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Stableford, Brian: Writing Fantasy and Science Fiction

Der bekannte britische SF-Autor Brian Stableford hat ein Sachbuch über das Schreiben von Science Fiction- und Fantasyliteratur verfaßt. Der Covertext verrät uns, daß Stableford 1948 in Yorkshire geboren wurde, bisher über 40 Romane geschrieben hat, einer der wichtigsten Mitverfasser der Encyclopedia of Science Fiction ist und in Schreibkursen "creative writing" unterrichtet. Idealerweise sollte das Schreiben so sein wie das Radfahren, erzählt Brian Stableford zu Beginn des Buches. Wenn man einmal weiß, wie es geht, muß man nicht mehr ständig daran denken, was man tut. Aber bevor es soweit ist, muß man mehrere Dinge mühevoll Schritt für Schritt erlernen: Den Beginn und das Ende einer Geschichte planen, über die Strukturen des Plots nachdenken und verschiedene Perspektiven des Erzählens sowie die Kunst des Dialogs und der Exposition erlernen.

In diesem Artikel sind einige seiner Tips und Tricks zusammengefaßt, die er angehenden SF-Autoren ans Herz legt.

1. Der Beginn

Entsprechend einem Gedicht von Rudyard Kipling muß als Basis jeder Geschichte einmal feststehen WER WAS WANN WIE WARUM und WO tut. Dabei müssen alle Elemente der Geschichte zu einem einheitlichen Ganzen zusammenpassen, und der Inhalt der Story muß plausibel sein, da sie der Leser ansonsten nicht akzeptieren wird.

Unerfahrene Schriftsteller lassen den Leser zu Beginn der Geschichte oft zu lange im Ungewissen, um welches Genre es sich handelt. Deshalb ist es gut, wenn der Beginn der Geschichte einen kurzen Hinweis enthält, an dem sich der Leser orientieren kann, ob es sich um eine Horror-, Science Fiction- oder Fantasygeschichte handelt, die beispielsweise in der Vergangenheit, in der Zukunft, auf einem fremden Planeten oder in einem Paralleluniversum spielt. Beispielsweise lautet der erste Satz aus Georg Orwells "1984": "Es war ein klarer, kalter Tag im April, und die Uhren schlugen gerade dreizehn, als Winston Smith..." Dreizehn ist dabei als Hinweis zu verstehen, daß es sich in "1984" um keine normale Zeitrechnung in einer normalen Gesellschaft handelt. Zu subtil? Ja, vielleicht. Der Beginn von Aldous Huxleys "Schöne neue Welt" ist dahingegen viel eindeutiger: "Ein grauer gedrungener Bau, nur vierunddreißig Stockwerke hoch. Über dem Haupteingang die Worte: Brut- und Normzentrale..." Heute beeindruckt dieser Satz wahrscheinlich niemanden mehr, aber 1932 war es ohne jeden Zweifel der Beginn eines Science Fiction Romans.

"Als Sir Cecil im Jahr 1432 von Camelot wegritt..." ist aus vielerlei Gründen ein guter Beginn. Der Leser weiß, wann die Geschichte spielt, wo sie spielt, wer der Protagonist ist und vor allem weiß er, was er sich von der Geschichte zu erwarten hat. Der Autor muß jedoch aufpassen, daß die Informationen nicht zu gewaltigen "info-dumps" ausarten und er sich in einer kapitellangen Schilderung über das Mittelalter verliert, die den Leser gleich zu Beginn der Geschichte rasch ermüdet. Besser ist es daher sofort nach dem einleitenden Satz in die Handlung einzusteigen. Aber zu welchem Zeitpunkt soll die Handlung beginnen? Die Geschichte mit einem Ereignis beginnen zu lassen, das sich vor zwanzig Jahren zugetragen hat, ist keine gute Idee, und daher sollten solche Informationen erst später in kleinen Happen in die Erzählung einfließen. Am besten beginnt der Autor seine Geschichte an dem Punkt, der es ihm erlaubt eine Kette von Folgeereignissen zu erzählen, die sich rasant bis zu einem Höhepunkt weiterentwickeln.

