Editorial
Hall of Fame
Schreib-Kick
Lesetipps
Autorenwissen
"Wie man das Aufschieben aufschiebt"
von André Wiesler
Schreibkurs
"Text in Scheiben, oder:
Kapitel planen und gestalten - Teil 2"
von Sebastian Schmidt
Spannung, der Unterleib der Literatur
"Bonnie"
Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen
Verlagsportrait
"Verlag Monika Fuchs"
Frag die Expertin für Lyrik
(Martina Weber)
Frag die Expertin für Fantasy
(Stefanie Bense)
EDITORIAL: --------------------------------------------------------------------- Liebe Autorinnen und Autoren, der Herbst kommt, und mit ihm die langen Abende. Wie gut, dass der erste Herbst-Tempest so umfangreich ist, dass man damit locker so einige Abende füllen kann - sogar noch nach der Zeitumstellung! Diesmal führt Sebastian Schmidt seinen Beitrag zur Gestaltung und zum richtigen Einsatz von Kapiteln fort. Außerdem stellt Hans Peter Roentgen im Spannungslektorat einen ungewöhnlichen Text vor, Ursula Schmid-Spreer hat den Verlag Monika Fuchs zu seiner Geschichte und seinem Programm befragt, unsere Fantasy- und Lyrikexpertinnen helfen euch mit ihrem professionellen Rat weiter, Olga A. Krouk hat für uns die Buchhändlerin Mandy Pitschel interviewt, und neue Kicks und Ausschreibungen gibt es auch. Besonders möchte ich euch diesmal einen Artikel von André Wiesler ans Herz legen. Er beschäftigt sich mit einem Problem, das - so meine Vermutung - tatsächlich 100 Prozent aller AutorInnen zumindest hin und wieder beschäftigt: Aufschieberitis. Er hat einige Tipps parat, wie man damit umgehen kann. Aber das sind sicher noch lange nicht alle Tipps zu diesem Thema. Deshalb: Schreibt mir, was ihr gegen Aufschieberitis unternehmt! Dann stelle ich für eine der nächsten Ausgaben eine Tippliste zusammen (und meine eigenen Tipps verrate ich euch obendrein auch noch). Also: Ran die Mail! - Und apropos Tipps: Der Tipp des Monats September, diesmal von Jörg Böhling: Nachts, wenn ich schreibe, setze ich mir die Kopfhörer auf. Ich habe verschiedene Playlisten für verschiedene Stimmungen. Soll die Szene melancholisch werden oder soll sie dynamisch sein, sorgt mit Winamp oder iTunes die entsprechende Musik für die passende Fokussierung auf das Gefühl. Kuschelige Herbstabende mit und ohne Tempest wünscht euch Gabi Neumayer Chefredakteurin ~~~~~~~~~~~ Damit wir den Tempest auch in Zukunft weiterführen können, brauchen wir eure Hilfe: Wer uns unterstützen möchte, überweise bitte einen freiwilligen Jahresbeitrag (15 Euro haben wir als Richtwert gesetzt, aber ihr helft uns auch schon mit 5 oder 10 Euro weiter) auf das Konto: Jürgen Schloßmacher Kreissparkasse Köln BLZ 370 502 99 Kto. 11 42 17 61 63 Stichwort: "Beitrag 2013" Wichtig: Das Konto läuft NICHT mehr auf den Namen "autorenforum", sondern nur auf "Jürgen Schloßmacher"! Für AuslandsabonnentInnen: Am 1. Juli 2003 wurden die Auslandsüberweisungsgebühren gesenkt. Aber natürlich könnt ihr uns euren Beitrag auch weiterhin per Post schicken (Adresse am Ende des Tempest). Wer aus Österreich überweist, braucht außerdem diese Nummern (bitte genau so zusammenschreiben!) IBAN: DE16 5509 0500 0100 7245 15 BIC: GENODEF1S01 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ISSN 1439-4669 Copyright 2013 autorenforum.de. Copyright- und Kontaktinformationen am Ende dieser Ausgabe ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ INHALT DIESER AUSGABE: TEIL 1: Editorial Hall of Fame Schreib-Kick Lesetipps Autorenwissen "Wie man das Aufschieben aufschiebt" von André Wiesler Schreibkurs "Text in Scheiben, oder: Kapitel planen und gestalten - Teil 2" von Sebastian Schmidt Spannung, der Unterleib der Literatur "Bonnie" Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen Verlagsportrait "Verlag Monika Fuchs" Frag die Expertin für Lyrik (Martina Weber) Frag die Expertin für Fantasy (Stefanie Bense) TEIL 2: Veranstaltungen Ausschreibungen Publikationsmöglichkeiten mit Honorar ohne Honorar Seminare Messekalender Impressum ********************************************************************* HALL OF FAME: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) Die "Hall of Fame" zeigt die Erfolge von AbonnentInnen des Tempest. Wir freuen uns, wenn ihr euch davon motivieren und ermutigen lasst - dann werden wir euer neues Buch hier bestimmt auch bald vorstellen können. Melden könnt ihr aktuelle Buchveröffentlichungen (nur Erstauflagen!) nach diesem Schema: ....... AutorIn: "Titel", Verlag Erscheinungsjahr (das muss immer das laufende oder das vergangene Jahr sein!), Genre (maximal 2 Wörter). Zusätzlich könnt ihr in maximal 60 Zeichen (nicht Wörtern!) inklusive Leerzeichen weitere Infos zu eurem Buch unterbringen, zum Beispiel eine Homepage- Adresse. ....... Ein Beispiel (!): Johanna Ernst: "Der Fall der falschen Meldung", Hüstel Verlag 2009, Mystery-Thriller. Dann noch 60 Zeichen - und keins mehr! Inklusive Homepage! ....... Ausgeschlossen sind Veröffentlichungen in Anthologien, Bücher im Eigenverlag und BoDs (sofern sie im Eigenverlag erschienen sind) sowie Veröffentlichungen in Druckkostenzuschussverlagen. ACHTUNG! Schreibt in eure Mail mit der Meldung immer auch hinein, dass ihr bestätigt, dass die Veröffentlichung weder im Eigenverlag noch in einem Verlag erschienen ist, bei dem der Autor irgendetwas bezahlt hat! Als Bezahlung gilt auch, wenn er Bücher kostenpflichtig abnehmen muss, Lektorat bezahlt o. Ä. Schickt eure Texte unter dem Betreff "Hall of Fame" an redaktion at team pt autorenforum pt de. Wir berücksichtigen ausschließlich Meldungen, die nach dem obigen Schema gemacht werden und die Bestätigung zum Verlag enthalten. Änderungsaufforderungen zu Meldungen, bei denen das nicht der Fall ist, werden ab sofort nicht mehr verschickt! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Verena Blecher: "Tag & Nacht bittersüß", Candela Verlag 2012, Kurzgeschichten. Mörderisch, liebenswert, ungewöhnlich - www.verenablecher.de Cordula Hamann, Andreas Zmuda: "Abflug - Der Beginn einer abenteuerlichen Weltreise mit dem fliegenden Motorrad", Traveldiary Reiseliteratur-Verlag 2013, Reisebericht. Passt die Welt in einen Pilotenkoffer? www.cordulahamann.de J. Walther: "Phillips Bilder", Dead soft Verlag 2013, Coming-of-age Roman. Fortsetzung von "Benjamins Gärten" www.janas-seiten.de Rebecca Michéle "Schatten über Allerby", Goldfinch-Verlag 2013, Cornwallkrimi. Mabel und Victor ermitteln wieder. www.rebecca- michele.de Bernhard Blöchl: "Für immer Juli", MaroVerlag 2013, Schelmenroman. Über den modernen Mann. Mehr: www.bernhardbloechl.de Chris Nolde: "Riss", Berlin University Press, 2013, Bildungsroman. Wider die Leistungsgesellschaft, chris-nolde.de Cornelia Koepsell: "Das Buch Emma", Geest Verlag 2013, Roman. Ein Leben zwischen Kindheit, K-Gruppe und Gefängnis. Stefanie Zesewitz: "Wie ein Versprechen", Querverlag 2013, Historischer Roman. http://www.stefanie-zesewitz.de Klaus Seibel: "Zehntausend Fallen", Emons Verlag 2013, Krimi/Thriller. Das Team Ex-Kommissarin und ihr Erpresser www.kseibel.de Uwe Krüger: "Frankfurter Fische", Emons-Verlag 2013, Kriminalroman. Frech, Fischig, Frankfurt! www.aquacrime.wordpress.com ********************************************************************* SCHREIB-KICK: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) Unser Schreib-Kick für den September, diesmal von Jennifer Schreiner: Leg Deine Lieblingsmusik oder ein geeignetes Musikstück ein und leg los! - Schreibe alle Empfindungen und Gedanken auf, die die Musik in dir weckt. - Schreibe alle Empfindungen und Gedanken dazu auf, die der Komponist des Werkes gehabt haben und was er mit dem Stück bezweckt haben könnte. ********************************************************************* LESETIPPS: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) http://www.Zauberlesen.de: Dieses Onlineprojekt bietet Kindern / Leseanfängern kostenlose Geschichten zum Lesenlernen. Sie sind insofern individuell, als ein Kind, das sich registriert, selbst zum Helden / zur Heldin in den Geschichten wird. Zudem können die Texte je nach Lesekompetenzstadium in der Darstellung angepasst werden (Schriftarten, Silbenhervorhebungen etc.). ********************************************************************* AUTORENWISSEN: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) "Wie man das Aufschieben aufschiebt" von André Wiesler Ich schreibe gerne, liebend gerne. Das Einzige, was ich offenbar noch lieber mache, ist, das Schreiben zu vermeiden. Wie wäre sonst zu erklären, dass ich seit dem Moment, in dem ich beschloss, diesen Text hier zu schreiben, folgende Handlungen durchgeführt habe? - Rasen gemäht - kaputte Badezimmerschranktür repariert - 3 Statusupdates auf Facebook gepostet und 14 Mal "gefällt mir" geklickt - im strömenden Regen mit dem Hund gegangen - Quittungen sortiert Gut, jetzt sitze ich hier und schreibe. Aber ich spüre den Zug im Nacken, den unheilvollen Drang, der sich nach jedem Punkt und Komma, nach jeder Zeile verstärkt. Ich könnte aufstehen, mir einen Kaffee machen, meinen Sohn befragen, wie sein Tag war, Mails abfragen, den Keller aufräumen ... All das erscheint mit in diesem Moment so viel attraktiver, als den Text zu verfassen. Der Drang hat einen Namen Dieses Phänomen, also Dinge zu verschieben, an die man sich eigentlich setzen wollte, nennt man "Prokrastination". Meine Erfahrungen und zahlreiche Gespräche mit KollegInnen haben gezeigt, dass dieses Phänomen gerade bei AutorInnen sehr verbreitet ist. Meiner Theorie nach liegt es daran, dass Kreativität harte und anstrengende Arbeit ist und die allermeisten Künstler schon während der Arbeit an ihren Werken zweifeln. Dieses Spannungsfeld sorgt dafür, dass sogar unliebsame Tätigkeiten vorgezogen werden, wenn sie einfacher zu bewältigen sind. Quittungen zu sortieren ist eine fast schon mechanische Tätigkeit, beim Hundespaziergang muss ich nicht nachdenken, und mein Hund kritisiert auch meinen Laufstil nicht. Beim Schreiben ist das anders (wenngleich einen auch hier selten Hunde kritisieren). Offenbarung Das Wichtigste bei jedem Versuch, das Aufschieben zu vermeiden, ist die Erkenntnis, wann man prokrastiniert und eigentlich etwas ganz anders tun sollte. Meist hat man diese Erkenntnis bereits unterbewusst erlangt. Wann immer etwas, das dir eigentlich viel Spaß macht, ein irgendwie schales Gefühl hinterlässt, solltest du hellhörig werden und dich fragen: "Wollte ich nicht eigentlich schreiben?" Dringend und Wichtig unterscheiden Natürlich müssen die Quittungen irgendwann sortiert werden. Da die Quartalsanmeldung der Umsatzsteuer ansteht, sogar recht dringend. Aber ich bin Autor, kein Buchhalter. Mein Lebensunterhalt und wichtiger noch: mein Lebensglück hängt davon ab, dass ich schreibe. Wenn es bei dir mit dem einen (Geld) und / oder dem anderen (Bestimmung) ähnlich aussieht, sollte dir das Schreiben wichtig sein. Um zu verhindern, dass dich immer wieder dringende Dinge am Schreiben hindern, solltest du dir klar machen, dass "wichtig" und "dringend" zwei unterschiedliche Zustände sind. Wenn zu einem Tag, an dem du abends zufrieden auf die Kissen sinkst, das Schreiben gehört, dann ist es ausgesprochen wichtig und gewinnt gegen nörgelnde Partner, schimmelndes Geschirr oder defekte Einrichtungsgegenstände. Natürlich können aus dringenden Dingen irgendwann wichtige Dinge werden. Wenn auf der dritten Mahnung des Finanzamtes mit dem Gerichtsvollzieher gedroht wird, hat auch das Quittungen-Sortieren eine hinlängliche Bedeutungsschwere erreicht, um ausnahmsweise vor der täglichen Schreibeinheit zu kommen. Zuckerbrot und Peitsche Disziplin beim Schreiben ist wichtig. Aber seien wir mal ehrlich: Wenn meine Willensstärke groß genug wäre, wöge ich 30 Kilo weniger und hätte diesen Text bereits gestern geschrieben. Was kurios wäre, denn dann hätte ich bei einem Text über Prokrastination nicht prokrastiniert und wäre gar nicht qualifiziert, euch Tipps dazu zu geben. Ein guter Weg, sich selbst zur Arbeit anzuhalten, ist ein Belohnungssystem. "Erst wenn ich diese drei Seiten fertig habe, werde ich den Rasen mähen." Damit schlagt ihr gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Erstens bekommt ihr etwas geschafft, zweitens erscheinen euch doofe Aufgaben plötzlich erstrebenswert. "Juhu, endlich darf ich den Rasen mähen!" Aber wundert euch nicht, wenn die Nachbarn euch seltsam ansehen. Es geht auch in größerem Maßstab: "Erst wenn der erste Entwurf des Buches fertig ist, kaufe ich mir dieses tolle neue Handy." Das funktioniert natürlich nur, wenn ihr euch realistische Ziele setzt. "Bevor ich meinen Roman nicht fertig habe, esse ich nichts mehr", das kann übel ausgehen! Zettelwirtschaft Eine Variante dieses Prinzips ist die Zettelwirtschaft. Oft genug lauern die dringenden Aufgaben an der Oberfläche unserer Gedanken, weil wir das ständige Gefühl haben, sie nicht vergessen zu dürfen. Dem kann man entgegenwirken, indem man sie auf eine Liste oder noch besser auf einzelne Zettel schreibt. Auf diese Weise sind sie aus dem Kopf, und du kannst sie abhaken, bis du das wichtigere Schreiben erledigt hast und dich bewusst anderen Dingen zuwendest. Bei den Zetteln kommt hinzu, dass man sie nach Wichtigkeit ordnen kann. Schreiben also nach ganz vorne, der Rest nach hinten. Ist das erhoffte - oder bei drohenden Deadlines notwendige - Pensum erreicht, wird der Zettel zerknüllt oder der Punkt auf der Liste durchgestrichen, was ein sehr befriedigendes Erlebnis ist. So vergisst man nichts, verbannt aber Unwichtigeres gekonnt auf die hinteren Plätze. Babyschritte Ergänzend zur Zettelwirtschaft kann es helfen, größere Aufgaben in kleinere runterzubrechen. "Buch schreiben" ist eine Aufgabe, die man bereitwilliger aufschiebt, als "Vorwort schreiben". Das Gehirn schreckt vor zu großen Aktivitätsblöcken zurück. Gib ihm eine Chance, sich die Arbeit schönzureden. Natürlich erhält jede Teilaufgabe ihren eigenen Eintrag oder Zettel, der dann genussvoll gestrichen oder zerknüllt werden kann. Ich sammele diese Zettel über den Monat in einem großen Behälter. Auf diese Weise mache ich mir klar, wie unglaublich viel ich in den letzten vier Wochen geschafft habe. Und das Gefühl, diesen vollen Bottich erledigter Aufgaben dann in die Altpapiertonne zu schütten ... Ach, mir läuft schon beim Gedanken daran ein wohliger Schauer über den Rücken! Delegieren und Nein sagen Der Hang zum Aufschieben und Überlastung sind auf den ersten Blick oft schwer auseinanderzuhalten. Wenn du das Gefühl bekommst, dass du weniger Dinge aufschiebst, als vielmehr einfach nicht dazu kommst, das zu tun, was (dir) wichtig ist, solltest du deine Grundbedingungen prüfen. Prokrastinieren beinhaltet bei aller subjektiven Hilflosigkeit immer die Entscheidung, etwas anderes vorzuziehen. Wenn aber alles, was du den Tag über machst, objektiv betrachtet wegen äußerer Zwänge sofort erledigt werden muss, dann liegen die Probleme tiefer als schlichte Aufschieberitis. Andere Aufgaben zu delegieren oder neue Aufgaben abzulehnen kann helfen, Zeit frei zu machen, ist aber in der Lebensrealität nicht immer möglich. In diesem Fall muss ich dich an andere Ratgeber verweisen. Hier besprechen wir das weitgehend selbstgemachte Leid. Prokrastinieren, aber richtig Wenn du schon etwas anderes machst, dann mach etwas Sinnvolles. Zum Beispiel, dir Appetit holen. Surfe nicht bei Facebook, sondern schau auf den Internetseiten von KollegInnen vorbei. Von Büchern zu lesen, die andere fertigbekommen haben, spornt an. "Wenn der 900 Seiten geschafft hat, schaffe ich doch wohl die Hälfte!" Lies über die Region, in der deine Geschichte spielt, fahr zu Orten, die darin vorkommen, triff dich mit KollegInnen und klagt euch euer Leid, um euch dann im Anschluss gegenseitig wieder an die Arbeit zu schicken. Aaaachtung! Wenn der Geist ebenso schwach ist wie das Fleisch und du doch immer wieder bei Youtube-Katzenvideos landest (die sind aber auch zu putzig - sprich mich auf lohnende Links an), dann kannst du die autoritäre Schiene fahren. Ernenne ein Familienmitglied oder einen Kollegen zum Kontroletti. Lass dich anrufen und fragen, wie weit du schon bist. Bitte sie, die Arbeit des Tages am Abend einzufordern und zu lesen. Spätestens wenn du zum dritten Mal Ausflüchte suchst, wird dich die Scham beflügeln. Stell aber sicher, dass dein Drillseargent dich wirklich mag, und das auch noch, nachdem du ihn wiederholt angepflaumt hast. Wirklich harte Knochen posten ihr Tagespensum ins Internet. Dort wird man euch mit Sicherheit daran erinnern! Der Knoten im Kopf Oft genug vermeiden wir das Schreiben, weil irgendetwas gerade hakt. Ob man es nun Schreibblockade, Hirnknoten oder Planungslücken nennen mag: An manchen Tagen hilft auch alle Disziplin nicht. Wenn es nicht geht, wenn man Sätze zum zwölften Mal löscht, dann ist es tatsächlich das Richtige, etwas anderes zu machen. Das Hirn muss von der Dauerlast befreit werden, das Unterbewusstsein braucht Raum, um das Problem in Ruhe zu knacken. Wichtig ist dabei vor allem, dass du dich vor dieser Auszeit noch einmal intensiv mit dem Problem befasst. Schau dir die Szene an, die nicht funktionieren will, den Plot, der hakt, und nimm die offenen Fragen mit in die schreibfreie Zeit. Nur wenn du dir das Problem vergegenwärtigst, kannst du im Rahmen der Entspannung die Knoten lösen. Ansonsten lenkst du dich nur von der Arbeit ab und landest im Anschluss im gleichen Schlamassel, vor dem du ursprünglich geflohen bist. Besonders geeignet sind hier körperliche oder sportliche Tätigkeiten, die den Kopf nicht oder auf ganz andere Weise fordern. Die Stechuhr I Das meiner Meinung nach effektivste Mittel gegen Prokrastination sind feste Schreibzeiten. Natürlich ist es schwer, solche dedizierten Zeitblöcke zu finden und durchzusetzen (oft genug gegen den Unwillen der Familie, die auch etwas von Mama / Papa / Schatzi haben will), und natürlich wird das Leben einem immer wieder einen Strich durch die Rechnung machen. Aber wenn du dich oft genug durchgebissen hast, entwickelst du eine gewisse Resistenz. Der Paketbote, der gerade klingelt, kommt auch morgen noch mal. Wenn es wichtig ist, spricht der Anrufer auf den AB. Bei Mails und dem Internet ist es