Editorial
Hall of Fame
Schreib-Kick
Lesetipps
Schreibkurs
"Romanfiguren mit dem Leuchtturm-Modell entwickeln"
von Klaus Eckardt
Spannung, der Unterleib der Literatur
"Das Geschenk des Paschas"
Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen
Frag die Expertin für Fantasy
(Stefanie Bense)
EDITORIAL: --------------------------------------------------------------------- Liebe Autorinnen und Autoren, Metaphern können beim Entwickeln von Geschichten hilfreich sein, so auch die des Leuchtturms. Wie man anhand dieses Bildes die verschiedenen Ebenen einer Figur entwickelt und entdeckt, zeigt Klaus Eckardt im Schreibkurs dieser Ausgabe. Ein neues Spannungslektorat steuert Hans Peter Roentgen bei, bei dem es diesmal um eine historische Geschichte geht. Und Stefanie Benses Expertenantwort hat, wie so oft, nicht nur enormen praktischen Nutzen, sondern ist auch ein eigener, umfangreicher Schreibartikel. Und natürlich haben wir außerdem neue Schreib- und Linktipps, Schreibkicks und Ausschreibungen für euch. Der Tipp des Monats Februar, diesmal von Michael Modler: Zwingt euch, die am Seitenende verlinkten Wikipedia-Beiträge zumindest anzulesen. Manchmal kommen einem dadurch neue Ideen, und eure Allgemeinbildung freut sich in jedem Fall. Habt ihr eigene kleine Tipps, von denen auch andere AutorInnen profitieren können? Dann mailt mir! Lasst es euch im beginnenden Frühling gut gehen, das wünscht euch die gesamte Tempest-Mannschaft. Gabi Neumayer Chefredakteurin ~~~~~~~~~~~ Damit wir den Tempest auch in Zukunft weiterführen können, brauchen wir eure Hilfe: Wer uns unterstützen möchte, überweise bitte einen freiwilligen Jahresbeitrag (15 Euro haben wir als Richtwert gesetzt, aber ihr helft uns auch schon mit 5 oder 10 Euro weiter) auf das Konto: Jürgen Schloßmacher Kreissparkasse Köln BLZ 370 502 99 Kto. 11 42 17 61 63 Stichwort: "Beitrag 2013" Wichtig: Das Konto läuft NICHT mehr auf den Namen "autorenforum", sondern nur auf "Jürgen Schloßmacher"! Für AuslandsabonnentInnen: Am 1. Juli 2003 wurden die Auslandsüberweisungsgebühren gesenkt. Aber natürlich könnt ihr uns euren Beitrag auch weiterhin per Post schicken (Adresse am Ende des Tempest). Wer aus Österreich überweist, braucht außerdem diese Nummern (bitte genau so zusammenschreiben!) IBAN: DE16 5509 0500 0100 7245 15 BIC: GENODEF1S01 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ISSN 1439-4669 Copyright 2013 autorenforum.de. Copyright- und Kontaktinformationen am Ende dieser Ausgabe ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ INHALT DIESER AUSGABE: TEIL 1: Editorial Hall of Fame Schreib-Kick Lesetipps Schreibkurs "Romanfiguren mit dem Leuchtturm-Modell entwickeln" von Klaus Eckardt Spannung, der Unterleib der Literatur "Das Geschenk des Paschas" Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen Frag die Expertin für Fantasy (Stefanie Bense) Impressum TEIL 2: Veranstaltungen Ausschreibungen Publikationsmöglichkeiten mit Honorar ohne Honorar Seminare Messekalender Impressum ********************************************************************* HALL OF FAME: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) Die "Hall of Fame" zeigt die Erfolge von AbonnentInnen des Tempest. Wir freuen uns, wenn ihr euch davon motivieren und ermutigen lasst - dann werden wir euer neues Buch hier bestimmt auch bald vorstellen können. Melden könnt ihr aktuelle Buchveröffentlichungen (nur Erstauflagen!) nach diesem Schema: ....... AutorIn: "Titel", Verlag Erscheinungsjahr (das muss immer das laufende oder das vergangene Jahr sein!), Genre (maximal 2 Wörter). Zusätzlich könnt ihr in maximal 60 Zeichen (nicht Wörtern!) inklusive Leerzeichen weitere Infos zu eurem Buch unterbringen, zum Beispiel eine Homepage- Adresse. ....... Ein Beispiel (!): Johanna Ernst: "Der Fall der falschen Meldung", Hüstel Verlag 2009, Mystery-Thriller. Dann noch 60 Zeichen - und keins mehr! Inklusive Homepage! ....... Ausgeschlossen sind Veröffentlichungen in Anthologien, Bücher im Eigenverlag und BoDs (sofern sie im Eigenverlag erschienen sind) sowie Veröffentlichungen in Druckkostenzuschussverlagen. ACHTUNG! Schreibt in eure Mail mit der Meldung immer auch hinein, dass ihr bestätigt, dass die Veröffentlichung weder im Eigenverlag noch in einem Verlag erschienen ist, bei dem der Autor irgendetwas bezahlt hat! Als Bezahlung gilt auch, wenn er Bücher kostenpflichtig abnehmen muss, Lektorat bezahlt o. Ä. Schickt eure Texte unter dem Betreff "Hall of Fame" an redaktion at team pt autorenforum pt de. Wir berücksichtigen ausschließlich Meldungen, die nach dem obigen Schema gemacht werden und die Bestätigung zum Verlag enthalten. Änderungsaufforderungen zu Meldungen, bei denen das nicht der Fall ist, werden ab sofort nicht mehr verschickt! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Martina Bilke: "Erben", Der Kleine Buchverlag 2012, Gegenwartsroman. http://www.derkleinebuchverlag.de Aileen P. Roberts "Der Feenturm", Goldmann Verlag 2012, historische Fantasy. Danas Zeitreise ins Schottland von vor über 2000 Jahren Heinrich von der Haar: "Mein Himmel brennt", Kulturmaschinen Verlag 2013, Roman. ISBN 978-3-943977-07-3. Infos: www.kulturmaschinen.com Thomas Franke: "Das Tagebuch", Gerth-Medien 2013, Zeitreise-Roman, Infos: http://www.thomasfranke.net Markus Gnad: "33 1/3", Resistenz Verlag 2013. Roman. Kaputte Familien und mysteriöse Botschaften auf alten LPs Sylvia Klinzmann: "Die Stickerin von Sevilla", AAVAA Verlag 2013, historischer Roman. Spanien, Ende 15. Jhd., Infos: www.sylvia- klinzmann.com Claudia Luz und Natalie Eichhorst-Ens: "Tierisches