2. Der Plot

Der Plot verbindet den Anfang einer Geschichte mit ihrem Ende. Stableford unterscheidet drei Phasen des Plots: Herausforderung, Hindernis und Höhepunkt. Die größte Herausforderung für einen Protagonisten ist das Überleben in bisher unbekannten Situationen. Dabei sind jedoch solche Hindernisse für den Leser uninteressant, die vom Protagonisten zu leicht bewältigt werden können. Der Plot sollte so aufgebaut werden, daß jedes bewältigte Hindernis den Protagonisten vor ein noch größeres Problem stellt, oder wie es der SF-Autor Ben Bova formuliert: "Löse niemals, niemals, niemals ein Problem, bevor Du nicht mindestens zwei neue aufgeworfen hast. Die ungelösten Probleme bilden die Kette von Versprechen, die das Interesse des Lesers wachhalten". Der Plot wird dadurch dramatischer, er verdichtet sich. Am Höhepunkt muß die Dramatik zu einem explosiven Ende kommen, und um diesen Effekt zu erzielen ist es mitunter ein gutes Stilmittel den Protagonisten in einem Wettlauf gegen die Zeit kämpfen zu lassen. Michael Moorcock sagte über seine frühen Romane, daß sie stets nach dem folgenden Muster aufgebaut waren: "Sechs Tage, um die Welt zu retten". Um die Dramatik zu steigern, können auf dem Weg zum Höhepunkt Subhöhepunkte eingestreut werden, wobei jeder etwas größer als der vorhergehende sein sollte. Die beste Munition sollte sich der Autor aber für das Ende aufheben.

Im Gegensatz zum linearen Plot, in dem jedes Kapitel zu einem Mini-Ende führt, wie beispielsweise in Homers "Odyssee", ist der komplexe Plot anders aufgebaut. Dabei werden die parallelen Handlungen mehrerer Protagonisten erzählt, und jedes Kapitel endet damit, daß die Protagonisten in eine dramatische Situation geraten, bevor im nächsten Kapitel die dramatische Situation der anderen Protagonisten gelöst wird. Dieses Mittel, oft auch Cliffhanger genannt, verbindet zwei rivalisierende Handlungen miteinander, den Plot und seinen Gegenplot. Gegen Ende der Geschichte treffen die Gruppen der Handlungsstränge meist aufeinander und vereinen sich zu einem explosiven Höhepunkt. Wir finden dieses Stilmittel beispielsweise in J. R. R. Tolkiens "Herr der Ringe". Plot und Gegenplot können aber auch in zwei unterschiedlichen Zeitepochen angesiedelt sein, wie beispielsweise in Stephen Kings "Es" oder in Katherine Nevilles "Das Montglane-Spiel". Obwohl King nur einen Zeitsprung von 28 Jahren beschreibt und Neville einen von 200 Jahren, ist der Effekt ein ähnlicher. In beiden Romanen sind die Zeitpunkte von Plot und Gegenplot gut gewählt und ergänzen sich gegenseitig, so daß sie gemeinsam mehr Dramatik entwickeln als die Summe beider Handlungen zusammen ausmachen würde.

Oft entwickelt der Plot während des Schreibens eine Eigendynamik, die zum Leidwesen des Autors vom Entwurf der Handlung abweicht, und plötzlich wird der Protagonist in eine Ecke gedrängt, wo es für ihn kein Entkommen mehr gibt. Der Autor kann den Protagonisten aber immer leicht dadurch retten, indem er ihn genau jenen Gegenstand in der Hosentasche finden läßt, den er für seine Rettung benötigt. Dabei ist es aber wichtig, diesen Gegenstand an einer früheren Stelle im Plot zu plazieren, damit der Leser diesen erzähltechnischen Trick für plausibel erachtet. Drehbuchautoren sprechen in diesem Zusammenhang von "Plazieren" und "Ernten".

Dramatische Spannung entsteht niemals dadurch, daß der Leser nicht weiß, was als nächstes passiert, sondern daß wir ihn vermuten lassen, was als nächstes passieren könnte, und ihn daran zweifeln lassen, ob es passiert.

3. Das Ende

Die Enthüllung des Endes liegt auf einem schmalen Grat und sollte sich gerade noch an der Kippe des Vorstellungsvermögens des Lesers befinden. Der Leser ist enttäuscht, wenn das Ende zu leicht vorhersehbar war, aber er ist auch enttäuscht, wenn er das Ende nicht einmal annähernd von den Ereignissen des Plots hätte ableiten können. Ein Meister des unerwarteten aber dennoch plausiblen Endes ist Roald Dahl, der diese Kunst in seinen Kurzgeschichten bis zur Perfektion vollendet hat.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Enden. Jenes Ende, in dem die Normalität der Situation, die zu Beginn der Geschichte aus den Fugen geraten ist, wieder hergestellt wird, wohingegen die andere Art des Endes eine deutliche Verbesserung der Situation des Protagonisten darstellt. Um den Protagonisten nach den Ereignissen des explosiven Höhepunktes wieder zurück in seine Heimat zu bringen, genügen dann oft nur einige Absätze, die in einem Epilog abgehandelt werden können.