sogar recht einfach: Einfach mal den Stecker ziehen und Recherchen auf später verschieben. Die haben mitten im Schreibfluss eh nichts zu suchen. Für besonders hartnäckige Katzenfans gibt es mittlerweile sogar Programme, die den Computer für eine bestimmte Zeit vom Internet trennen und nur durch einen kompletten Neustart deaktiviert werden können. Die Stechuhr II Vermerke deine Schreibzeiten als Termine im Kalender. Wenn jemand in dieser Zeit etwas von dir will, hast du da bereits einen "wichtigen Termin, der leider nicht verschoben werden kann". Wenn du selbst deine Schreibzeit entsprechend wichtig nimmst, gewinnt sie an Gewicht und du kannst es auch vor dir selbst leichter rechtfertigen, anderes dafür liegen zu lassen. Die Stechuhr III Wenn es einmal gar nicht geht und du der Meinung bist, deine Buntstifte müssten dringend mal nach Geschmack sortiert werden, stell dir einen Timer auf die Zeitspanne, die du maximal unter Schmerzen jetzt glaubst, doch noch arbeiten zu können. Zehn Minuten gehen eigentlich immer. Das ist nicht viel, aber besser als nichts. Starte die Uhr, zwing dich, zehn Minuten zu arbeiten, und hör dann auch auf! Selbst wenn es gut läuft. Dein Gehirn muss lernen, dass es sich auf gesetzte Arbeitszeiten verlassen kann, sonst verweigert es dir beim nächsten Mal sogar diese zehn Minuten. Aber wenn es gut gelaufen ist, schiebst du vielleicht nach dem Buntstiftesortieren noch mal zehn Minuten ein. Und beim nächsten Prokrastinationsschub stellst du die Uhr gleich auf zwanzig Minuten. Die Stechuhr IV Es kann hilfreich sein, seine Tätigkeiten auf die tatsächliche Arbeitsdauer hin zu überprüfen. Oft genug sitzen wir länger an Dingen, als wir glauben. Die fehlende Zeit und der damit einhergehende Stress verstärken die Tendenz zur Prokrastination noch. Zeitmangel führt zum Gefühl der Überforderung und damit zur Vermeidungshaltung. Es gibt eine ganze Zahl kostenloser Zeiterfassungstools und -apps, mit denen du dir einen Überblick verschaffen kannst, was deine größten Zeitfresser sind. Ein Beispiel aus meiner Praxis. Ich habe ein klein wenig 3-D- Animationserfahrung und hatte es mir in den Kopf gesetzt, für eines meiner Spiele einen schicken Trailer zu machen. Er ist dann auch recht nett geworden, 1:30 Minuten, sehr actionreich. Irgendwie war das ja auch Werbung für mein Spiel, in Wirklichkeit aber hatte ich nur keine Lust, an meinem Roman weiterzuschreiben und wollte stattdessen mit meinem tollen neuen Animationsprogramm rumspielen. Schlussendlich warf ich einen Blick in meine Zeiterfassung. Was ich mit "ein paar Stunden Tüftelei" abgetan hatte, hatte über die Woche verteilt 24 Arbeitsstunden gefressen. Das Video hat bis heute weniger als 100 Klicks bei Youtube ... Der Arbeitsplatz Zu guter Letzt noch ein ganz handfester Tipp: Räume deinen Arbeitsplatz nach der letzten Arbeitseinheit des Tages auf und nicht zu Beginn der ersten. So kannst du am nächsten Tag direkt durchstarten und kommst nicht auf die Idee, den Brief vom Arbeitsamt gleich mal bitterböse zu beantworten. Voilá! Siehe da, der Text ist fertig, und man merkt ihm hoffentlich nicht an, dass er von zwei Kaffee, einem Anruf und einem kleinkindlichen Pflasternotfall unterbrochen wurde. In diesem Sinne: Aller Anfang ist schwer, aber nach dem ersten Schritt wird es leichter. Wir lesen uns bei Facebook oder in den Kommentaren bei Youtube. **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** André Wiesler lebt und arbeitet in Wuppertal als Autor, Übersetzer und Spieleentwickler. Als Lese-Komiker und Slam-Poet ist er auf Deutschlands Bühnen unterwegs und als Der Schreibweise (www.derschreibweise.de) unterrichtet er in Kursen und Einzelstunden die Kunst und das Handwerk des Schreibens. Mehr zu ihm und seinen Projekten verrät seine Homepage unter http://www.andrewiesler.de ********************************************************************* SCHREIBKURS: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) "Text in Scheiben, oder: Kapitel planen und gestalten - Teil 2" von Sebastian Schmidt Individualität wahren: Frei, aber bewusst schreiben Immer gleich ist immer öde .......................... Langweilig wäre es, wenn sich kein Buch mehr von einem anderen unterschiede, das ist sowohl beim Inhalt als auch bei der Gliederung so. Denn gerade der Reiz eines interessanten Buches besteht ja im Einfallsreichtum seiner Autorin oder seines Autors. Deswegen stellt sich berechtigterweise die Frage, wie weit man abweichen kann von den Vorgaben, die man sich selbst gesetzt hat. Die Antwort ist einfach, denn schließlich bewegen wir uns im Bereich der Kunst: Sie können so weit von allem abweichen, wie Sie möchten. Schließlich ist es Ihr Buch, Ihre ganz eigene Sache, die Sie gestalten. Niemand kann Ihnen vorschreiben, wie Sie schreiben sollen. Trotzdem können Ratschläge helfen, zu verstehen, was man eigentlich gerade tut. Denn eines gilt für gutes Schreiben immer: Tun Sie, was Sie wollen, aber tun Sie es bewusst! Schreiben Sie Kapitel, die 100 Seiten lang sind, gefolgt von Kapiteln mit nur zwei Seiten, aber stellen Sie sich folgende Frage: "Was, wenn ich auf einer Lesung gefragt würde, warum ich das gerade so gemacht habe?" Die Antwort, die Sie sich dann ausdenken müssten, sollten Sie schon im Vorfeld bereitlegen. Nehmen wir an, Sie schreiben einen langen Entwicklungsroman über einen Drogenabhängigen, wobei Sie jeweils zehn Jahre seines Lebens als 100- seitiges Kapitel verfassen, aber in dem Moment, als der Protagonist böse abrutscht und einen besonders intensiven, verheerenden Trip erlebt, diesen Trip mit besonders kurzen Kapiteln beschreiben. Um Inhalt und Form gekonnt zu verweben. Möglich ist alles, aber für alle Abweichungen sollte es einen Grund geben. Denn spätestens den Lektorinnen wird auffallen, ob Ihre Entscheidungen bewusst gefällt oder eine Folge von Unvermögen oder unbedachtem Arbeiten sind. Der Zweck heiligt die Mittel. So unzureichend diese Aussage in Ihrer Allgemeinheit ist, so gut passt sie doch zum Gliedern Ihrer Idee und zur formalen Gestaltung Ihres Buches. Alles, was Sie tun, sollte eine bestimmte Wirkung haben, und darüber hinaus sollte diese Wirkung für jeden Leser eindeutig erkennbar sein. Beim Beispiel des Drogenabhängigen springt es ja geradezu ins Auge, dass die Kapitel dem Inhalt angepasst worden sind. Wenn Sie hingegen in einem Liebesroman, ohne dass die Story dies zulässt, plötzlich beginnen, ein solches Stakkato an Kapiteln abzufeuern, wird das aufmerksame Leser verwirren. Das Kind beim Namen nennen .......................... So unscheinbar das Kapitel beim Lesen oft ist, es bietet unzählige Möglichkeiten. Eine davon ist die Vergabe von Kapitelüberschriften. Auf zwei Varianten stößt man besonders häufig. In manchen Büchern wird nummeriert (I, II, III, IV, ), in anderen wird für jedes Kapitel eine passende Zusammenfassung vergeben. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Durch die bloße Zählung der Kapitel erhält ein Buch Struktur und seine Kerngedanken werden gegliedert dargestellt. Die Leser werden daran erinnert, dass an den Kapitelgrenzen ein Sinnabschnitt endet und ein neuer beginnt. Auch beim Überlesen einer Kapitelgrenze wird man nur wenig aus dem Flow des Buches gerissen. Anders liegt die Sache bei Kapitelüberschriften. Hier holen Sie den Leser kurzzeitig aus dem Geschehen heraus und machen ihn neugierig auf das, was folgen wird. Gerade, wenn Sie die einzelnen Kapitel Ihrer Geschichte herausheben möchten, wenn Sie bewusst betonen möchten, was passieren wird, oder wenn Sie eine gewisse Stimmung vermitteln wollen, bevor der Leser weiterliest, sind Kapitelüberschriften eine gute Möglichkeit. Nicht zuletzt lenken Sie Ihre Leserschaft in die richtige Richtung, wenn Sie eine interessante Überschrift vergeben, Sie motivieren sie zum Weiterlesen und geben erste Orientierungspunkte dafür, wie das Folgende sich in die Geschichte einfügt. Das kann Ihnen Aufmerksamkeit sichern, wenn Sie ein treffsicheres Händchen für prägnante Titel haben. +++++ Schreibanregung: Im ersten Teil dieses Artikels (im vorigen Tempest) haben Sie zumindest einen Plot verfasst und ihn gegliedert. Diese Gliederung besteht derzeit nur aus der Einteilung in Kapitel und jeweils einem Stichpunkt für den Inhalt. Arbeiten Sie Ihren gegliederten Plot nun so auf, dass Sie zu jedem Stichpunkt eine interessante Überschrift formulieren. Schreiben Sie sie mit in die Gliederung. +++++ Kapitel gliedern Ihr Buch; und die Gliederung eines Buches findet man oft wieder im Inhaltsverzeichnis, das meist dem Haupttext vorangestellt ist. Wenn Sie in Erwägung ziehen, auch Ihr Buch mit einem Inhaltsverzeichnis zu versehen, dann verzichten Sie auf Überschriften, mit denen Sie Ihre Inhalte vorwegnehmen! Im Familiendrama um die Personen Tom und Franz ist es nicht empfehlenswert, das sechste von zwölf Kapiteln "Tom tötet Franz" zu nennen - und dann ein Inhaltsverzeichnis voranzustellen. Noch bessere Texte: Techniken für Fortgeschrittene Noch mehr gliedern! ................... Inzwischen sollten Sie ausgestattet sein mit dem Handwerkszeug, das