4. Schlechte Wahl von Person und Zeit
Du hast drei Wahlmöglichkeiten bezüglich der Erzählzeit, in der Dein Roman spielt: die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Drei weitere Möglichkeiten hast Du in der Wahl Deiner Perspektive: schreibst Du in der ersten, der zweiten oder der dritten Person?
Achtzig bis neunzig Prozent aller Romane werden in der Vergangenheitsform und in der dritten Person geschrieben, der größte Teil der restlichen Romane in der Vergangenheit und der ersten Person. Tatsächlicht gibt es Momente, in denen es Sinn macht in der ersten oder zweiten Person/Gegenwart zu schreiben. (Ich selbst habe eine Geschichte in der ersten Person/Gegenwart geschrieben.)
Jede Zeit und jede Person, in der Du schreibst, hat natürlich ihre Stärken und Schwächen, natürlich auch jenseits dieser Fehlerliste. Es ist eigentlich unnötig zu sagen, daß ein kluger Autor seine Möglichkeiten vor dem Schreiben gut abwägen wird, nur ein törichter Autor wird sich mit genau der Zeit und Stimme in eine Story stürzen , die ihm gerade im Kopf herumgeht, oder in mehreren zweiten Personen in der Zukunft schreiben, nur um nachzuweisen, daß dies machbar ist.
5. Zeitfehler
Die größte Fehler hier wird in der Verwendung nutzloser Rückblenden gemacht. Ich habe Stories gesehen, die mit einer Rückblende beginnen, und dann innerhalb von dreißig Sekunden in der Zeit nach vorne springen. Warum?, frage ich mich. Aus welchem Grund?
Ich bin überzeugt, daß ein Großteil dieser Rückblenden deshalb geschrieben wird, weil der Autor eine Menge Bücher mit Rückblenden gelesen hat, und glaubt, einer literarischen Konvention genügen zu müssen. Natürlich können Rückblenden cool, dramatisch und spannend sein. Aber man sollte dabei nicht vergessen, daß der Grund für die Dramatik zum Teil in der erzeugten Unsicherheit und Verwirrung liegt. Natürlich können solche Rückblenden den Leser zu Fragen veranlassen wie: "Was zum Teufel passiert denn hier?" und ihn neugierig machen und zum Weiterlesen bewegen. Aber ein Drama, daß sich ausschließlich auf Verwirrung und Zweifel stützt, ist ein kompliziertes Ding. Viel zu oft lassen Rückblenden den Leser mit der Frage zurück: "Verdammt, was ist hier eigentlich los?" und verlieren sich dann bloß im Nebel.
Effektlose Rückblenden sind jedoch nur der Anfang. Ich habe viele Manuskripte gesehen, die auch Vorblenden enthielten, ein kurzes Verweilen an einem weiteren Schauplatz, ein Sprung zurück vor die Rückblende, möglicherweise in ein Traum-Segment und wieder zurück in die Realzeit. Ich habe Stories gesehen, die kaum mehr waren, als ineinander verschachtelte Rückblenden, eine Rückblende in der anderen, wie die russischen Puppen, die ineinander passen.
Vergiß nicht, daß Du als Autor mehr über Deine Story weißt, als Dein Leser (Zumindest solltest Du mehr wissen!) Du wirst die Entwicklung Deiner Story also auch immer klarer sehen als Dein Leser. Aber nur, weil Du weißt, was in Deiner Geschichte passieren wird, mußt Du noch lange nicht glauben, daß auch alle anderen das wissen.
Eine Faustregel könnte lauten, daß der Leser lange vor dem Autor die Orientierung in solch einer Story verlieren wird. Anders formuliert: "Der Autor sollte nie eine gradlinige Chronologie ohne einen wirklich guten Grund aufgeben."
Frage Dich: Welchem Zweck ist damit in der Story gedient? Macht es die Story spannender? Klärt es irgendeinen Zusammenhang? Oder führt es am Ende nur zu totaler Verwirrung?