Leben", Kunstanstifter Verlag 2012, Gedichte + Illustrationen. www.kunstanstifter.de/die-buecher/tierisches-leben.html Andrea Tillmanns: "Was krabbelt, summt und fliegt denn da?", Edition Dreieck im Mellinger Verlag 2012, Kindergarten-Praxisbuch. Zum Thema Insekten. www.andreatillmanns.de Andrea Tillmanns: "Ziemlich Böse Nachtgeschichten #1-4", Chichili 2012, Horror-Erzählungen. E-Books für Kindle, als epub etc. www.andreatillmanns.de Anja Marschall: "Das Erbe von Tanston Hall", Goldfinch Verlag 2013, Krimi. Zwei starke Frauen & Žne Leiche. Cornwall-Crime mal anders! S. A. Urban: "Erwarte mich in Paris", Himmelstürmer Verlag 2013, homoerotischer Roman. Info: www.myspace.com/sigrid.a.urban Barbara van den Speulhof: "Pippa, die Elfe Emilia und die Käsekuchenschlacht", Fischer KJB 2013, erzählendes Kinderbuch. Ab 8 J., http://www.facebook.com/#!/b.vandenspeulhof Barbara van den Speulhof: "Das große Buch der Augsburger Puppenkiste", Boje Verlag 2013. http://www.facebook.com/#!/b.vandenspeulhof Evelin Niemeyer-Wrede: "In der Flucht", KUUUK Verlag 2013, Gegenwartsroman. Infos und Leseprobe: http://www.kuuuk.com Gabi Neumayer: "Undercover City: Der Unsichtbare im Wald", Beltz & Gelberg 2013, Kinderkrimi. Emily in einer Stadt voller Ex-Agenten und Geheimnisse ... ********************************************************************* SCHREIB-KICK: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) Unser Schreib-Kick für den Februar, diesmal von Ursula Schmid-Spreer: Was wäre, wenn? Gesellschaftliche Tendenzen und Wunschträume zu Ende gedacht ..... Malen Sie sich Zeiterscheinungen und Wunschträume in die Zukunft hinein aus, und machen Sie daraus humorvolle, komische, schreckliche oder beflügelnde Geschichten. Z. B. über ewiges Jungsein oder lebensechte mechanische Doppelgänger oder ... ********************************************************************* LESETIPPS: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) http://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/markt7443.html Verkaufstricks im Buchhandel: Pro Tag erscheinen über 250 neue Bücher in Deutschland. Doch wie wird ein Titel bei einem Händler "Buch des Monats", oder worin unterscheiden sich beispielsweise die "Spiegel"- und die "Fokus"-Bestsellerliste? +++++ http://www.buchreport.de/nachrichten/buecher_autoren/buecher_autoren_n achricht/datum/2012/12/11/es-fehlt-an-autoren-mit-biss.htm Der Bastei-Lübbe-Verlag eröffnet eine verlagseigene Autorenschule. Namhafte Autoren wie Andreas Eschbach werden dort unterrichten. Warum es Autoren "hierzulande an Biss fehlt und weshalb solche Schreibschulen in Deutschland längst überfällig sind", könnt ihr unter obigem Link nachlesen. ********************************************************************* SCHREIBKURS: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) "Romanfiguren mit dem Leuchtturm-Modell entwickeln" von Klaus Eckardt Die Entwicklung der Figuren gehört zu den zentralen Punkten bei der Arbeit an jedem Roman. Herangehensweisen gibt es dabei viele: Manche Autoren erarbeiten detaillierte Lebensläufe für jede Figur, andere vertrauen eher auf ihre Intuition und verfeinern die anfangs groben Bilder erst beim Schreiben. Ein Weg, der sich sowohl für die grundlegende Entwicklung des "Personals" wie auch als zusätzliches Instrument zu jeder anderen Methode eignet, ist die Arbeit mit dem "Leuchtturm-Modell". Dieses Modell beschreibt jede Figur aus neun verschiedenen, sich aber ergänzenden Perspektiven - oder Etagen eines Leuchtturms. Es basiert auf den "Logischen Ebenen" des Amerikaners Robert Dilts. Also hereinspaziert in unseren Leuchtturm! Da ich selber Krimis schreibe, schauen wir uns das Ganze in Kurzform mal aus der Sicht einer zentralen Figur an, nämlich der des Mörders aus meinem neuesten Buch "Bestzeit". Die Etagen Fundament ......... Es symbolisiert die Umgebung des Leuchtturms, legt fest, wo die Figur lebt, in welchem Land, in welcher Stadt, mit wem, in welcher Zeit usw. Sie ist die Basis all dessen, was noch kommt. In unserem konkreten Fall lebt unser Mann im Jahr 2012 in Ulm. Er ist geschieden, wohnt allein und hat eine Beziehung zu einer Kollegin, von der allerdings niemand etwas wissen darf. Verhalten .......... Die erste Etage beschreibt das Verhalten, ohne es zu bewerten. Denn auch wenn die Figur letztlich etwas Böses tut, tut sie das ja nicht um des Bösen willen, sondern aus einem inneren Druck heraus, den es zu beschreiben gilt. Hier geht es ausschließlich um das "Was". Es leuchtet ein, dass das "Was" mit dem "Wo" zu tun hat. Lebt unsere Figur in einer High-Tech-Umgebung, sollte dies nicht gerade das Sibirien des frühen 20. Jahrhunderts ein. Unser Mann arbeitet als Ingenieur bei einem Unternehmen, das Wasserkraftwerke baut, und ist leidenschaftlicher Marathonläufer. Eines Tages klaut er Firmendaten, wird dabei beobachtet und erpresst. Er weiß, dass der Erpresser nur aus einem kleinen Kreis von Kollegen kommen kann, und beginnt, einen nach dem anderen umzubringen. Wichtig ist hier, dass es nicht um die Gründe geht, sondern erst mal rein um das, was der Charakter tut. Fähigkeiten ........... Mit dem "Wie" haben wir uns in der zweiten Etage beschäftigt. Jetzt geht es um die Fähigkeiten, die unsere Figur braucht, um die zuvor beschriebenen Dinge zu tun. Als Ingenieur verfügt der Mann natürlich über technische Fähigkeiten, er ist intelligent und in der Lage, strukturiert zu denken und zu handeln. Zudem ist er als Marathonläufer körperlich fit. Werte ..... Ganz zentral in unserem Leuchtturm ist die Etage mit den Werten. Was ist unserer Figur wichtig? Woran glaubt