Sie brauchen, um Ihre Texte bewusst zu gliedern und sich eine Vorlage zu erstellen, nach der Sie arbeiten können. Nun folgen einige zusätzliche Überlegungen, die Sie zu Fortgeschrittenen in der Textgliederung machen. Neben "Kapitel" und "Absatz" gibt es noch kleinschrittigere Strukturierungsmöglichkeiten. Gerade bei Fach- und Sachtexten ist es oft notwendig, Kapitel in Unterkapitel zu gliedern. Denn mehr noch als bei fiktiven Texten zählt dort die Übersichtlichkeit. Zu jedem Zeitpunkt sollte der Leser einordnen können, wie das, was er liest, zum Thema beiträgt. Denn nur so werden lange Argumentationen verständlich, nur so kann eine wissenschaftliche Arbeit verfasst werden, die ihren oftmals komplexen Inhalt nachvollziehbar präsentiert und verwertbar macht. Jedoch funktioniert dieses Prinzip nur bedingt bei fiktionaler Literatur. Hier sollten Sie es vermeiden, zu sehr ins Detail zu gehen. Unterkapitel sind in der Regel nicht notwendig, und es besteht die Gefahr, dass Sie dadurch Ihren Text zerpflücken. Wollen Sie in einem Kapitel mehrere Themen behandeln, gliedern Sie einfach durch Leerzeilen, also durch besonders herausgehobene Absätze. Anders verhält es sich, wenn Sie größere Sinneinheiten Ihres Textes noch einmal voneinander abtrennen möchten. Hier ist es bei sehr umfangreichen Büchern oder bei Büchern mit zwei deutlich getrennten Themenbereichen sinnvoll, größere Gliederungseinheiten als das Kapitel zu verwenden. Möglichkeiten dazu bietet beispielsweise der "Teil" oder das noch weiterreichende "Buch" (als Gliederungseinheit, nicht als Gegenstand). Ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie haben einen umfangreichen Fantasy- Roman verfasst mitsamt dazugehörigem Geschichtsteil. Beides möchten Sie in einem Band veröffentlichen. Um jedoch deutlich voneinander abzugrenzen, was historischer Teil und was Ihr Roman selbst ist, könnten Sie folgendermaßen gliedern: Das erste Buch ("Geschichte") Ihres Textes umfasst die Teile "Vorzeit" und "Kriege", welche wiederum in Kapitel untergliedert sind. Das zweite Buch trägt die Überschrift "Gegenwart" und spaltet sich in die Teile "Ein Held wird geboren" und "Der letzte Kampf beginnt", die beide ebenfalls wieder aus eigenen Kapiteln bestehen. Auf diese Weise geben Sie Ihrem Buch nicht nur eine klare Struktur, sondern Sie verleihen ihm auch einen gewissen Reiz. Das unterstützt gerade im Fantasy-Bereich sehr gut den Inhalt. Nutzen Sie alle Möglichkeiten, um Ihr Buch attraktiver zu machen. Achten Sie jedoch darauf, dass Sie die Struktur - egal ob Fiction- oder Non-Fiction-Text - so reduziert wie möglich, aber so genau wie nötig halten. Mithilfe der folgenden Schreibanregung sollten Sie sich gut auf die Gliederung Ihres nächsten Projekts vorbereiten können. +++++ Schreibanregung: Entwerfen Sie eine Buchstruktur für ein wissenschaftliches Buch über ein Fantasiethema (beispielsweise: "Architekturgeschichte des Schneckenhauses"), und nutzen Sie dazu ausgiebig Unterkapitel und Unterunterkapitel. Achten Sie dabei jedoch auf eine sinnvolle Gliederung. Entwerfen Sie danach die Gliederung eines monumentalen Epos, ebenfalls über ein Fantasiethema (beispielsweise "Der Sonnengöttin ewiger Weg durch die Galaxis"). Benutzen Sie hier die größeren Gliederungseinheiten "Teil" und "Buch". Eventuell erfinden Sie noch höhere Gliederungsebenen wie das "Regal" oder die "Bibliothek". +++++ Auch ein Kapitel ist ein Text ............................. Nun besitzen Sie alle Kenntnisse, um ohne Sorge und ganz bewusst Ihre Buchprojekte gliedern zu können. Doch bevor die Schreibarbeit endlich losgehen kann, bevor Sie wirklich endgültig die Tasten Ihrer Tastatur oder Schreibmaschine bearbeiten, um ganz in Ihrem Element aufgehen zu können, eine letzte kurze Überlegung. Wie schreibt man eigentlich ein gutes Kapitel? Die Antwort ist einfach, die Umsetzung ungleich schwieriger. Jedes Kapitel gleicht einem kurzen, abgeschlossenen Text, jedoch mit dem Unterschied, dass nicht jedes Kapitel für sich selbst sprechen muss. Schließlich schreiben Sie ein Buch und keine Einzelszenen. Das heißt, dass Sie am Kapitelanfang keinesfalls wiederholen sollten, "was bisher geschah", und am Ende auch keine Zusammenfassung geben müssen. Trotzdem besteht jedes Kapitel aus Anfang, Mittelteil und Schluss und stellt eine große Sinneinheit dar. Den groben Inhalt dieser Sinneinheit haben Sie bereits bestimmt, als Sie Ihren Plot formten und in Kapitel einteilten, eventuell erste Arbeitsüberschriften vorbereiteten. Es ist aber auch wichtig, die Lesesituation zu berücksichtigen. Oftmals bilden Kapitelgrenzen nämlich auch die Grenzen von Lese-Sessions, markieren deren Beginn oder Ende. Mit dieser Überlegung im Hinterkopf drängt es sich schon fast von allein auf, wie ein Kapitel gestaltet werden sollte: Am Anfang eines Kapitels ist es ratsam, dem Leser eine kurze Verschnaufpause zu geben, damit er sich im Text zurechtfinden kann. Beginnen Sie nicht so: "Aufgrund dieser komplizierten Überlegungen ging er nun vor die Tür und zertrümmerte das erstbeste Auto." Greifen Sie stattdessen zum Beispiel einen markanten Punkt des Vorangegangenen auf, umschreiben Sie ihn, so dass beim Lesen sofort Assoziationen an das bereits Geschehene geweckt werden. Und dann beginnen Sie, den neuen Themenkomplex zu entfalten. Am Ende des Kapitels angekommen, lassen Sie den Leser nicht mit dem Gefühl zurück, sich kaum an das erinnern zu können, was eigentlich passiert ist. Geben Sie ihm etwas mit auf den Weg, woran er sich erinnern kann, wenn er das nächste Mal das Buch aufschlägt und beim nächsten Kapitel weiterliest. Das sollte so dezent geschehen, dass der Leser gar nicht merkt, dass Sie ihn an die Hand nehmen, und er sich lediglich freut, dass sich Ihr Buch so ungewöhnlich gut lesen lässt. (Das gilt in dieser Form allerdings nur dann, wenn es nur einen einzigen Haupthandlungsstrang gibt. Führen Sie beispielsweise zwei Hauptstränge zusammen, müssen Sie beim Kapitelwechsel auf das letzte Kapitel des entsprechenden Handlungsstranges verweisen.) +++++ Schreibanregung: Verfassen Sie drei Mikro-Kapitel auf einer A4-Seite. Versuchen Sie diese Kapitel so aufeinander abzustimmen, dass man sich am Anfang eines jeden an etwas Besonderes vom Ende des vorhergehenden Kapitels erinnert. +++++ Stopp! Hier bitte nicht gliedern ................................ Es gibt aber auch Texte, bei denen Sie am besten auf eine Einteilung in Kapitel verzichten. Hier ist das Nachdenken darüber vermutlich umständlicher als die tatsächliche Praxis. Denn irgendwie drängt sich die Entscheidung darüber, wann Kapitel notwendig sind und wann nicht, fast von allein auf. Das liegt daran, dass Kapitel eine komplexe Sinneinheit darstellen und mit einer Überschrift versehen werden können. Das heißt, dass jeder Text, der von Haus aus nur ein Thema behandelt, eigentlich nicht noch einmal in Kapitel untergliedert werden muss. Dafür reichen Leerzeilen oder Zwischenüberschriften. Zeitungsartikel gehören zu diesen Texten, kurze Essays, Rezensionen und im Normalfall auch E-Mails, Briefe, Tagebucheinträge etc. Außerdem ist es überall da sinnvoll, auf Kapitel zu verzichten, wo Sie auch bei etwas längeren Texten (zum Beispiel Kurzgeschichten) die Textgestalt nicht zerreißen wollen und bewusst nur durch Leerzeilen gliedern. Im Prinzip gilt: Wo nicht die Möglichkeit besteht, ein Inhaltsverzeichnis oder eine Sitemap unterzubringen, da ist eine Einteilung in Kapitel meist auch nicht sinnvoll. Ebenfalls nicht sinnvoll ist es, besonders hervorgehobene Textteile als Kapitel auszuzeichnen. Dazu zählen vor allem der Prolog und der Epilog. Diese oft kurzen Texte sind Ihrer Geschichte voran- beziehungsweise nachgestellt und unterscheiden sich stark von den Kapiteln. Im Prolog können Sie eine spannende Szene aus dem Mittelteil aufgreifen, um dem Leser einen Vorgeschmack darauf zu geben, was ihn im weiteren Verlauf erwartet. Den Prolog auf den Umfang eines Kapitels auszudehnen würde seine Wirkung in vielen Fällen völlig zerstören; und das Gleiche gilt für den Epilog. Unterscheiden Sie immer, was zum eigentlichen Inhalt gehört und welche Textteile andere oder mehrere Funktionen erfüllen, die sich von der reinen Gliederungsfunktion der Kapitel abheben. Heben Sie diese entsprechend hervor, nennen Sie also den Prolog auch "Prolog" oder "Prolog: XY" und nicht "I" oder "Kapitel 1" oder nur "Wie sie ihn langsam aufschlitzt". Das wirkt seltsam und verwirrt im ungünstigsten Fall, noch bevor der Leser den ersten Satz gelesen hat. Jedem Zweck sein eigen Scheibchen Zum Abschluss noch einmal zurück zur Brotscheiben-Metapher vom Anfang. Denn nichts bleibt besser im Gedächtnis als Bilder - auch wenn sie nur von Brot handeln. Alles bisher Gesagte finden wir im Vergleich von Kapitel und Brotscheibe angelegt: Wer beim Sandwich die Scheiben zu dick schneidet, kaut am Ende auf einer mehr und mehr aufgehenden Masse, bei der einem schnell der Appetit vergeht. Und wer sich für eine lange Reise nichts weiter einpackt als zwei schmale Schnittchen, den wird der Hunger irgendwann zernagen. Aber