4. Die Erzählperspektive

Zwischen dem Schriftsteller und dem Leser herrscht eine weit größere Kluft als zwischen dem Erzähler und seinem Zuhörer. Deshalb wirken Geschichten, die sich in der Realität abspielen und von Person zu Person weitererzählt werden, viel aufregender als wenn sie zu Papier gebracht und anschließend gelesen werden. Um jedoch auch einer literarischen Erzählung die nötige Spannung zu verleihen, sollte sie stets aus einer gleichbleibenden Perspektive erzählt werden. Für den Leser ist es immer einfacher in die Welt der Geschichte vorzudringen, wenn er in die Sichtweise des Hauptcharakters schlüpfen kann und alles sieht was der Protagonist sieht und dabei seine Gedanken und Gefühle mit ihm teilt. Wenn die Geschichte mehrere Perspektiven verlangt, dann sollte zwischen den einzelnen Erzählweisen stets ein neues Kapitel beginnen. Alles andere wirkt auf den Leser mehr als verwirrend.

Aber aus der Sicht welcher Person soll die Geschichte erzählt werden? Diese Person sollte zumindest bei den wichtigsten Szenen anwesend sein, damit die Handlung "on stage" erzählt werden kann und sie dem Protagonisten nicht von dritten Personen berichtet werden muß.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Protagonisten. Der unschuldige Fremde kommt in eine fremde Firma, in eine fremde Stadt, in ein fremdes Land oder auf einen fremden Planeten. Durch die Vorteile, die dieser Charakter bietet, kann der Leser die Kuriositäten und Wunder der fremden Welt mit dem Protagonisten teilen und Stück für Stück ihr Rätsel enthüllen. Dabei kann der Protagonist jene Fragen stellen, deren Beantwortung der Leser benötigt, um die Geschichte zu verstehen. Der unschuldige Fremde ist schon alleine deshalb für den Schriftsteller ein wichtiges Instrument, weil der Schriftsteller die wichtigsten Puzzlesteine vor ihm verstecken kann. So unnötig Dr. Watson auch für Sherlock Holmes sein mag... für Arthur Conan Doyle war er unverzichtbar, weil er die Lösung des Falles gemeinsam mit dem Leser zu einem Zeitpunkt entdeckt, an dem Holmes schon längst alles zu einem sinnvollen Ganzen kombiniert hat. Das ängstliche Opfer ist unser zweiter Hauptakteur. Er kennt zwar die Welt, in der sich die Geschichte zuträgt, aber er kennt den Zusammenhang und die Hintergründe mehrerer bizarrer Ereignisse, in die er hineinstolpert, genauso wenig wie der Leser.

Grundsätzlich ist heute die Erzählweise in der dritten Person die gängige Variante, und der Autor muß einen guten Grund dafür haben, um seine Geschichte in der ersten Person zu erzählen. Dem Ich-Erzähler steht beispielsweise ein breiteres Spektrum an Kommunikation, Slang und Jargon zur Verfügung, das beim Leser ein größeres Gefühl der Intimität hervorrufen kann. Andererseits besteht aber auch die Gefahr, daß dadurch eine größere Kluft zwischen dem Protagonisten und dem Leser entsteht, der sich nicht immer mit den Angewohnheiten des Ich-Erzählers identifizieren kann. Ein weiterer Nachteil besteht in den beschriebenen Gefahren, die in der Ich-Erzählung nicht so dramatisch wirken wie in der dritten Person, weil die dritte Person nicht automatisch alle Gefahren überleben muß.

Wenn der Schriftsteller aber nicht auf die Vorteile beider Perspektiven verzichten möchte, kann er in den Erzählstil der dritten Person Briefe oder Tagebuchaufzeichnungen einfließen lassen. Dieses Stilmittel sollte jedoch nicht überstrapaziert werden, da ansonsten der Roman an Spannung verliert, wie es beispielsweise in Bram Stokers "Dracula" oder in Stephen Kings "Carrie" der Fall ist.