sie? Hier kann es hilfreich sein, Sätze aus der Ich-Perspektive der Figur zu formulieren: "Mir ist (in meinem Leben, bei der Arbeit, in Beziehungen etc.) wichtig, dass ..." bzw. "Ich glaube, dass ..." Niemand mordet aus reiner Lust. Das Interessante an Krimis ist ja in der Regel nicht, was die Täter machen, sondern was sie dazu gebracht hat. Unser Ingenieur, der zum Mörder wird, ist ein Mensch, der - auch wenn das im Widerspruch zu seinem Tun steht - an die Gerechtigkeit glaubt, der ein hohes Sicherheitsbedürfnis hat, Sehnsucht nach Nähe, der ohne Zwänge leben will. Eine wichtige Ausgangsbasis bei der Suche nach den Werten ist die Annahme, dass hinter jedem Verhalten eine positive Absicht steckt - und die leitet sich aus den Werten ab. Identität ......... Die ersten vier Etagen des Leuchtturms bündeln sich in der Identität. Hier fragen wir unsere Figur: "Wer bist du, der oder die das tut?" Und sie wird in der Rolle unseres Mörders antworten: "Ich bin ein Mensch, der an die Gerechtigkeit glaubt und der diese Gerechtigkeit durchsetzt." Die Erfahrung zeigt, dass es zu mehr Klarheit führt, die Dinge positiv zu formulieren, also zu schreiben: "Ich bin ..." statt "Ich bin nicht ..." Zugehörigkeit ............. Einen Stock weiter oben befassen wir uns mit der Zugehörigkeit, also der Frage: Wem fühlt sich unsere Figur verbunden? Ist sie Ehemann oder Ehefrau, Mitarbeiter/in in einem Betrieb, Mitglied in einem Verein, einer Partei ? In unserem Beispiel fühlt sich der Täter seinem Unternehmen verbunden, seinen Freunden aus dem Lauftreff, seiner Freundin. Lebenssinn .......... Nun geht es in die oberen Etagen zu den etwas schwerer greifbaren Ebenen. Zunächst zum Lebenssinn, der Mission. Große Worte, doch sollten wir uns nicht scheuen, unsere Figuren zu fragen: "Wofür tust du das alles?" Die Bandbreite der möglichen Antworten ist riesig. Manche wollen nicht weniger als die Welt retten. Unser Ingenieur würde schlicht sagen: "Ich will in Frieden leben und mein Auskommen haben." - Und wehe, dieser Frieden gerät in Gefahr! Spiritualität ............. Während wir uns bei der Mission noch mit Antworten wie "für Geld", "für Anerkennung" oder "für Liebe" zufrieden geben, bohren wir bei der Frage nach der Spiritualität etwas tiefer (wer das Wort nicht mag, kann auch gerne sagen: nach dem, was dahinter steht). Hier können wir die Frage stellen: "Welchem höheren Ganzen dient das, was ich tue?" Hier lohnt es sich, ein wenig zu bohren, denn auch uns selbst ist oft nicht bewusst, was uns tief im Innern antreibt. Und doch liegt hier die Basis für unser Verhalten und für das unserer Figuren. In unserem Beispiel könnte das heißen: "Ich diene der Gerechtigkeit, indem ich sie wiederherstelle." Die Überschneidung mit den vorher erwähnten Werten überrascht nicht, da die obersten Ebenen den Überbau für die Werte bereitstellen. Oben leuchtet die Vision ........................ Nun sind wir viele Stufen in unserem Leuchtturm hochgeklettert und kommen zum Ausguck, wo sich das große Licht dreht und meilenweit in die Dunkelheit strahlt - eine schöne Metapher für die Vision, die ganz große Idee, die unsere Figur antreibt. Hier kann der Griff in die Vollen nicht zu viel sein. "Ich will die Menschheit vom Bösen befreien", mag einer sagen. Oder: "Ich will die Welt beherrschen" - die zentrale Vision aller Bösewichte, gegen die James Bond seit 50 Jahren zu Felde zieht. Die Vision kann, muss aber nicht, der Spiritualität sehr ähnlich sein. Denn letztendlich fließen diese Ebenen ineinander. Bei dem Ingenieur könnte sie lauten: "Ich schaffe eine friedliche und gerechte Welt." Müssen die Ebenen logisch aufeinander aufbauen? Das Bild des Leuchtturms zeigt, dass die obere Etage nur dann Bestand haben kann, wenn die unteren sie tragen. Aber es gibt auch marode Türme, die einstürzen - so, wie es widersprüchliche Figuren gibt, die zusammenbrechen, weil bei ihnen nichts wirklich zusammenpasst. Hier gilt, wie in vielen Dingen: Es gibt kein reines Gut und kein reines Schlecht. Weder beim Schreiben noch im richtigen Leben existiert nur ein einziger Weg. Wichtig erscheint mir, dass Widersprüche bei Romanfiguren bewusst angelegt sind und so eine dramaturgische Bedeutung haben. Mörder haben , wie das Beispiel zeigt, aus ihrer Sicht oft nur die besten Absichten, also Visionen und Werte, die Gutes erwarten lassen, aber sich dann doch ins Böse drehen. Diese Gegensätze schaffen Spannung, werfen Fragen auf, die der Leser beantwortet haben möchte. Der reine Gutmensch ist so interessant wie eine Zeitung mit lauter guten Nachrichten - nämlich überhaupt nicht. Die Arbeit mit dem Leuchtturm-Modell eignet sich auch für die Entwicklung von Gegenspielern. In der gleichen Umwelt, beim gleichen Verhalten und den gleichen Fähigkeiten von Personen können ganz unterschiedliche Werte und Visionen aufeinanderprallen, die für spannende und interessante Geschichten sorgen. Ein Arbeitsblatt mit den Ebenen des Leuchtturm-Modells kann von meiner Webseite im Bereich "Schreib- und Kommunikationsseminare" heruntergeladen werden. Die Arbeit mit diesem Modell ist Teil meines Seminars "Tatort Schreibtisch - Der Weg zum eigenen Krimi", in dem die Teilnehmer mit dem Leuchtturm-Modell auch ihre eigene Schreibstrategie entwickeln können. Die Termine stehen auf meiner Webseite http://www.klaus-eckardt.com. Ich freue mich, wenn ihr mir eure Erfahrungen mit dem Leuchtturm-Modell mitteilt: post@klaus- eckardt.com. **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Klaus Eckardt, Jahrgang 1960, lebt in Tübingen. Er hat drei Kriminalromane veröffentlicht, die alle mit seiner