jeder weiß doch im Alltag, wie er mit Brot umzugehen hat, jeder schneidet so, wie es der Sache angemessen ist - weil er gelernt hat, welche die richtige Wahl ist. Und was beim Brot geht, das geht auch beim Schreiben. Natürlich, nicht jede Scheibe Backware wird immer ganz glatt abgeschnitten, eine ist dicker, eine andere dünner. Aber im Normalfall schneidet man gleichmäßig. Und wenn man das einmal absichtlich nicht tut, dann wird man schon seinen Grund haben: Eventuell wollte man nur mal eben einen kleinen Bissen einwerfen und hat sich deswegen wenig abgeschnitten, eventuell schiebt man auch mal einen ganzen Braten in ein ausgehöhltes Brot. Der Möglichkeiten gibt es viele, warum also sie nicht bewusst anwenden, wenn es um wesentlich komplexere Sachen als Grundnahrungsmittel geht? Schließlich ist Ihr Buch etwas ganz Besonderes! Investieren Sie Zeit, schneiden Sie sich nicht in die Finger. Gehen Sie kurz in sich, entscheiden Sie sich bewusst, und portionieren Sie dann genau so, wie es Ihrem Text am zuträglichsten ist. Viel Erfolg und viel Spaß dabei - und guten Hunger! **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Sebastian Schmidt arbeitet als freier Lektor und Texter in der Textbasis. Besonders interessieren ihn die Bereiche Belletristik, Geisteswissenschaft und Lyrik. Auf dem textbasis.blog (http://www.textbasis.wordpress.com) veröffentlicht er regelmäßig Poesie-Interviews sowie Artikel zum kreativen Schreiben und zum bewussten Einsatz von Sprache. Er liebt Bücher, wandert gern und ist sehr nett. ********************************************************************* SPANNUNG, DER UNTERLEIB DER LITERATUR: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) Was macht Romane spannend, und vor allem: Was macht sie langweilig? Wer Szenen hat, die sie oder er für spannend hält, oder Szenen, bei denen er sich nicht sicher ist, oder solche, die eigentlich spannender gestaltet sein sollten, doch die Frage ist: Wie? - wer solche Szenen hat, kann sie mir schicken. Ich wähle dann einige aus, die ich im Tempest bespreche. Schickt die Szenen als E-Mail-Anhang im RTF-Format an:Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. Bitte nicht mehr als 7.000 Anschläge, also etwa vier Normseiten. Dazu zählt auch der Vorspann! Da die Szenen aus beliebigen Stellen eurer Manuskripte stammen dürfen, müsst ihr eventuell die Vorgeschichte der Szene erklären. Diese Erklärung sollte 400 Anschläge nicht überschreiten! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Bonnie" Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen Der Morgen war trüb. Der Sommer hat sich eine Auszeit genommen und die tödlichen Strahlen haben an dem Tag anderswo getobt. Dexter war, wie immer in dem Sommer, gegen neun auf. Er streichelte das Fell von Kitty Hawk, nachdem er aus der Toilette kam. Sie hatte schwarzes Fell mit orangefarbenen Streifen. Sie war sehr stolz auf sie. Diesmal blieb das Kämmen aber aus. Dexter musste zur Beerdigung. Beim Frühstück überlegte er, was er anziehen soll. Er hat sich im Sommer bunte Klamotten zugelegt. Ein Hawaii-Hemd mit dem Gesicht einer Frau auf dem Rücken; die Frau hatte dicke rote Lippen unter der Mitte des Kreuzes. Ihre schwarzen Haare dehnten sich bis zu den Schultern aus. Sie hatte etwas Gelbes im Gesicht. Dexter war nicht vorbereitet auf Beerdigungen. Wie sollte er es auch sein? In seine Hardware war Liebe kodiert, und er hatte ein großes RAM. Er schob das Müsli zur Seite und griff nach seinem Handy. - "Hör zu, ich komme rüber. Habt ihr etwas Schwarzes zum Anziehen? Ich hab nur eine schwarze Hose mit Streifen." - "Wir finden schon was. Beeile dich. Ist heute nicht deine Show", sagte die Stimme am anderen Ende. Die Straßen waren wie leergefegt. An den Zaun des Parks lehnte sich ein Typ und übergab sich. Dann richtete er sich auf und ging pfeifend auf Dexter zu. Er war ein Mann mittleren Alters, nicht schlecht angezogen. Dexter sagte hallo. Der Typ grinste. Dexter trug sich gerne im Viertel innerhalb des früheren Gettos herum. Er traf oft angetrunkene Typen am Morgen oder zu Mittag. Sie nahmen sich eine Auszeit von ihren Frauen oder vom Alltag. Es war warm in dem Viertel innerhalb der großen Ringstraße. Die engen Straßen führten in die Freiheit der Spelunken. Der Putz fiel von mancher Hauswand, die Ziegel wurden sichtbar. Er überquerte die Straße und schaute nach links. Den Irren mit den Sandalen hat er diesmal nicht gesichtet. Zwei junge orthodoxe Judenbuben gingen in Richtung des Kleinen Rings. Die Jungen gingen immer in Gruppen. Die Alten, mit löwenhaften braunen und roten Bärten, gingen manchmal allein. Sie waren schwarz gekleidet und trugen persilweiße Hemden. Sie guckten auf der Straße niemandem in die Augen. Als ob sie sagen wollten, dass man sie auch nicht beäugen soll. Vielleicht war es wegen ihrer Religion, überlegte Dexter. Oder einfach, weil sie sich zu Hause fühlten. Dexter staunte jedes mal über ihre Selbstzufriedenheit und ruhige Ausstrahlung. Bei denen war die Welt in Ordnung. Auf der Nussbaumstraße ging er an verwahrlosten Häusern vorbei. Ihre Graffitis waren Tätowierungen im Stein. Aus dem Gitterfenster des Supermarktes blies die Klimaanlage heiße Luft hinaus. Er wechselte auf die andere Seite, wo das Vier-Sterne-Hotel stand. Den Blick der roten Ledersessel im Foyer nahm er gerne ein. Dexter war schon in seinem Leben in einem Hotel gewesen. Mit einer Frau, die er in einer fremden Stadt besuchte. Die Frau wollte gar nicht. Sie hat an seinen Nerven wie an einer Zither gespielt. Es gab im Hotel zur Post zwei alte Betten. Zuerst verlangte sie, dass sie in verschiedenen Betten schlafen. Er kam zu ihr ins Bett und umarmte sie, wie immer, von hinten. Sie war breit in den Hüften und hatte schwere, hängende Brüste. Beide waren nass vom Schweiß der aneinandergepressten Körper. Die Frau war religiös und hielt, dass die Ehe ein Akt ist, durch die Menschen ihre Liebe zu Gott zeigen. Zuerst Liebe zeigen. "Dann können wir wie Pferde im weißen Schaum tummeln", hatte sie gesagt. Am Morgen taumelte Dexter mit mehr Sternen vor den Augen aus dem Hotel, als sie das Hotel hatte. Er war Bugs Bunny, dem sie eine Karotte vor die Nase hielt. Statt deren bekam er einen Schuss mit der elektrischen Pistole. Sie kam ihm vor wie die Bullen auf dem Flughafen in den Abendnachrichten, die einen Typen niederschossen, um ihre Waffe auszuprobieren. Er bog um die Ecke vor dem Büro der Witzpartei. Ihr neues Wahlversprechen stand im Schaufenster: "Keiner muss arbeiten, Geld soll aber vorhanden sein." Wie wahr. Jeder hatte einen Platz unter der Sonne verdient, dachte Dexter. In dem Miethaus wohnte einst ein großer Erzähler. Dexter stieg die hundertelf Treppen bis zur Wohnung fluchend. "Es gibt doch kein Leben außerhalb Ungarns", sagte er in der Tür zu Rebecca. "Außerhalb der Ringstraße, meinst du, weiser Tribun Dexter", sagte Rebecca. Sie versuchte ihre Haxen in schenkelhohe schwarze Stiefel zu quetschen. "Meinst du, das ist übertrieben?", fragte sie hinter der Kommodentür. Pinker saß im Sessel und rauchte. Er sah aus wie jemand, der mit Geistern gehadert hat. Eine kleine Katze saß auf seiner Schulter. "Lola hat ja nichts einzuwenden",s agte er. Seine Unterlippe hat er blutig gebissen. Sein brauner Bart war rostfarbig. "Ich mach mir Sorgen um dich, Mann", sagte Dexter. "Trink einen Schluck Jäger", erwiderte Pinker und reichte ihm ein Glas. "Trinken wir einen auf Lola", schlug Dexter vor. Die beiden anderen nickten und hoben ihre Gläser still. Die Katzen kratzten am Fensterrand an den Gardinen. Als sie in Beerdigungspomp auf die Rundflur hinausgingen, rieselte ein leichter Regen. Das Laub der Buche ragte hoch bis zum fünften Stock. Dexter hatte das übliche Schwindelgefühl. Sie schauten nicht hinunter, gingen geschäftig hintereinander. Die Treppen schienen endlos. Sie führten unter die Erde. "Sollte es eins geben, ist es nicht so gut", dachte Dexter an den Spruch im Auto. Warum musste sich Lola den Strick nehmen? Sie war hübsch, verheiratet mit Pinker, dem Ayatollah. Sie hatten eine Wohnung außerhalb des Bezirks, innerhalb der Ringstraße. Sie hatten Kohle. Sie schmiss die besten Partys seit Jahren. Eines Morgens fanden sie sie unter einer Lotusblume auf dem Boden. Auf dem Tisch lagen halluzinogene Pilze. Die Stadt floss in Wellen an ihnen vorbei. Über der Ringstraße gab es noch vereinzelte Flecken staubiger Bewegung. Die Arbeiter schleppten sich entlang der Straße vor den westlichen Geschäften, um ihr Geld auszugeben. Die Penner suchten nach Flaschen. An der Fiume-Straße bogen sie rechts rein. Der alte Friedhof mit seinen hohen Gemäuern flog vorbei. Der chinesische Markt streckte sich Kilometer lang aus. Hotels, Restaurants reihten sich aneinander. Die Chinesen waren angekommen. Pinker schaute sie an und sagte: - "Chinesische Frauen reden nicht mit Fremden." - "Hier schon", sagte Rebecca. - "Ich hab noch nie eine Chinesin gehabt", sagte Dexter. - "Vielleicht solltest du Chinesisch lernen" sagte Rebecca. - "Und du?", fragte er Pinker. - "Von mir laufen sie weg." - "Von dir laufen alle weg. Es ist deine Ausstrahlung", mutmaßte Rebecca. - "Angeblich sind sie gut." - "Sie mögen gut sein, aber ich möchte nichts mit einer Stummen am Hut haben", meinte Pinker. Dexter dachte an einen Nachmittag bei seinem Großvater. Er saß auf den Treppen seines Hauses und las ein Unterhaltungsheft. Es ging um eine chinesische Prostituierte, die sich auf Männer gut verstand. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Lektorat von Hans Peter Roentgen Ein Mann in einem heruntergekommenen Viertel, der zu einer Beerdigung muss und dem unterwegs allerlei Merkwürdigkeiten begegnen. Ein wenig erinnert es an die Hardboiled-Detective-Geschichten a la Marlowe, ein wenig an absurdes Theater, aber bietet eine eigene Stimmung. Sicher nicht das, was Verlage auf ihrer Liste der gewünschten Toptitel stehen haben. Dennoch gut zu lesen, wenn man solche Texte mag. Zeiten Fangen wir ganz einfach mit dem Anfang an. ..... "Der Morgen war trüb. Der Sommer hat sich eine Auszeit genommen und die tödlichen Strahlen haben an dem Tag anderswo getobt." ..... Beide Sätze spielen in der Vergangenheit, der erste im Präteritum, der zweite im Perfekt. Besser wäre es, wenn der zweite im Plusquamperfekt stünde: ..... Der Morgen war trüb. Der Sommer hatte sich eine Auszeit genommen und die tödlichen Strahlen hatten an dem Tag anderswo getobt. ..... Warum schlage ich hier das Plusquamperfekt vor? Vor allem, weil es für mich besser klingt. Denn der Sommer hatte sich die Auszeit genommen, bevor der Morgen trüb war. ..... "Dexter war, wie immer in dem Sommer, gegen neun auf." ..... Da der Text durchaus literarischen Anspruch hat, sollte man statt des saloppen, umgangssprachliche "war auf" besser "stand auf" verwenden. "Aufstehen" ist außerdem aktiver, aktivere Verben statt Hilfsverben treiben eine Geschichte voran, klingen nicht so statisch und langweilig. Und muss man den Sommer erwähnen? Man könnte das streichen. Oder es stehenlassen, denn es legt die Jahreszeit fest, in der wir uns befinden. Das ist eine Änderung, die vom persönlichen Geschmack abhängt. ..... "Er streichelte das Fell von Kitty Hawk, nachdem er aus der Toilette kam. Sie hatte schwarzes Fell mit orangefarbenen Streifen. Sie war sehr stolz auf sie. Diesmal blieb das Kämmen aber aus. Dexter musste zur Beerdigung." ..... Hier reicht es, wenn Dexter Kitty Hawk streichelt. Dass es sich um eine Katze handelt und er das Fell streichelt, ergibt sich aus dem Text. Und natürlich ist "er" auf sie stolz - oder sie war sehr stolz auf sich. Das mit dem Kämmen klingt seltsam. Ich habe keine Ahnung von Katzen und ob es Besitzer gibt, die sie morgens kämmen. Wenn das gemeint sein sollte, würde ich es erläutern. Das "nachdem" verlangt hier wieder nach dem Plusquamperfekt. ..... Er streichelte Kitty Hawk, nachdem er aus der Toilette gekommen war. Sie hatte schwarzes Fell mit orangefarbenen Streifen, und er war sehr stolz auf sie. Auf das Kämmen musste sie heute aber verzichten, Dexter musste zur Beerdigung. ..... Satzlängen Im obigen Beispiel habe ich gleich noch etwas korrigiert. Der Autor verwendet immer sehr kurze, manchmal auch abgehackte Sätze. Beim Lesen ermüdet das, besser ist es, die Satzlänge zu variieren. Deshalb habe ich jeweils zwei Sätze zu einem zusammengefügt und durch Kommas getrennt. Auch in den folgenden Sätzen bietet es sich an, einige Sätze zu einem einzigen zusammenzufassen. ..... "Beim Frühstück überlegte er, was er anziehen soll. Er hat sich im Sommer bunte Klamotten zugelegt. Ein Hawaii-Hemd mit dem Gesicht einer Frau auf dem Rücken; die Frau hatte dicke rote Lippen unter der Mitte des Kreuzes. Ihre schwarzen Haare dehnten sich bis zu den Schultern aus. Sie hatte etwas Gelbes im Gesicht." ..... In der Beschreibung seiner Kleidung sind das Gesicht auf dem Rücken und die roten Lippen bereits zu einem Satz zusammengefasst. Ich würde auch die schwarzen Haare in den Satz aufnehmen: ..... Was sollte er bloß anziehen? Er hat sich im Sommer bunte Klamotten zugelegt. Ein Hawaii-Hemd mit dem Gesicht einer Frau auf dem Rücken; die Frau hatte dicke rote Lippen unter der Mitte des Kreuzes und ihre schwarzen Haare reichten bis zu den Schulterblättern. Sie hatte etwas Gelbes im Gesicht. ..... Gedanken, "überlegte er" und die Technik Fällt Ihnen noch etwas auf? Ich habe "überlegte er" gestrichen. Wenn Sie in einen Text "dachte er", "überlegte er" einfügen, schaffen Sie Distanz. Der Leser schaut von außen auf die Figur. Das kann manchmal gut sein, manchmal auch nötig, wenn Sie klarstellen müssen, dass es sich um einen Gedanken einer Figur handelt. In unserem Fall folgt der Text aber gut der Figur Dexter. Eine direkte Frage, "Was sollte er bloß anziehen?", ist näher an der Figur, und aus dem Umfeld des Textes ist es klar, dass es sich um einen Gedanken dieser Figur handelt. Dann wird es technisch, Dexters Hardware ist auf Liebe kodiert, und er hat ein großes RAM. Diese Formulierung ist sehr technisch und lässt vermuten, dass Dexter eher in technischen Begriffen denkt. Dann muss die Formulierung aber stimmen. Die Hardware besteht aus den Bausteinen eines Computers, die Kodierung gehört aber zur Software. Und statt "RAM" wäre "Speicher" der passende Begriffe. Besser wäre: "Er war auf Liebe programmiert und hatte dafür einen großen Programmspeicher." Ist diese Kombination, dass Dexter einerseits eher technisch denkt, andererseits ausgerechnet auf Liebe programmiert ist, nicht ein Widerspruch? Passen diese unterschiedlichen Begriffswelten überhaupt zueinander? In einem Text, der den üblichen Erzählwegen folgt, könnte das stören. Hier stimmt es den Leser darauf ein, dass dieser Text sprunghaft, nicht immer logisch verläuft, deshalb finde ich diese Kombination passend. Dann läuft Dexter durch sein Viertel, wir erleben kurze Schnappschüsse skurriler Typen und lernen dadurch das Viertel kennen: ..... "Die Straßen waren wie leergefegt. An den Zaun des Parks lehnte sich ein Typ und übergab sich. Dann richtete er sich auf und ging pfeifend auf Dexter zu. Er war ein Mann mittleren Alters, nicht schlecht angezogen. Dexter sagte hallo. Der Typ grinste. Dexter trug sich gerne im Viertel innerhalb des früheren Gettos herum. Er traf oft angetrunkene Typen am Morgen oder zu Mittag. Sie nahmen sich eine Auszeit von ihren Frauen oder vom Alltag. Es war warm in dem Viertel innerhalb der großen Ringstraße. Die engen Straßen führten in die Freiheit der Spelunken. Der Putz fiel von mancher Hauswand, die Ziegel wurden sichtbar." ..... So gut das geschildert wird, an ein paar Stellen stimmt die Wortwahl nicht, und die abgehackten, kurzen Sätze sollte man besser ab und zu variieren: ..... Die Straßen waren leer gefegt. Am Zaun des Parks lehnte ein Typ und übergab sich. Dann richtete er sich auf und ging pfeifend auf Dexter zu. Er war ein Mann mittleren Alters, nicht schlecht angezogen. Dexter sagte hallo, und der Typ grinste. Dexter trieb sich gerne im Viertel innerhalb des früheren Gettos herum. Oft traf er schon am Morgen oder Mittag angetrunkene Typen; sie nahmen sich eine Auszeit von ihren Frauen oder vom Alltag. Es war warm im Viertel innerhalb der großen Ringstraße. Der Putz fiel von mancher Hauswand, die Ziegel wurden sichtbar. ..... Das Bild der engen Straßen, die in die Freiheit der Spelunken führen, habe ich gestrichen. Weil ich es für schief halte und weil es schon im Text davor steht, dass es viele Spelunken gibt, die eine Auszeit versprechen. Wenn der Satz mit den engen Straßen dennoch im Text stehen soll, müsste ein treffenderes Bild gewählt werden. Dann kommt wieder ein Satz mit "überlegte er", nachdem die orthodoxen Juden beschrieben werden: ..... "Vielleicht war es wegen ihrer Religion, überlegte Dexter. Oder einfach, weil sie sich zu Hause fühlten. Dexter staunte jedes mal über ihre Selbstzufriedenheit und ruhige Ausstrahlung." ..... Auch hier schafft das "überlegte er" Distanz. Allerdings sorgt bereits die Schilderung für eine gewisse Distanz, weswegen ich an dieser Stelle das "überlegte er" stehen lassen würde - ebenso wie Dexters Staunen über die ruhige Ausstrahlung. Denn dadurch wird betont, dass es sich um Dexters subjektive Eindrücke handelt. Konkret schreiben, Bilder wecken "Den Blick der roten Ledersessel im Foyer nahm er gerne ein. " Dieser Satz muss umformuliert werden, besser wäre: "Die roten Ledersessel im Foyer faszinierten ihn." Und dann kommt der Rückblick auf die Nacht mit einer Frau im Hotel. Und dieser Rückblick bleibt sehr blass. "Die Frau wollte gar nicht. Sie hat an seinen Nerven wie an einer Zither gespielt." Mal abgesehen davon, dass die Frau AUF seinen Nerven gespielt haben dürfte wie auf einer Zither, bleibt die Szene allgemein, und das Versprechen, dass hier gemacht wird, nämlich, dass es etwas Berichtenswertes geben wird, hält der Text nicht ein. Wir wissen zwar, dass die Frau offenbar Dexter angelockt und gleichzeitig zurückgestoßen hat, einige Formulierungen wecken auch Neugier. Aber leider keine Bilder, es klingt eher wie die gängige Klage eines Mannes, der an der Nase (oder an anderen Körperteilen) herumgeführt wurde. Sprich: Diesen Abschnitt würde ich streichen. Oder er müsste gründlich überarbeitet werden, damit der Text Bilder weckt und in die Geschichte passt. Gleiches gilt auch für den Wahlspruch der Witzpartei. Zwar kann man Wahlversprechen parodieren, aber dann muss der Tonfall erkennbar sein. "Keiner muss arbeiten, Geld soll aber vorhanden sein", das klingt weder wie ein Wahlslogan noch wie eine Parodie auf einen solchen. Dann die Szene in der Wohnung, Rebecca zwängt ihre Beine in schenkelhohe Stiefel, und im Mietshaus wohnte einst ein großer Erzähler. In einer realistischen Geschichte wäre das absolut unmöglich, in einer, die mit Absurditäten spielt, darf man das. Nie sollte man vergessen, dass Menschen oft sehr absurde Dinge tun. Und was dem einen absurd erscheint, ist es für andere durchaus nicht. Leider gibt es eine Tendenz im Buchmarkt, die verlangt, dass alle Personen sich immer in der "üblichen" Logik verhalten sollten. Ich finde das bedauerlich. Sätze müssen passen Einwände hätte ich gegen den Satz, dass die Treppen unter die Erde führten. Er hat im Text keine Funktion, ich würde ihn streichen. Gleiches gilt für:"?Sollte es eins geben, ist es nicht so gut?", dachte Dexter an den Spruch im Auto. Hier ist der Bezug nicht klar, wirft den Leser aus dem Text, weil der erst mal überlegt, auf welchen Spruch dieser Satz sich bezieht. Und so gut der Absatz über die verstorbene Frau ist, so wenig passt der folgende Satz in die Beschreibung der Stadt: "Die Arbeiter schleppten sich entlang der Straße vor den westlichen Geschäften, um ihr Geld auszugeben." Auch hier: Entweder streichen oder ein besseres Bild wählen. Der folgende Absatz über die Stadt, den Chinesenmarkt und der Dialog über chinesische Frauen passt dagegen. Er arbeitet mit Assoziationen und folgt dem absurden, schwarzhumorigen Touch der Geschichte. Assoziativer Text Dieser Text ist assoziativ, er folgt keiner strikten Logik und verletzt gleich mehrere Regeln des Geschichtenerzählens. Eigentlich passiert wenig, Fragen, die den Leser fesseln könnten, werden nur am Rande aufgeworfen. Er lebt von der ungewöhnlichen Beschreibung des Mannes und des Viertels, in dem er lebt. Budapest, wie es nicht im Touristenhandbuch steht. Ein literarischer Text darf das. Der kürzlich verstorbene Slawomir Mrozek hat das nachdrücklich in seinen Texten bewiesen. Und bei Lichte betrachtet, weckt er durchaus Fragen. Wer war diese Frau, die an einer Überdosis starb? Was wird uns der Autor noch für ungewöhnliche Bilder über diese Stadt liefern? Reicht das für einen ganzen Roman? Das weiß ich nicht. Setzt der Text einfach nur diese Schilderung fort, so, wie sie hier begonnen wurde, kann er schnell ermüden, passt eher zu einer Erzählung als zu einem Roman. Die ersten vier Seiten können viel über einen Text verraten, doch nicht alles. Nicht zu vergessen: Geschmäcker sind verschieden. Sie können mit diesem Text gar nichts anfangen? Das ist Ihr gutes Recht. Doch beim Lektorieren kommt es nicht auf den Geschmack an. Es gibt Leser, die mögen keine Fantasygeschichten, andere finden die literarischen Texte in Klagenfurt furchtbar. Einem literarischen Text vorzuwerfen, dass dort keine phantastischen Welten vorkommen, ist aber genauso unsinnig, wie einem Fantasytext mangelnde Realität anzukreiden. Jede Überarbeitung muss sich auf die Art des Textes konzentrieren, soll ihn besser machen, ihn aber nicht in eine andere Geschichte verwandeln. Dexter Der Text verwendet den Namen eines bekannten Fernsehhelden aus einer Serie, die ebenfalls schwarzhumorig mit absurden Einsprengseln ist. Darf man das? Klare Antwort: Nein. Man darf das parodieren, aber auch dann sollte man einen ähnlich klingenden Namen verwenden, nicht den Originalnamen. Aus dem "Herrn der Ringe" wurde "Der Herr der Augenringe". Also sollte der Name unbedingt geändert werden, sonst könnte es Ärger mit den Rechteinhabern der Fernsehgesellschaft geben. Einen ähnlich klingenden Namen darf man aber verwenden, wenn der Text offensichtlich eine Parodie ist. Wenn der Text nur ein "Remake" oder "Fanfiction" ist, muss man vorher die Zustimmung der Rechteinhaber einholen. Es gibt keinen Grund, davor Angst zu haben. Oft reagieren sie freundlich, und man kann sich verständigen, welchen Namen man verwenden darf und wann der eigene Text keine Rechte verletzt. Dass man dann einen freundlichen Hinweis auf die Genehmigung an den Schluss des Textes setzt, ist selbstverständlich. Formalia In den Dialogen im Text stehen immer Gedankenstriche vor den Anführungszeichen der Dialogsätze (auch dahinter standen welche, die wir hier bereits durch Kommas ersetzt haben). Das ist ungewöhnlich. Üblich sind Anführungszeichen in der Unterhaltungsliteratur, in einigen literarischen Werken ersetzen Gedankenstriche die Anführungszeichen. Aber beide zusammen, das wäre doppelt gemoppelt. Ich würde mich auf eines von beiden beschränken. Und bei Formalia ist es immer gut, sich an das Gewohnte zu halten. Ich würde daher die Anführungszeichen verwenden und die Gedankenstriche weglassen. **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Hans Peter Roentgen ist Autor der Bücher "Vier Seiten für ein Halleluja" über Romananfänge und "Drei Seiten für ein Exposé". Außerdem hält er Schreibkurse und lektoriert. Gerade ist sein neuer Ratgeber "Schreiben ist nichts für Feiglinge" erschienen. ********************************************************************* INTERVIEW: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) "Man spürt die Liebe zum Lesen" Interview mit Mandy Pitschel Mandy Pitschel mag den Duft von weißem Flieder, Waldspaziergänge im Regen und Nudeln in allen Varianten. Aber noch mehr mag sie Bücher, und genau deshalb steckt sie bereits seit fünf Jahren ihre ganze Leidenschaft in den "Buchmarkt Frankfurt Hbf" (https://www.facebook.com/BSVFrankfurt). Unter ihrer Leitung ist das engagierte Team vor allem durch seine vielen Aktionen im Gedächtnis geblieben. Bei "Gib deinem Buch ein Gesicht" wurden auf der Facebook-Seite des Ladens bereits unzählige bekannte und weniger bekannte deutsche Autoren vorgestellt. Während der Aktion "Wir zeigen Herz" hat das Team signierte Bücher versteigert, um den Opfern der Flutkatastrophe 2013 zu helfen. Olga A. Krouk: Liebe Mandy, im Juli 2008 ist die Buchhandlungskette "Schmitt & Hahn" auf dich zugekommen und hat gefragt, ob du die Filiale "Buchmarkt Hbh Frankfurt a. M.", die als modernes Antiquariat geführt wird, als selbständige Kommissionärin übernehmen möchtest. Was genau ist darunter zu verstehen? Mandy Pitschel: Es ist so, dass ich einen Vertrag mit "Schmitt & Hahn" habe, dass ich deren Bücher verkaufe und dafür eine Provision auf den Umsatz erhalte. Ich bin selbständig, leite den Laden unter eigener Regie, das Team ist bei mir angestellt. Ich entscheide über das Sortiment, bestelle und plane allein. Jedoch sind die Bücher die ich bestelle und zukaufe, Eigentum der Firma Schmitt & Hahn. Ungefähr 80% des Sortiments sind reduzierte Bücher. Es sind keine gebrauchten Bücher, sondern Bücher, die aus der Buchpreisbindung raus sind, oder Remittenden. Ein Teil der Ware kommt aus den eigenen Läden vom Unternehmen, und dann gibt es viele Vertreter, die eben mit gemängelten Büchern handeln. OAK: Oft sind als "Mängelexemplar" gestempelte Bücher zu finden, die sonst völlig in Ordnung sind. Was genau ist denn ein "Mängelexemplar"? MP: Ein Mängelexemplar ist nach der Definition des Gesetzes ein Buch, das "verschmutzt oder beschädigt" ist oder "einen sonstigen Fehler aufweist". Es gab darüber auch immer wieder Streitigkeiten. Doch in der heutigen Zeit, bei den immer höher steigenden Buchpreisen, machen oft nur kleine Beschädigungen das Buch zum gebundenen Preis häufig unverkäuflich. Um es mit einfachen Worten zu sagen: Dem Kunden fällt ein Buch aus dem Regal, die Ecken sind angestoßen, und somit könnte man es als Mängelexemplar verkaufen. Wichtig ist hierbei, es muss immer einen Mängelexemplarstempel haben oder eben den Strich an der Unterseite des Buches. OAK: Du erwähnst die steigenden Buchpreise, weswegen Bücher mit den kleinsten Beschädigungen schon unverkäuflich sind - wäre die Abschaffung der Buchpreisbindung deiner Meinung nach eine Lösung? MP: Ich denke, dass nur eine Buchpreisbindung dafür sorgt, dass Autoren noch von ihrem Beruf leben können und dass die kleinen Buchhandlungen am Markt noch eine Chance haben gegen die Marktführer und Onlineshops. Wenn es keine Buchpreisbindung gibt, können die großen Ketten den Preis bestimmen. Da kann der Kleinunternehmer niemals mithalten. Es ist doch in fast jeder Branche schon so. OAK: Und die Branche ist immer in Bewegung. Wie siehst du den Beruf des modernen Buchhändlers? MP: Den modernen Buchhändler als solches gibt es für meinen persönlichen Geschmack nicht. Es gibt die heutigen großen Ketten mit riesiger Auswahl, mit unzähligen Möglichkeiten, alles zu bestellen, was der Kunde wünscht, mit einem Zusatzsortiment, das eigentlich so gar nichts mit Büchern zu tun hat, und leider mit wenig bis gar keiner Zeit für Beratung, Persönlichkeit und Kundengespräche. Die