6. Namenlose Charaktere
Von allen Fehlern verwirrt gerade dieser am meisten. Es ist mir völlig unverständlich, warum Menschen gerade diesen Fehler so häufig begehen. Ich vermute einmal, daß es mit dem Wunsch einhergeht, eine dramatische Szene heraufzubeschwören. Funktionieren wird dies aber tatsächlich nur selten.
Das klassische Beispiel hierfür würde eine 20-Seiten Story sein, in der wir einem namenlosen Hauptdarsteller für gut 15 dieser Seiten folgen. Nach langem hin und her wird das "Geheimnis" um dessen Namen schließlich mit einer großen dramatischen Gebärde enthüllt: Ihr Name ist "Jane". Wow! Es kann natürlich auch irgendein anderer Name sein, der ebenso wenig das reale Leben oder die Story in irgendeiner signifikanten Weise berührt.
Kurzum: Es liegt aber auch wirklich nichts Überraschendes im Namen einer Person. Jeder hat einen Namen. Gehe also ruhig offenherzig mit dem Namen Deiner Hauptfigur um, zeige, daß sie einen Namen hat, und enthülle diesern Name. Es ist unwahrscheinlich, daß Du damit jemanden schockierst.
Der einzige Grund, den Namen einer Figur zurückzuhalten, könnte sich ergeben, wenn Du eines dieser ermüdenden alten Dinge tust, in denen z. B. ein kleiner österreichischer Junge, ein Außenseiter, beinahe von einem Pferderfuhrwerk überfahren wird. Sein Leben wird von einem freundlichen Juden gerettet, und es stellt sich heraus, daß der Name des Jungen "Adolf" ist. (Welch ein Schock!!) Das ist tatsächlich ein uralter, abgelutschter Drops. (Ich habe aufgehört, die Stories zu zählen, in denen sich am Ende ein Charakter als A. H. entpuppt)
Die namenlose Figur wäre noch eine Lappalie, wäre da nicht die Tatsache, daß diese "Strategie" vom Autor verlangt, alle möglichen ausgetüftelten literarischen Spielarten zu entwickeln, um den Namen geheimzuhalten. Ich las einmal eine Story (die an sich ein wirklich gutes Stück Literatur war), in der der Name der Hauptfigur (und dessen Geschlecht!) über die ersten 57 Seiten verborgen gehalten wurde, einschließlich einer sehr bildlichen Sexszene. Ein ordentliches Kunststück, nicht wahr? Dieses Stück Taschenspielerei wurde dadurch erreicht, daß jede Person in diesem Buch mit und über diese Person sprach, ohne deren Namen zu verwenden, und daß der Autor darauf anspielte, die Hauptfigur sei der Ranger, der Führer, der Captain der Band etc.
Es dauerte nicht lange, und man wechselte auch noch in eine total geschraubte und völlig unbeholfene Sprache. Dabei hatte weder die eventuelle Enthüllung des Namens noch des Geschlechtes auch nur den geringsten Effekt auf die Story oder überhaupt irgendeinen dramatischen Zweck.
Die Sexszene war besonders verwirrend, als der Autor notgedrungen den Sex des Partners der namenslosen Person dadurch nicht richtig beschreiben konnte. Während der Autor klarzumachen versuchte, was gerade geschah, war er in seiner eigenen Cleverniss so gefangen, daß er nicht mehr in der Lage war klarzustellen, wer wem jetzt etwas angedeihen ließ. Uff!
Wenn Deine Figur keinen Namen hat, oder wenn Du den Namen mit einer Reihe von scheinbar cleveren Kunstgriffen, geheimhältst, wirst Du 23 Seiten mit verdammt unsinnigen Ausdruckweisen verbringen, wie z. B. "... der Junge im Hemd ...". Hör um Gotteswillen damit auf! Wenn sein Name Fred ist, nenne ihn Fred!