großen Leidenschaft, dem Laufen, zu tun haben: "Bestzeit" (2012), "Marathon- Mord" (2011) und "Der Lauf des Todes" (2010). Zudem arbeitet er freiberuflich als Journalist sowie als Kommunikations- und Schreibtrainer. ********************************************************************* SPANNUNG, DER UNTERLEIB DER LITERATUR: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) Was macht Romane spannend, und vor allem: Was macht sie langweilig? Wer Szenen hat, die sie oder er für spannend hält, oder Szenen, bei denen er sich nicht sicher ist, oder solche, die eigentlich spannender gestaltet sein sollten, doch die Frage ist: Wie? - wer solche Szenen hat, kann sie mir schicken. Ich wähle dann einige aus, die ich im Tempest bespreche. Schickt die Szenen als E-Mail-Anhang im RTF-Format an:Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. Bitte nicht mehr als 7.000 Anschläge, also etwa vier Normseiten. Dazu zählt auch der Vorspann! Da die Szenen aus beliebigen Stellen eurer Manuskripte stammen dürfen, müsst ihr eventuell die Vorgeschichte der Szene erklären. Diese Erklärung sollte 400 Anschläge nicht überschreiten! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Das Geschenk des Paschas" Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen Prolog Sollten Sie ihn doch ruhig als Kameltreiber bezeichnen. Ja, er hatte nicht die feinsten Manieren. Erst im Alter von vierzig Jahren hatte er das Lesen erlernt. Und doch war es ihm gelungen, die Aufstände der Mameluken niederzuschlagen und Vizekönig über Ägypten zu werden und das Land zu einem modernen Staat werden zu lassen. Selbst die Zeitungsleser in Europa rieben sich erstaunt die Augen, wenn sie lasen, was da drüben im Orient passierte. Das Land in der Ferne, das nichts vorweisen konnte außer seinen alten Pyramiden und ein paar eingewickelten Mumien, entwickelte unter den Händen seines neuen Herrschers Reichtum, Wirtschaft und Macht. Mohammad Ali Pascha hatte sich vieles von Europa abgeschaut und die Industrie nach Ägypten geholt. Vor allem der Baumwollhandel und die vielen Baumwollfabriken waren es, die sein Land reich gemacht hatten. Und natürlich seine zahlreichen Feldzüge. Der Handel mit dem "Schwarzen Gold", wie man die Sklaven nannte, florierte. Nein, Mohammad Ali Pascha war wirklich nicht zimperlich, wenn es galt, sich mit brutalen Mitteln Macht und Geld zu verschaffen. [Hier folgt ein Kapitel mit einem anderen Erzählstrang aus anderer Perspektive.] Schubra El-Cheime Sommer 1824 In seinem Sommerpalast in Schubra-el-Cheime im fernen Ägypten zupfte Mehmed Ali Pascha an seinem Bart. Er saß im Raum der Namen, den er immer nutzte, wenn er nachdenken oder meditieren wollte. Bei allem Prunk und Pomp in dem Palast, den er sich innerhalb von 15 Jahren hatte errichten lassen, liebte er diesen stillen schlichten Raum mit der Decke im arabesken Stil. In der Mitte des Marmorbodens prangte in arabischer Schrift sein Name: Mohammad Ali Pascha. Über dem runden Gesicht unter dem Turban zeichnete sich ein stolzes Lächeln ab. Bis zum Vizekönig hatte er es gebracht. Millionen zitterten vor ihm, die einen aus Angst, die anderen aus Ehrfurcht und Bewunderung. Längst wurde er in Ägypten als Gründer der Nation verehrt, der das Land von der Herrschaft der Osmanen erlöst hatte, auch wenn seine Methoden nicht gerade zimperlich waren. Der Pascha kannte seine Beinamen, die man ihm hinter seinem Rücken verlieh: Kameltreiber, Renaissancebarbar, Blut saugender Vampir des Niltals. Mohammad Ali Pascha, auch Mehmed Ali genannt, lachte dröhnend darüber, galt er doch als Gründervater des modernen Ägyptens und einer der mächtigsten Herrscher des Orients. Eines war gewiss, er drehte mächtig am Rad der Geschichte, was kümmerten da schon seine rauen und unkonventionellen Methoden? Natürlich gab es hin und wieder Ärger mit anderen Ländern, doch das waren nur Herausforderungen für seine ungebremste Abenteuerlust. Einiges ließ sich kriegerisch regeln, anderes mit Diplomatie. Dass er gerade einen Aufstand der Griechen gegen die Türken niedergeschlagen hatte, sah man in Europa nicht gerne. Der Brief, den ihm sein Diener Kadmir hereingebracht hatte, ließ nichts Gutes ahnen. Er trug das Siegel des französischen Königs Charles X und Mehmed Ali konnte sich denken, was darin stand. Keiner der europäischen Herrscher hatte Mehmet Ali Paschas Eingreifen in den Aufstand der Griechen gutgeheißen. Nun gut, er hatte den Türken geholfen, den Aufstand niederzuschlagen. Alleine hätten sie es niemals gepackt, er, Mohammad Ali Pascha, schaffte es mit seinem Know-how innerhalb weniger Wochen. Natürlich nicht umsonst. Er tat niemals etwas, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Er nestelte unruhig an seiner Goldkette, als sei sie ihm zu eng. "Die Griechen - die Griechen, ich mochte sie noch nie", murmelte er zu sich selbst. Wenn du einem Griechen die Hand schüttelst, zähle die Finger, lautete ein altes Sprichwort aus seiner albanischen Heimat, und da war was Wahres dran. Nun ja, in Europa war sein Schachzug nicht gut angekommen, zahlreiche Herrscher hatten ihm Briefe schreiben lassen, in denen sie ihr Missfallen deutlich zum Ausdruck brachten. Der Briefumschlag aus gehämmertem Papier und dem dicken Siegel roch nach Ärger. Ausgerechnet der französische König! Mit Frankreich konnte und mochte er es sich nicht verderben! "Bring mir die Wasserpfeife!", herrschte er seinen Diener an, "und sorge dafür, dass Drovetti sich im Palast einfindet! Lasst den Empfangssaal richten! Die Dienerinnen sollen eine Schale mit Datteln, Trockenfrüchten und Nüssen bereitstellen und einen starken