5. Charakterzeichnung

Der Protagonist, aus dessen Perspektive erzählt wird, sei er der Ich-Erzähler oder die dritte Person, muß charakterisiert werden, wobei sich sein Charakter am Beginn der Geschichte so rasch als möglich dem Leser enthüllen sollte, damit er sich ein Bild von der Figur machen kann. Der Anfang sollte damit gemacht werden, daß dem Protagonisten ein Name gegeben wird. In weiterer Folge kommt ihm schon alleine dadurch ein bestimmter Charakter zu, indem ihm ein Beruf und eine soziale Rolle gegeben werden. Weiters entfaltet sich dem Leser der Charakter, indem der Autor die Beziehungen des Protagonisten zu seiner Familie und zu anderen Figuren entwickelt. Viel besser als jede psychologische Analyse ist dabei die Beschreibung der Art und Weise, in der sich der Protagonist zu anderen Personen verhält.

Die Beschreibung der physischen Details einer Figur ist oft wichtig, aber viel interessanter für den Leser ist die Geschichte und Herkunft der Figur. Der Schriftsteller kann sich für jeden seiner Charaktere ein Dossier anlegen, das meist mehr Details enthält, als er dem Leser dann zur Verfügung stellt. Es geht einfach nur darum, daß der Schriftsteller ein möglichst vollständiges Bild von seinen Charakteren erhält, damit er sie kontinuierlich sprechen, fühlen und handeln lassen kann, so daß es keinen ungewollten Bruch in ihrem Verhalten gibt. Für unerfahrene Schriftsteller ist es eine gute Übung, ihre Charaktere der Realität zu entleihen und in ihnen die Eigenschaften von Freunden und Bekannten zu kombinieren, wie Angewohnheiten der Sprache, Gestik, Verhalten, Interessen und Lebensstil. Man sollte der Entwicklung der Schwächen und des wunden Punktes des Protagonisten mindestens genauso viel Sorgfalt widmen, wie der Entwicklung seiner Stärken. Wie auch immer, den besten Schuß sollte man sich für das Ende aufheben.

Die Figur zu beschreiben ist zu wenig und meist ohne Effekt. Besser ist eine Demonstration der Art "Julia war diese Art Frau, die immer dann..." Eine derartige Phrase, die alles ausspricht, wirkt immer besser als jede Erklärung. Die Phrase kann auch mit einer kurzen Anekdote unterstrichen werden. Stableford spricht von "show, don´t tell". Wichtig ist dabei nur eines, daß die Figuren dem Leser real erscheinen. Die besten Charaktere, die von schlauen Schriftstellern kreiert wurden, erscheinen realer als echte Menschen... echter als das Leben selbst. Dracula brauchte nur ein einziges Buch, um der Vampir schlechthin zu werden.

6. Dialoge

Bei kurzen Dialogen oder bei Dialogen, die aus einem Frage- und Antwortspiel bestehen, ist es nicht notwendig die einzelnen direkten Reden mit kleinen Ergänzungen zu versehen, die dem Leser verdeutlichen wer gerade spricht. Bei längeren Dialogen ist ein gelegentliches "sagte Frank" jedoch unerläßlich. Unerfahrene Schriftsteller haben dabei oft ein Problem das Wort "sagte" zu oft zu verwenden und ersetzen es häufig durch Begriffe wie "murmelte", "flüsterte", "rief", "fragte" oder "erklärte". Das ist durchaus legitim, obwohl der Leser meist kein Problem mit dem "sagte" hat, weil er darüber hinwegliest und es ohnehin nicht als die Glanzleistung eines literarischen Genies auffaßt, sondern nur als notwendige Erklärung versteht. Jedoch sollten die Alternativen zu dem Wort "sagte" nicht so ausarten, daß unangemessene Begriffe wie "zuckte mit den Schultern" oder "kratzte sich am Hinterkopf" verwendet werden, die nicht mehr die Art des Sprechens beschreiben und dadurch absurd wirken. Wenn lange Dialoge mit Floskeln wie "er schnippte die Asche der Zigarette auf den Fußboden" oder "er nahm einen weiteren Schluck aus der Tasse" aufgelockert werden, dann sollten möglichst nur solche Details erwähnt werden, die dem Fortschreiten der Handlung oder der Entwicklung des Charakters dienen. Alles andere würde unangemessen erscheinen und den Leser langweilen.

