Wie man einen verdammt guten Roman schreibt 2" ist alles andere als ein Nachklatsch von "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt", auch wenn es nach einem ersten Blick auf die Inhaltsangabe und einem groben Drüberlesen so scheint. Tatsächlich präsentiert James N. Frey in dieser wieder sehr anschaulichen und humorvollen Fortsetzung genau jene Mittel, Tricks und Tipps, die aus einem guten einen noch besseren Roman machen können. Anhand von zahlreichen neuen Beispielen geht Frey die wesentlichen Punkten des Romanschreibens für den fortgeschrittenen Autor noch einmal durch, erweitert und vertieft die Ansätze und Erläuterungen aus seinem ersten Buch und scheut auch nicht davor zurück, Fehler einzugestehen und zu korrigieren.
"Wie man einen verdammt guten Roman schreibt 2" setzt genau dort an, wo das erste Buch von James N. Frey aufhört. Jetzt werden die Grundlagen aus Band 1 beim Leser vorausgesetzt, und er wird mit den höheren Weihen des Romanschreibens vertraut gemacht. Auch klärt Frey über einige Pseudoregeln (u. a. zur Erzählperspektive) auf, die gerne in Schreibschulen als "unumstößliche Wahrheiten" präsentiert werden, in Wirklichkeit aber nur dazu dienen, dem Lehrer für Kreatives Schreiben die Arbeit und damit das Leben zu erleichtern. Auch die Psychologie des Schreibens kommt in Teil 2 nicht zu kurz. Was ist Romanschreiben anderes als eine Dienstleistung, bei der der Leser der Kunde ist? Von einem Romanautor, sagt Frey, erwartet man, dass er den Leser mitreißt, dass die reale Welt um den Leser versinkt und er tatsächlich in der Erzählwelt lebt. Und Frey erläutert sehr anschaulich, wie "der fiktive Traum durch die Kraft der Suggestion" für den Leser erschaffen werden kann, wie wichtig die Identifikation des Lesers mit den Romanfiguren ist und welche Rollen Sympathie und Empathie spielen.
Faszinierend ist auch das Kapitel "Über Stimmen oder das WER, das die Geschichte erzählt". Es scheint eine Binsenweisheit, dass durch das Geschriebene natürlich auch die Persönlichkeit des Autors durchscheint, dass der Leser einen deutlichen Eindruck vom Autor bekommt. Aber so simpel ist die Sache eben nicht. Frey unterscheidet sehr humorvoll zwischen dem realen Menschen James N. Frey und dem Erzähler-Ich, das seine Bücher schreibt, das seine Erzählerstimme herausbildet und dem Leser das Gefühl vermittelt, dass der Autor weiß, worüber er schreibt. Wie wichtig eine starke Erzählerstimme ist, wie wichtig es ist, dass die Erzählerstimme "Persönlichkeit" hat, belegt Frey anhand zahlreicher Texte und Vergleiche. Allein dieses Kapitel ist es schon wert, "Wie schreibe ich einen verdammt guten Roman 2" zu lesen.
Aber das hatten wir doch schon alles in Teil 1? Weit gefehlt! Nicht in dieser Ausführlichkeit, und schon gar nicht aus diesem erweiterten und gehobenen Blickwinkel. Es ist, als hätte man im ersten Band das Laufen gelernt und lernt jetzt im zweiten Band das Fliegen.
"Wie man einen verdammt guten Roman schreibt 2" ist ein erstklassiger Lehrer, der sein Wissen nicht hinter hochgeschraubten Worthülsen verbirgt, sondern seinen Schülerinnen und Schülern zeigt, dass auch im Profilager nur mit Wasser gekocht wird. Ganz gleich, wie erfahren ein Autor ist, Schreiben ist immerwährendes Lernen, immerwährendes Wachsein und Analysieren und immerwährendes Verbessern und Verfeinern der Erzählstimme und des Stils.
Wenn man also einen packenden, emotionsgeladenen und spannenden Roman schreiben will und die Grundprinzipen des Schreibens beherrscht, dann ist man bei James N. Freys "Wie man einen verdammt guten Roman schreibt 2" bestens aufgehoben.
Emons-Verlag 1998 - 197 Seiten - ISBN 3-89705-128-1 - 29,80 DM.