Tee zubereiten, wie Drovetti ihn liebt. Vergesst nicht die Schale mit sardischen Oliven! Und schickt mir Jussuf herbei! Unverzüglich!" Während Kadmir noch dienerte und sich fragte, wo er Bernadino Drovetti auffinden sollte, starrte Mohammad Ali Pascha den Brief des französischen Königs an wie eine giftige Schlange und hüllte sich in zorniges Schweigen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Lektorat von Hans Peter Roentgen Wie immer als Erstes die Frage: Ist dieser Text spannend? Reizt er zum Weiterlesen? Mich würde er dazu reizen, weiterzulesen. Allerdings dürften hier die Meinungen weit auseinandergehen. Geschmäcker sind verschieden, ich liebe historische Texte, weiß aber, dass viele meine Begeisterung nicht teilen. Kein Text, egal wie spannend, kann alle Leser ansprechen. Aber habe ich nicht immer gepredigt, dass Autoren nichts erklären sollten? Dass Infodumps Spannungskiller sind? Wie bringt man Informationen spannend an den Leser? Warum also wirkt dieser Text, der doch sehr viel Informationen enthält, spannend? Ich denke, es sind mehrere Gründe, warum der Text funktioniert. Erstens erzählt er uns etwas, das die meisten Leser nicht wissen dürften. Ein Text, der uns mitteilt, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, dass sie mit der FDP koaliert, dass sie Vorsitzende der CDU ist, wird kaum einen deutschen Leser vor dem Einschlafen bewahren. Das wissen wir nämlich alles schon. Wohingegen Mehmet Ali Pascha für die meisten neu sein dürfte. Dazu kommt, dass Ägypten einen exotischen Hintergrund verspricht, in den man sich gerne entführen lässt. Aber das allein würde nicht reichen, um Spannung zu erzeugen. Der Text ist außerdem nicht wie ein Lexikonartikel verfasst, sondern verbindet Geschichte mit einer Person. Wir erfahren nicht nur, wer Mehmet Ali Pascha war, wir erleben, wie er denkt, wie er sich und die Welt sieht. Diese Methode - Informationen mit einer interessanten Innenansicht einer Figur zu verbinden - ist ein guter Trick, um dem Leser historische Geschichten nahezubringen. Und was für eine Figur uns da begegnet. Ein Mann, der erst mit vierzig Lesen und Schreiben lernte, der sich hochgekämpft hat. Vom Tellerwäscher zum Millionär würde die Geschichte in Amerika heißen, hier, in den Zeiten des osmanischen Reiches, ist es die Geschichte vom Kameltreiber zum ägyptischen Vizekönig. Und ist er sympathisch? Sympathische und faszinierende Figuren Nein, sympathisch würde ich ihn nicht nennen, den Vizekönig. Noch ist sehr unklar, was ich als Leser von ihm halten soll. Wir erfahren, dass er den griechischen Aufstand niedergeschlagen hat, dass er Vorurteile gegen Griechen hat, dass er in der Wahl seiner Mittel nicht kleinlich ist. Die Modernisierung Ägyptens wird den Leser eher für Mehmet Pascha einnehmen, dass er mit Sklaven handelt, aber ganz sicher nicht. Nicht unbedingt der Mann, den man zum Nachbarn haben möchte. Eine schillernde Persönlichkeit. Und schillernde Persönlichkeiten faszinieren Leser. Die Faszination ist viel wichtiger als die Frage, ob eine Person sympathisch ist. Wechsel von narrativem und szenischem Schreiben Noch ein weiterer Punkt trägt zur Spannung bei. Mehmet Pascha wird uns aus der Innenansicht geschildert, der Autor geht nahe an diese schillernde Person heran. Er fängt mit einem inneren Monolog an. Doch dann wechselt der Text in eine Szene. Der Pascha erhält einen Brief, vom französischen König. Der dürfte nicht freundlich sein, und damit stellt sich die Frage, wie der Pascha auf diesen Brief reagieren wird. Dieser Wechsel zwischen erzählendem, narrativem und szenischem Schreiben ist wichtig, und auch das ist ein Trick, mit dem Autoren ihren Informationen Spannung verleihen können. Wer sich mit Geschichte auskennt, weiß außerdem, dass der griechische Aufstand 1827 mit der Unabhängigkeit Griechenlands endete. Ganz so erfolgreich war der Einsatz des ägyptischen Vizekönigs in Griechenland offenbar doch nicht, wie er uns weißmachen will. Was eine weitere offene Frage ergibt. Und spannende Fragen sind es, die Geschichten vorantreiben. Feinkorrekturen Natürlich habe ich auch einige Stellen, die sich verbessern lassen. Zum Beispiel am Ende des inneren Monologs, dort heißt es: ..... Über dem runden Gesicht unter dem Turban zeichnete sich ein stolzes Lächeln ab. Bis zum Vizekönig hatte er es gebracht. ..... Hier wechselt der innere Monolog plötzlich, wir sehen den Pascha von außen, verlassen die Perspektive. Warum? Das stolze Lächeln ist ganz sicher nichts, das die Geschichte vorantreibt. Dass der Pascha auf sich stolz ist, wissen wir aus dem inneren Monolog. Also kann man das stolze Lächeln nebst Perspektivwechsel getrost streichen. Gibt es noch etwas, das Ihnen an dem inneren Monolog auffällt? Der gesamte Monolog ist ein einziger Absatz. Und das ist etwas zu viel. Da dürften ein, zwei Absätze die Lesbarkeit sehr verbessern. Dann bringt der Diener den Brief des französischen Königs. Und der Text sagt: ..... Keiner der europäischen Herrscher hatte Mehmet Ali Paschas Eingreifen in den Aufstand der Griechen gutgeheißen. ..... Hier wird in die Vergangenheit zurückgeblendet. Warum? Das erweckt den Eindruck, dass die europäischen Herrscher nur früher mit Ägyptens Krieg in Griechenland nicht einverstanden waren. Der Brief zeigt aber, dass sie auch zu dem Zeitpunkt der Erzählung mit dieser Aktion immer noch nicht einverstanden waren. Also muss man nicht ins Plusquamperfekt wechseln, sondern kann im Imperfekt bleiben: "Keiner der europäischen Herrscher hieß Mehmet Ali Paschas Eingreifen in den Aufstand der Griechen gut." Anschließend heißt es: ..... Nun gut, er hatte den Türken geholfen, den Aufstand niederzuschlagen. Alleine hätten sie es niemals gepackt, er, Mohammad Ali Pascha, schaffte es mit seinem Know-how innerhalb weniger Wochen. ..... Das "Nun gut" passt nicht recht zum Stil des gesamten Textes. Würde der Pascha hier "Nun gut" denken? Ich glaube nicht, und deshalb würde ich das streichen. Auch dass er es "mit seinem Know-how schaffte", fällt aus der Sprachebene. "Know-how" ist ein Wort, das sehr modern klingt. "Schaffen" wiederum hat wie "sie hätten es nicht gepackt" einen umgangssprachlichen Ton, auch das passt nicht zu den Gedanken dieses Paschas. Und da es sich damals nicht um die Türkei, sondern um das osmanische Reich handelte, sollte man statt von "Türken" von "Osmanen" sprechen. Besser wäre also die Formulierung: ..... Er hatte den Osmanen geholfen, den Aufstand niederzuschlagen. Er, Mohammad Ali Pascha, vollbrachte in wenigen Wochen, woran der osmanische Herrscher in Istanbul gescheitert war. Er besiegte die Griechen. ..... Aber zum Schluss möchte ich nochmals betonen, dass diese Geschichte trotz aller meiner Mäkelei schon sehr gut geschrieben ist. **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Hans Peter Roentgen ist Autor der Bücher "Vier Seiten für ein Halleluja" über Romananfänge und "Drei Seiten für ein Exposé". Außerdem hält er Schreibkurse und lektoriert. Und vor kurzem ist sein Krimi "Der Plotter" bei Conte erschienen. ********************************************************************* UNSERE EXPERTINNEN UND EXPERTEN: --------------------------------------------------------------------- Bitte schickt den ExpertInnen nur Fragen zu ihrem Expertenthema - keine Manuskripte zur Beurteilung. Bitte verseht jede Anfrage mit einem aussagekräftigen Betreff. Sonst kann es sein, dass die Mail vorsichtshalber sofort gelöscht wird. Drehbuch: Oliver Pautsch drehbuch at experte pt autorenforum pt de Fandom: Thomas Kohlschmidt fandom at experte pt autorenforum pt de Fantasy: Stefanie Bense fantasy at experte pt autorenforum pt de Heftroman: Arndt Ellmer heftroman at experte pt autorenforum pt de Historischer Roman: Titus Müller historischer.roman at experte pt autorenforum pt de Kinder- und Jugendbuch: Michael Borlik kinderbuch at experte pt autorenforum pt de Kriminalistik: Kajo Lang kriminalistik at experte pt autorenforum pt de Lesungen: Rüdiger Heins lesungen at experte pt autorenforum pt de Lyrik: Martina Weber lyrik at experte pt autorenforum pt de Plotten: Kathrin Lange plotten at experte pt autorenforum pt de Sachbuch: Gabi Neumayer sachbuch at experte pt autorenforum pt de Schreibaus- und -fortbildung: Uli Rothfuss fortbildung at experte pt autorenforum pt de Schreibgruppen: Ute Hacker schreibgruppen at experte pt autorenforum pt de Schreibhandwerk: Ute Hacker schreibhandwerk at experte pt autorenforum pt de Sciencefiction: Andreas Eschbach sf-autor at experte pt autorenforum pt de Übersetzung: Barbara Slawig uebersetzerin at experte pt autorenforum pt de Verlagswesen: Bjørn Jagnow verlagswesen at experte pt autorenforum pt de ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ................. Experten-Special: ................. Bjørn Jagnow hat seine Fragen und Antworten zu den Themen Urheberrecht, Verlagswesen und Vermarktung der letzten Jahre gesammelt - thematisch sortiert und aktualisiert: "Urheberrecht, Verlagswesen und Vermarktung für Autoren 2012", E-Book, 2,99 Euro, http://www.amazon.de/gp/product/B007VD3OL6/ ********************************************************************* FRAG DIE EXPERTIN FÜR FANTASY: --------------------------------------------------------------------- Stefanie Bense (fantasy at experte pt autorenforum pt de Frage: Ich habe bisher einige Kurzgeschichten geschrieben und traue mich nun an einen deutschsprachigen Roman heran. Es handelt sich um eine Fantasygeschichte, die in einem alternativen Universum in der Zukunft spielt. Die eigentlichen Ereignisse des Romans finden aber etliche Jahrhunderte nach sehr wichtigen Begebenheiten statt, die sich über zwei bis drei Jahrhunderte ziehen und von denen der Leser aber wissen müsste. Da ich viel Arbeit in die Hintergrundgeschichte gesteckt habe, und weil ich möchte, dass der Leser bereits vor dem ersten Kapitel, d. h. vor Beginn der eigentlichen Handlung, ein bestimmtes Gefühl einer allgegenwärtigen Bedrohung spürt - als direkte Konsequenz zu der erwähnten Vorgeschichte also. Nun habe ich mich aber durch diverse Artikel und Literaturbücher dieses Thema betreffend durchgewühlt, und es scheint, dass Prologe mehr als fragwürdig sind. Ich hatte vor, eine Art Rückblende anhand von chronologisch aufgeführten Ausschnitten aus einem fiktiven "Geschichtsbuch" zu erstellen, anhand derer dem Leser auf einigen wenigen Seiten die markanten Abschnitte der besagten Jahrhunderte erzählt werden. Anhand dieser Retrospektive hätte ich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Der Leser wüsste über die Geschichte des Universums Bescheid und wie es zu der momentanen Situation kommen konnte; und das bereits erwähnte Gefühl aufkommenden Übels wäre von Anfang an präsent und der Leser würde die Aktionen der Figuren aus einem anderen Winkel betrachten, anders bewerten. Ich habe mir überlegt, diese Informationen im Laufe des Romans durchsickern zu lassen, jedoch ist die Geschichte zu komplex, um sie in einem oder mehreren simplen Dialogen darzustellen. Außerdem könnte der Leser den Zusammenhang zwischen den Einzelteilen nicht mehr erkennen und möglicherweise den Überblick verlieren. Gibt es eine andere Methode, dieses Problem zu umgehen, oder ist man manchmal wirklich auf Prologe angewiesen? Ich wäre eher dagegen, jedoch scheint es mir die naheliegendste Lösung zu sein, den Leser über die ersten paar Seiten mit gezielten Informationen auf das vorzubereiten, was ihn erwartet, anstatt dies tröpfchenhaft nachzuholen. Antwort: So wie ich deine Anfrage lese, hast du zwei Schwierigkeiten: 1. Wie verpacke ich meine Weltenbau- und Geschichtsinformationen? Als Prolog? 