Der Dialog ist ein wichtiges Mittel, den Charakter einer Person zu beschreiben. Im Gegensatz zum tatsächlichen alltäglichen Dialog ist der Storydialog nicht bloß soziales Ritual sondern dient hauptsächlich der Übermittlung von Informationen. Informationsaustausch zwischen den sprechenden Charakteren einerseits und Informationsübermittlung an den Leser andererseits. Unerfahrene Schriftsteller beschränken ihre Dialoge meist nur auf eine Standardbegrüßung und dem Austausch von Informationen, und das wirkt flach. Sie versuchen deshalb den Dialog mit den sozialen Gewohnheiten eines echten Dialogs zu verlängern, wie den Kommentaren über das Wetter oder Standardfragen, die sowieso nie beantwortet werden, wodurch Sie alles nur noch viel schlimmer machen, da sie den Dialog mit Dingen anreichern, die weder den Leser interessieren noch die Handlung vorantreiben. Bei diesen Dialogen wird einer der wichtigsten Aspekte vernachlässigt, denn um ein Gespräch nicht plump sondern lebendig erscheinen zu lassen, muß es Elemente der Konkurrenz und Rivalität enthalten:

Zuneigung: "Du würdest das nicht tun, wenn du mich wirklich liebst!"
Besorgnis: "Das mache ich doch nur, weil ich mir Sorgen um dich mache."
Anstand: "Sie ist eine solche Schlampe!"
Tapferkeit: "Das ist gar nichts... als ich meine erste Operation hatte..."

Dadurch wird der Dialog komplex und vielschichtiger, die Charaktere wirken lebendig, und wenn dann noch die sprachlichen Angewohnheiten der einzelnen Charaktere einfließen, wirkt der Dialog echt und originell. Apropos originell! Wie oft ist es uns schon passiert, daß wir uns nach einem Streit über uns selbst geärgert haben, weil uns die originelle Antwort erst viel später eingefallen ist, als der Chef schon bei der Tür draußen war? Wenn wir aber hart an unseren Charakteren arbeiten, dann können wir aus farblosen Gesprächen originelle und schlagfertige Dialoge entwickeln. Worüber wir als Schriftsteller wochenlang grübeln, sagt unser Protagonist binnen Sekunden... so ein Teufelskerl ist er! Oscar Wilde hat in seinem Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" wohl die besten Dialoge seiner Zeit erschaffen, doch wenn er seinen Charakteren weniger Aufmerksamkeit gewidmet und nicht kontinuierlich an ihrer Verbesserung gearbeitet hätte, wäre selbst dieses Buch ein unbedeutendes Werk geblieben.

Dialoge können jedoch niemals blitzgescheiter, cleverer oder schlagfertiger sein, als der Schriftsteller selber ist, und daher bedeutet die Arbeit an besseren Dialogen die Arbeit an einer ausgereifteren Persönlichkeit. Zu versuchen bessere Geschichten zu schreiben, wird uns dabei helfen intelligenter zu werden, und je intelligenter wir werden, desto bessere Geschichten können wir schreiben.

7. Exposition

Exposition nennt man den Vorgang, der notwendig ist, damit der Leser Informationen und Hintergründe über die Handlung und die Personen erhält. Der Dialog ist schon alleine deshalb ein wichtiges Medium, um Informationen an den Leser zu übermitteln, weil dadurch die gewaltigen "info-dumps" aufgelockert werden. Wenn ein Autor in seiner Geschichte die Erzählpespektive des unschuldigen Fremden gewählt hat, dann ist es nicht schwer den Leser an den Entdeckungen des Protagonisten teilhaben zu lassen, weil er Fragen stellen und in den verschiedensten Archiven nach Informationen recherchieren darf. Er kann Briefe erhalten, Gespräche belauschen und in Tagebüchern lesen. Das alles ist legitim. Viele dieser Informationen sollten gemeinsam mit dem Protagonisten "on stage" erfahren werden und dem Leser nicht in einer Zusammenfassung erklärt werden. In manchen Geschichten kommt an einer bestimmten Stelle mitunter ein weiser alter Mann vor, der sich mit dem Protagonisten unterhält und ihm die letzten Zusammenhänge erklärt. Das ist ebenfalls ein legitimes Stilmittel. Unerfahrene Schriftsteller wählen aber diesen Zeitpunkt leider oft zu früh, wobei es immer von Vorteil ist, diese Art des Dialogs auf den spätest möglichen Zeitpunkt zu verschieben, um die Dramatik zu steigern. Dabei darf es aber nicht passieren, daß der weise alte Mann seine Informationen bereits an viel früherer Stelle hätte preisgeben können und trotzdem geschwiegen hat, weil die Geschichte dadurch nicht plausibel erscheint.

