a story. Thats useful when talking about completed stories, but when were considering stories being written, its about as useful as saying that a birthday cake is a large baked confection with frosting and candles. It doesnt tell you how to make one.") Das Buch soll Autoren helfen, die Struktur ihrer Geschichte zu finden und zu verbessern.
Im zweiten Kapitel (Grand Openings) erläutert Dibell, wie ein Autor eine Idee zu einer Story untersuchen sollte. "Ideen für Geschichten finden sich überall. Ideen zu finden ist nicht das Problem. Ihr Problem ist das Problem jedes Autors: herauszufinden, welche aus dem großen Haufen der Ideen eine mögliche Geschichte ergibt und, was noch schwieriger ist, welche eine Geschichte ist, die Sie fesselt und die Sie erzählen können."
Vier Fragen können die Entscheidung erleichtern, ob
eine Idee eine gute Geschichte ergeben könnte:
- Gibt es etwas, das mich wirklich interessiert, etwas, das
ich verstehe, etwas, das geschrieben werden möchte?
- Kann ich die Idee auf behutsame, aber kompromisslose Art
in eine Geschichte verwandeln, die auch anderen etwas bedeutet?
- Kann ich diese Idee in eine Folge von Szenen mit möglichst
wenig Beschreibung verwandeln? Gibt es einen Plot, oder kann
ich einen Plot dafür schaffen?
- Steht etwas Besonderes und Existentielles auf dem Spiel
- nicht nur für mich, sondern auch für eine oder
mehrere Personen in der Geschichte?
Dibell erläutert alle diese Fragen, ohne langatmig zu werden. Und sie bringt die Dinge auf den Punkt, findet Kernsätze, die beschreiben, was sie meint. Zum Beispiel über den Anfang einer Geschichte:
"Jeder wirkungsvolle Anfang muss drei Dinge leisten. Erstens muss er die Geschichte in Schwung bringen und zeigen, welche Art von Geschichte es ist. Zweitens muss der Protagonist vorgestellt und beschrieben werden. Drittens muss das Interesse des Lesers geweckt werden, weiterzulesen."
Sie bleibt nicht bei diesen Kernsätzen stehen, sondern erläutert sie und bringt Beispiele. Dass sie kurz und verständlich schreibt und das, was sie sagen will, in ein, zwei Sätzen zusammenfassen kann, ist die Stärke dieses Buches.
Bis etwa zur Hälfte hält sie ihr Versprechen ein, sie wolle nicht zeigen, wie ein Plot aussieht, sondern, wie einer gebaut wird. Sie entwickelt eine Story (Hochwasser in einer Kleinstadt) und diskutiert an diesem Beispiel die Entwicklung der Geschichte.
Leider hält sie diese Technik nicht durch. Etwa ab der Hälfte werden mehr und mehr bereits existierende Geschichten untersucht - zum Beispiel bei der Diskussion von Subplots, in der sie ausführlich die Verwebung der verschiedenen Subplots in Star Wars beschreibt. Nur, wie schafft es ein Autor, seine Subplots so zu entwickeln und zu verweben? Ein bisschen schreibt sie darüber, erläutert, wie man Parallelen in Plots einbaut, argumentiert aber wieder am Beispiel des bereits fertigen Plots.
Das liegt allerdings zum Teil in der Natur der Sache begründet: Ein ausführliches Beispiel, in dem mehrere Subplots miteinander verwebt werden, würde den Rahmen des Buches sprengen und aus einem handlichen Taschenbuch von 120 Seiten ein dicken Wälzer machen.
Ansen Dibells Buch ist sicher kein Anfängerbuch, aber für alle geeignet, die bereits Schreiberfahrungen haben und nach einem Führer suchen, wie ein Plot aufgebaut werden kann. Persönlich würde ich aber jedem zunächst Syd Fields "Drehbuchschreiben" empfehlen, dessen ausführliche Diskussion von Filmplots auch Romanautoren kennen sollten.
Ansen Dibell: "Plot", Writers Digest Books, |