Ich sitze vor meinem Text. Irgend etwas stimmt nicht, ich kann aber nicht sagen was. Der Bleistift, extra scharf gespitzt, tritt nicht in Aktion. Wie zum Teufel kann ich den verdammten Text verbessern, wenn ich nicht weiß, was ihm fehlt? Kommt euch dieses Gefühl bekannt vor? Dann solltet ihr euch Soll Steins Buch anschauen.
Aus seiner Arbeit als Herausgeber und Lektor bringt Sol Stein eine Fülle von Beispielen, wie Texte verbessert werden können und vor allem: welche Texte verbessert werden müssen. Sein Buch liest sich spannend und oft habe ich nach einem Kapitel meinen Text hervorgekramt, weil ich Lust hatte, ihn zu verbessern. Meist fielen mir auch die Stellen auf, die ich ändern mußte.
Wer alle Regeln über das Schreiben kennt, kann sowenig schreiben, wie einer mit allen Regeln des Fahrradfahrens im Kopf radfahren kann. Übung gehört in beiden Fällen dazu und zum Üben bietet das Buch viele Beispiele.
Personen haben gute und schlechte Seiten, starke und schwache. Ein Protagonist, der nur edel, ein Schurke, der nur gut ist, sind keine Personen sondern Maschinen. Niemand interessiert sich, was Maschinen zustößt, es sei denn, sie entwickeln wie Frankenstein menschliche Züge. Geschichten entwickeln sich aus Personen, was dem blonden Siegfried zustieß, hätte Odysseus nicht passieren können - die Nibelungensage wie die Odyssee entwickeln ihre Handlung aus den unterschiedlichen Charakteren ihrer Helden. Einfach nur einen Plot entwickeln, um dann Personen einzustreuen, bringt bestenfalls drittklassige Actionfilme hervor. Sol Stein beginnt den Hauptteil des Buches deshalb mit der Charakterisierung der Personen und wie ein Autor es erreichen kann, dass seine Figuren Leben bekommen.
"Spannungsaufbau" und "Szenenfolge" behandelt er nicht abstrakt, wie viele anderen Schreibbücher, sondern anhand zahlreicher Beispiele, wie ein vorhandener Text verbessert werden kann.
Jeder weiß, ein Autor soll zeigen, nicht beschreiben. Sol Stein zeigt auch, wie das geht und wie ein beschreibender Text in einen zeigenden geändert wird. Er ist Fanatiker des Streichens, führt eine Unzahl von Beispielen an, Texte durch Streichen von Wörtern, Satzteilen oder auch ganzer Szenen spannender zu gestalten. "Wie wird man überflüssiges Fett los" ist denn auch eines der wichtigsten Kapitel seines Buches.
Er beschreibt die häufigsten Fehler von Autoren
- zuviele Adjektive und Adverbien ("Wenn Sie ein Adjektiv finden, bringen Sie es um" zitiert er Mark Twain)
- zusammenfassende ("narrative") Schilderungen des Autors, mit denen Szenen verbunden werden sollen, statt mit hartem Schnitt von Szene zu Szene zu gehen
- blasse Charaktere und was sich dagegen tun läßt.
Am Ende des Buches zeigt er, wie sich die Arbeit des Korrigierens so aufteilen läßt, dass der Autor nicht alles gleichzeitig machen muss und vor allem nicht jedesmal das gesamte Manuskript neu lesen muss. Von diesem Teil habe ich am meisten gelernt - wie ich meinen Text korrigieren kann, wieviel der Text dadurch gewinnt und dass die mühsame Arbeit des Korrigierens eine Menge Spass bringen kann.
Aber bevor ich euch mit weiteren Lobpreisungen des Buches langweile, seht es euch selbst an. Leider könnt ihr es nur in den Läden der Zweitausendeins Buchhandelskette kaufen oder bei Zweitausendeins in Frankfurt bestellen (Tel.: 01805-232001, 60381 Frankfurt, Postfach).