Schwieriger wird es, wenn es sich bei dem Protagonisten nicht um den unschuldigen Fremden handelt, sondern wenn der Protagonist im Gegensatz zum Leser bereits viele über die Welt weiß, in der er sich befindet. Irgendwie muß der Leser aber trotzdem über viele Dinge aufgeklärt werden. Unerfahrene Schriftsteller machen dabei oft einen plumpen Fehler, und sobald in ihrer Geschichte zwei Personen miteinander sprechen und dabei der Satz fällt: "Wie Sie ja bereits wissen..." ist es an der Zeit sich andere Methoden einfallen zu lassen, um eine Information zum Leser zu transportieren. Das ist die Kunst der Exposition. Dabei kann folgender Trick angewendet werden. Wann immer der Protagonist etwas erkennt, das ihm abnormal erscheint, kann man ihn über den Grund dieser Änderung nachdenken lassen. Wann immer sich der Protagonist mit anderen Charakteren unterhält, die seltsame Interessen und Angewohnheiten haben, kann man ihn ein Kommentar dazu abgeben lassen. Dabei muß man allerdings aufpassen, daß man den Leser nicht mit Informationen überhäuft, die für die Handlung nicht benötigt werden. Damit verhält es sich genauso wie mit den Dossiers des Schriftstellers, die er über seine Charaktere angefertigt hat. Wenn der Schriftsteller mehr als der Leser über die fiktive Welt und die Handlung weiß, dann ist das gut. Er muß nicht seine gesamten Informationen an den Leser weiter transportieren. Es genügt, wenn er dem Leser dadurch ein handfestes und in sich geschlossenes, widerspruchsfreies und plausibles Fundament bietet.

Bei Beschreibungen besteht grundsätzlich das Problem wie viele Informationen und Details man dem Leser geben soll. Wenn man Dinge oder Gemütszustände beschreibt, dann sollte dem Leser immer soviel Freiraum gelassen werden, damit sich seine Phantasie frei entfalten kann. Die Kunst der Beschreibung hat mindestens genauso viel damit zu tun, Dinge wegzulassen wie aufzunehmen. "Ein Weniger kann oft ein Mehr bedeuten" heißt es so schön. Der Leser merkt sich ohnehin nur die wichtigen Details und vergißt alle nebensächlichen Beschreibungen. Ein guter Stil beschreibt daher auch nur jene Details, die für das Voranschreiten der Handlung wichtig sind. Dabei gibt es zwei Arten von Beschreibungen:

"Er war einsachtzig groß, hatte adrett gekämmtes braunes Haar und blaue Augen. Er trug einen grauen Armani Anzug und hatte eine Ausgabe der Financial Times unter den Arm geklemmt. Er begann zu laufen, denn schwarze Regenwolken hingen am Himmel."

Wenn man sich bewußt wird, daß Beschreibung mehr sein kann, als die bloße Aneinanderreihung von Informationen, dann ist die andere Variante weit interessanter:

"Er sah aus, als wäre er gerade aus einer Calvin Klein Boutique gekommen, mit dem Lächeln einer frisch geschliffenen Klinge. Er begann zu laufen, denn ein Gewitter war im Anmarsch, das binnen weniger Sekunden die gesamte Stadt zu verschlucken drohte."

8. Schlußbemerkung

Der Autor muß sich bei seiner Arbeit immer vor Augen halten, daß der Leser von Haus aus intelligent ist, oder wie Ludwig Reiners sagt: "Vielen Autoren gelingt es nicht, in ihrem Geiste einen Leser zu schaffen, der Würde und Wohlwollen verdient". Der Leser liebt von selber auf Muster, Motive und auf die Bedeutung von Dingen und früher erwähnter Ereignisse zu kommen und Zusammenhänge zu entdecken. Geben wir dem Leser eine Chance, und machen wir die Lektüre für ihn zu einem spannenden Erlebnis.

Wenn es mir mit diesem Artikel gelungen ist, auch nur einen Autor dazu zu motivieren, seine Erzählung zu einer noch besseren Geschichte zu überarbeiten, dann war es die Mühe wert. Möge die Inspiration mit Euch sein...

[Mehr von Andreas Gruber findet ihr auf seiner Website]

 

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ISBN: 0844200204

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Besprochen von: Andreas Gruber
Stand: 2002-08-06

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