2. Wie vermittle ich von Anfang an eine bedrohliche Atmosphäre, die sich aus der Geschichte ergibt? Du hast dich schon informiert: Prologe sind tatsächlich ein zweischneidiges Schwert, denn der Autor fängt aus Lesersicht zweimal mit der Story an, nämlich im Prolog und im folgenden ersten Kapitel. Das bedeutet für den Autor, dass man zweimal den "Haken auswerfen" muss, zweimal einen packenden, spannenden und lebendigen Anfang schreiben muss - und den Leser nicht gleich in die Geschichte werfen kann. Frag dich selbst: Was möchtest du lesen, wenn du ein Fantasy-Buch aufschlägst? Chroniken, lange Listen der Figuren oder ihrer Abstammung, Weltenbeschreibungen, historische Abhandlungen oder lieber eine spannende Stelle, an der die Hauptfigur schon in Bedrängnis gerät und ein Abenteuer besteht? Ganz ehrlich: Ich ertrage Prologe nur, wenn sie mir eine Geschichte erzählen. Aber auch dann vergesse ich während des Lesens, was im Prolog passiert ist. Und das umso schneller, je interessanter, lebendiger und spannender die eigentliche Geschichte ab Kapitel 1 ist. Prologe, die mir mit Informationen kommen, überblättere ich, da ich ja noch nicht mal abschätzen kann, ob mir die Figuren nahekommen, ob mir die Story zusagt ... - typisches Leserverhalten. Also: Mach es deinen Lesern leicht, in die eigentliche Story hineinzukommen, und verpacke die Informationen anders. Zu 1: Möglich sind Prologe, wenn sie ein figuren- und weltbewegendes Ereignis zeigen (!) (nicht einfach referieren), das in der Story ganz wichtig und aktuell wird. Dennoch ist es fraglich (aus o. g. Gründen), diese Szenen voranzustellen. Was sollen sie nützen? Auf keinen Fall solltest du reine Informationen im Prolog vermitteln wollen. Deine Rückblende chronologischer Ausschnitte aus einem fiktiven Geschichtsbuch wäre so ein Infodump. Egal wie gut du das aufbereitest, es bleibt Information, keine Szene, keine Handlung. Stell dir vor, du müsstest diese Informationen auf eine Theaterbühne bringen. Könnte man sie in Handlung umsetzen? (Ich wette: schwerlich.) Oder wäre es eher ein monologisierender Vortrag? (Wie gesagt: reine Info.) George R. R. Martin benutzt wohlweislich szenische Prologe in seinem Zyklus "Feuer und Eis": Im ersten Buch begleitet der Leser Will (eine der Hauptfiguren) auf einer Patrouille der Nachtwache, während er, ein junger Lord und ein altgedienter Wächter Todesfälle untersuchen, die so nicht hätten vorkommen dürfen. Und: Diese Welt und die historischen und soziologischen Verflechtungen sind komplex, kompliziert und nicht leicht zu verstehen. Trotzdem steht das eigentliche Geschehen im Vordergrund. Es gibt keinen Infodump. J. R. R. Tolkien fängt in seinem Epos "Herr der Ringe" mit viel Infomationen über Auenland, Hobbits und die Welt an - ganz ehrlich: Die ersten 80 Seiten sind recht langweilig, bis die Geschichte endlich losgeht, indem Gandalf bei den Hobbits auftaucht. Aber verlass dich nicht auf das, was ich meine, sondern vergleiche es selbst. Trau deinen Lesern bitte mehr zu! Sie können diese Geschichtsinformationen während der eigentlichen Geschichte aufnehmen. Und zwar jenseits eines Dialogs mit "Wusstest du schon, dass ..." Dazu hast du mehrere Möglichkeiten: - Du stellst jene (wenigen) Informationen, die die Figuren und Leser benötigen, jeweils in einen winzigen Geschichtsbuch-Ausschnitt (maximal ein Absatz) an den Anfang eines Kapitels. Dennoch rechne damit, dass dies nicht alle Leser lesen oder parat haben werden. Das bedeutet, dass du im Prinzip alle Informationen nochmals in die Story verpacken musst, wenn du willst, dass der Leser sie zu diesem Punkt hat. Und wenn du das schon machst, wozu benötigst du dann den vorangestellten Ausschnitt? - Du verknüpfst die Informationen mit den Figuren. Das heißt, die Figuren haben geschichtliche Hintergründe, etwa einen (Ur-)Großvater, der in der Schlacht von X mitgekämpft und genug vom Krieg gesehen hat, um den kampflustigen Enkel zu schelten, oder eine Magierin, die Kontakt zu einer verstorbenen Großmeisterin pflegt, um von ihr den Kampf gegen Dämonen für die erneut drohende Schlacht zu lernen, obwohl Nekromantie verboten ist, oder ein Bettlerjunge, der herausfindet, dass seine Familie reich wäre, wenn nicht während der letzten hundert Jahre eine feindliche Familie sie systematisch ruiniert hätte. Solche Konstellationen bringen Konfliktstoff und beleben gleichzeitig das Hintergrundwissen. Der Leser muss es jedoch zusammen mit der Figur herausfinden, und es muss die Figur etwas kosten, das alles herauszufinden, es muss etwas auf dem Spiel stehen. - Du verknüpfst die Informationen dort mit der Handlung, wo sie relevant für die Handlung werden. Beispiel: Der Bettlerjunge zieht aus, fernab der Feind-Familie ein Vermögen zu machen und seine Familie zu retten, gerät an einen Händler, der unter der Hand mit roten Edelsteinen handelt, doch das sind Blutsteine, die im Krieg gegen XYZ eingesetzt und magisch negativ besetzt sind. Der Bettlerjunge wird mit diesen Blutsteinen von Magiern gefangen genommen, der Händler hat sich längst aus dem Staub gemacht, man verhandelt gegen den Bettlerjungen wegen Hochverrats - hier sind die Infos wichtig, warum die Blutsteine verfemt sind und was sich daraus für Probleme für die Hauptfigur ergeben. Und man kann sie wunderbar in der Auseinandersetzung mit den Magiern, vor Gericht etc. anbringen. Figuren können auch etwas Ungewöhnliches, zunächst Unlogisches tun, das sich nur durch den geschichtlichen Hintergrund erklären lässt. Dadurch verbindest du Motivationen der Figuren mit den Informationen. Natürlich dürfen sich die Figuren nicht einfach erklären: "Weil Urgroßvater damals bei den Goldenen Fürsten gekämpft hat, ihr wisst schon, als die Dämonenschlacht bei XYZ tobte, muss ich jetzt ...", sondern es muss Stück für Stück erarbeitet werden. Etwa, indem eine andere Figur die Informationen herauskitzelt oder indem die Figur etwas davon preisgeben muss, um eine weitere Katastrophe zu verhindern. - Du gibst den Hauptfiguren ein Motiv, um selbst nach den Informationen zu suchen, die du vermitteln willst. Wenn es für sie bedeutsam ist (und für die Story), was auch immer herauszufinden und zu nutzen, dann ist es auch für den Leser interessant. Dabei dürfen die Figuren nicht einfach aus Interesse historische Bücher lesen oder in einem Archiv herumstöbern, sondern es muss etwas auf dem Spiel stehen, wenn sie die Informationen finden bzw. nicht finden. - Die Figuren gehen ganz selbstverständlich mit den Informationen um. Sie sind ja nur für den Leser neu, nicht für die handelnden Figuren. Das bedeutet, dass sie sich nicht erklären, keine Rücksicht darauf nehmen, was der Leser weiß oder nicht weiß, und dass sie manchmal Unverständliches tun. Trick: Es gibt eine Figur, die in diesem Zusammenhang (Land, Stadt, Magierkonvent) neu ist und eingeführt werden muss. Der Leser lernt zusammen mit dem Neuling, worum es geht. Am besten dadurch, dass der Neuling sich in Schwierigkeiten bringt, weil er die Gegebenheiten nicht kennt und ihn jemand heraushauen muss. Heißt: Setz die informative Einführung in Handlung um, nicht in statischen Dialog oder Monolog. In den meisten (guten) Geschichten nutzen die Autoren eine Mischung all dieser handwerklichen Techniken. Zu 2: Eine bedrohliche, unheimliche Atmosphäre entwickelt sich nicht (!) aus Informationen, sondern aus Erleben von Situationen. Nur, weil du weißt, dass die Steuerfahndung hinter dir her ist, fühlst du dich nicht unmittelbar und konkret bedroht. Aber wenn du im Büro stehst und es "überfallen" dich vierzehn Mann und tragen die Akten und Computer raus, nehmen dir sogar das Smartphone ab ... - das ist konkret, bedrohlich und beängstigend. Das heißt: Bedrohung ergibt sich aus dem szenischen Erleben, aus der Perspektive der Figur (vielleicht musst du die Steuerfahndung ja nicht einmal fürchten, weil alles korrekt versteuert wurde; dann lachst du dir eins, wenn sie dein Büro plündern, oder überlegst dir, die Finanzbehörde anzuzeigen) und aus der Interpretation der Umgebung. Wissen denn deine Figuren sofort aus ihrem geschichtlichen Hintergrund, woraus sich "das Übel" ergibt? Haben sie denn den Überblick, den du dem Leser verschaffen willst? Oder möchtest du - mal ehrlich - nicht nur dem Leser zeigen, wie gründlich, gut und detailreich du diese Geschichte vorbereitet hast? - Besser nicht! Auch hier könntest du eine Figur nutzen, die erst die Informationen (zusammen mit dem Leser) herausfinden muss. Und zwar gegen Widerstände, Konflikte, unter Gefahr oder großen Mühen. Damit machst du die Informationen für die Figur (und den Leser) wertvoll. Beide werden sie so schnell nicht vergessen. Stell dir vor, deine Figuren müssen die Bedrohung, das aufkommende Übel erst erkennen lernen, dann versuchen sie es zu identifizieren, einzuordnen und zu bekämpfen. So hast du alle Gelegenheiten, die du benötigst, um Informationen von ihnen ausgraben zu lassen. Falls sie jedoch schon alles wissen und parat haben, muss es ja einen Grund geben, ein Motiv, warum sie es ständig parat haben. Gibt es einen Mahner, der ständig daran erinnert? Gibt es eine Schuld abzutragen? Gegnerische Gruppen, die alles leugnen? - Kurz: Sieh dir an, wie Einzelpersonen, Gruppen, Völker, Staaten etc. mit Katastrophen umgehen: der Holocaust, Seuchen, Tornado-Schäden, 9/11 oder andere Terroranschläge ... Was bleibt davon im Gedächtnis? Wie wird es wachgehalten? Fühlt man sich von historischen Ereignissen bedroht? Oder nicht doch eher von den Neonazis, die vor deinem Supermarkt einen Ausländer krankenhausreif prügeln, oder von Gestalten, die eine Gepäcktasche unter der Sitzbank verstecken und dann weggehen? Fazit: Mach die Bedrohung konkret, lege sie ins Erleben deiner Figuren - damit bringst du den Leser viel eher dazu, die Bedrohung zu fühlen, das kommende Übel zu erahnen. Wenn jedoch der Leser mehr wissen soll als deine Figuren, dann gib ihm die Möglichkeit, eher den Überblick zu gewinnen, die Informationen eher verknüpfen zu können (wie beim Krimi). **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Stefanie Bense lebt und arbeitet in Hannover, gibt Schreibkurse, veröffentlicht sporadisch und schreibt an ihrem vierten Roman. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Veranstaltungen, Ausschreibungen, Publikationsmöglichkeiten, Messen und Seminare findet ihr im zweiten Teil des Tempest, der mit getrennter Mail kommt +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Einsendeformalien: Einsendungen sind zu allen Rubriken von autorenforum.de - nach Rücksprache - erwünscht. Das Urheberrecht verbleibt bei der Autorin bzw. beim Autor. Einsendungen bitte im RTF-Format und per E-Mail, und zwar an: beitrag at team pt autorenforum pt de. 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