Läden sind zielorientiert, mit wenig Personal, Quantität vor Qualität. Es gibt die Onlinehändler, die einfach jedes Buch in ihren virtuellen Regalen stehen haben. Und es gibt die altmodischen Läden, wo man beraten wird, wo man sich über das Gelesene austauscht, wo Lebensgeschichten erzählt werden und wo der Kunde sich wohl und aufgehoben fühlt. Genau das ist das Bild, was ich von unserem Laden zeigen kann. Wir sind sehr kundenorientiert. Suchen, so oft es geht, das Gespräch mit unseren Kunden. Durch unseren großen Stammkundenkreis, den wir uns aufgebaut haben, weiß man schon genau, wo die Interessen liegen. Wir sind kein großer Laden, aber bei uns gibt es ein unglaublich großes Sortiment. Es kommt oft vor, dass ein neuer Kunde uns mit den Worten anspricht: "Das haben Sie bestimmt nicht, aber haben Sie vielleicht etwas von Nietzsche?" Und mit einem Schmunzeln zeige ich dem Kunden unser Klassikerregal, und er ist mehr als überrascht. OAK: Dabei ist es sicherlich nicht einfach, Mängelexemplare nach Kundenwünschen anzubieten. Einen aktuellen Bestseller beschafft man sich nicht ohne Weiteres zum reduzierten Preis. Wie machst du das? MP: Natürlich ist es nicht so wie bei den regulärpreisigen Büchern. Wir können nicht gezielt nach aktuellen Bestsellern suchen, um diese vergünstigt anbieten zu können. Aber wir suchen schon ganz gezielt nach bestimmten Titeln, einem bestimmten Genre. Besonders wenn nach einem Hardcover das Taschenbuch erscheint, halte ich die Augen offen, denn dann bekommt man die Hardcover oft zum guten Preis. Und dann fragt man eben auch gezielt beim Vertreter: "Du, ich brauche wieder schöne Fantasy-Titel, was kannst du mir anbieten?" Wie sagte ein Vertreter letztens so schön? "Es macht wirklich Spaß, Ihre Bestellung zu bearbeiten, da sieht man genau, dass da jemand mit Sinn und Verstand bestellt. Normal bekomme ich nur einen Anruf, und dann soll ich eine Palette zurechtstellen." OAK: Genau zu wissen, wo die Interessen der Kundschaft liegen, das ist ein gutes Stichwort. Konntest du in der letzten Zeit gewisse Schwankungen beobachten, je nachdem, was "aktuell" war, wie zum Beispiel Dystopien oder Vampire? MP: Natürlich gab es auch bei uns immer wieder eine Welle von Überfliegern. Seien es Vampire oder Zombies oder ganz aktuell die Blicke hinter eine Welt aus Lust und Leidenschaft, Folter und Qualen. Doch auch wenn wir diese Trendrichtungen miterleben, bei uns lieben die Kunden einfach das geschriebene Wort. Man spürt die Liebe zum Lesen. Wir verkaufen so viele Klassiker, ob an Jung oder Alt. Das zeigt mir einfach, dass die Liebe zu Büchern niemals vergehen wird. So lange es Autoren gibt, die Bücher schreiben, wird es Menschen geben, die sie lesen. OAK: Das hast du sehr schön gesagt, liebe Mandy. Doch um gelesen zu werden, muss das Buch präsent sein. Dafür bleibt einer Neuerscheinung immer weniger Zeit. Drei Monate, vielleicht ein halbes Jahr - wenn das Buch in dieser Zeit nicht läuft, ist es praktisch tot. Merkst auch du, dass der Markt immer schneller wird? MP: Oft erlebe ich, wie unsere Kunden zum Bestsellerregal laufen: Was dort steht, muss einfach gut sein. Ich denke, dass auch Zeit eine Rolle spielt. Sich diese Zeit zu nehmen, um in Ruhe nach einem Buch zu schauen. Aber ich würde auch nicht sagen, dass ein Buch nach einer gewissen Zeit keine Chance mehr hat. Es gab viele Bücher in den letzten Jahren, die nicht von Anfang an der Überflieger waren. Doch mit einem Schlag waren sie in den Verkaufsrängen ganz oben. Stieg Larsson war zum Beispiel so ein Fall. Der erste Band seiner Trilogie verkaufte sich anfangs eher schleppend. Und wenn man noch einmal in eine andere Richtung schaut: Verfilmungen von Büchern verschaffen den Büchern noch einmal einen richtigen Hype. In den letzten Jahren wurden so viele Bücher verfilmt, die dadurch noch einmal ins Licht gerückt sind. Was aber wieder für den schnelleren Markt spricht, sind diese unzähligen Neuerscheinungen in jedem Monat. Da spinne ich den Faden mal weiter ... Der kleine Buchladen um die Ecke hat nur einen bestimmten Platz für die Neuerscheinungen. Das Regal ist voll, und dann kommen schon wieder die nächsten Bücher vom Verlag (es ist immer noch ein gesponnener Faden). Nun steht die Buchhändlerin vor dem Regal und überlegt: Was lief bisher gut, was lief nicht so? Und nimmt die Titel, die noch nicht so gut angelaufen sind, aus dem Laden, um Platz für die neuen zu machen. Die Neuerscheinungen der letzten Monate, die sich gut verkauft haben, bekommen dann einen Platz im eigentlichen Genre. Das wäre eine Idee, wieso manche Titel keine richtige Chance bekommen haben. Dabei war in diesem Zeitraum vielleicht nur nicht der passende Leser für jene Bücher im Laden. OAK: Und wie ist es in einem Laden, der sich auf das moderne Antiquariat spezialisiert hat? MP: Bei unseren reduzierten Büchern ist das anders. Für den niedrigen Preis probiert man gern mal etwas aus. Die Kunden nehmen sich Zeit und durchstöbern die Angebote, und da entscheidet meist weder der bekannte Autor, noch wie alt das Buch schon ist. Mir geht es ja genau so. Ich habe da schon manche Schätze entdeckt, von denen ich sonst wohl niemals gehört hätte. Auch kommt es durch Läden wie uns dazu, dass Bücher zu regulären Preisen wieder gekauft werden, obwohl sie vielleicht schon "tot" waren. Wir hatten da so ein Buch, ich habe es bei den reduzierten Taschenbüchern entdeckt, gekauft und gelesen. Dieses Buch fand ich so toll, dass ich sehr vielen Stammkunden davon erzählt habe. Viele waren so neugierig geworden, dass sie dieses Buch unbedingt lesen wollten. Also haben wir es ins Sortiment aufgenommen und wirklich unzählige Male verkauft. Der Autor und dessen Verlag müssen sich gewundert haben, was da auf einmal los war. OAK: Man spricht manchmal von "gemachten Bestsellern", für die ein Verlag sehr viel in Werbung investiert. Was hältst du davon? Konntest du am Verhalten der Kunden merken, dass diese Werbung gut funktioniert? MP: Wir sind so beeinflusst von der Werbung! Das spüren wir im Laden jeden Tag. - "Ich hab da auf dem Plakat so ein Buch gesehen. Haben Sie das hier ?" - "Wo ist denn Ihr Bestsellerregal?" (Ich frage nach, ob der Kunde einen bestimmten Titel sucht:) "Nein ist mir egal, Hauptsache ein Bestseller." Der "gemachte Bestseller" funktioniert. Nehmen wir als Beispiel "Feuchtgebiete". Die Autorin hat sich gekonnt in aller Munde gebracht, indem sie von Talkshow zu Talkshow gewandert ist. Man wusste noch nicht, ob das Buch wirklich gut ist. Aber alles, was irgendwie Beine hatte, strömte in die Buchläden, um dieses rote Buch mit dem Pflaster zu kaufen. OAK: Was auch den Buchhändler dazu veranlasst, mehr vom Titel auszulegen. MP: Die Bestseller sind für jeden Buchhändler jene Bücher, die einen guten Teil seiner Miete bezahlen. OAK: Also müsst auch ihr den Trends folgen? MP: Wir sind ein modernes Antiquariat, das auch aktuelle Bücher zum regulären Preis anbietet. Aber wir müssen nicht auf jeden Zug aufspringen. Wir bieten unseren Kunden gern Qualität, und wir freuen uns über jede Beratung, die wir geben können, bei der sich der Kunde darauf einlässt, wenn wir ihn weg von der Bestsellerliste führen. Eine Antwort, die ich gern meinen Kunden gebe: "Was hier in der Bestsellerliste steht, kann ich nicht beeinflussen. Die Bücher, die ich selbst ins Sortiment aufnehme, schon. Und da wählen wir sehr genau aus." OAK: Wenn es nicht die Verlagswerbung ist, was beeinflusst dich dann bei deiner Auswahl? MP: Als Erstes steht natürlich immer der Kunde im Vordergrund. Es gibt bestimmte Genres und Themen, wo ich weiß, was unseren Stammkunden gefällt. Es lässt sich so viel besser arbeiten, wenn man einen so großen Stammkundenkreis hat. Bei unseren Büchern zum regulären Preis wähle ich wirklich jeden Titel einzeln aus. Ich schaue mir an, worum es geht, und dann höre ich auf mein Bauchgefühl. Eine Story, die einfach mal anders ist, die weckt sofort meine Neugier. Gerade durch unsere Aktion "Gib deinem Buch ein Gesicht" haben wir so viele tolle Autoren kennengelernt! Das war und ist für uns eine absolute Bereicherung. OAK: Und was könnte ein Autor selbst für sein Buch tun? Kann er überhaupt etwas tun? MP: Weißt du, wie ich auf unsere Aktion kam? Durch unsere Seite haben sich die beiden Autorinnen Zoe Beck und Lilli Beck etwas besser kennengelernt. Und durch diese Menschen hinter dem Buch habe ich Lust auf ihre Bücher bekommen. Genau deswegen wollte ich diese Aktion machen, weil ich glaube, dass es vielen genauso geht. Zeigt euch auf euren Seiten, seid Mensch und nicht nur ein Name. Das ist mein Rat. OAK: In diesem Interview hast du sehr oft von euren Stammkunden gesprochen und darüber, wie ihr auf ihre Wünsche eingeht. Kein Wunder, dass die Nachricht, dass der Vertrag für dich und dein Team von "Schmitt & Hahn" nicht verlängert wurde, wie eine Bombe eingeschlagen ist. Welche Gründe wurden euch genannt, als ihr davon erfahren habt? MP: Eigentlich hatten wir an diesem Tag einen Termin vereinbart, weil wir ein paar Dinge und Probleme besprechen wollten. Bei unserem Termin teilte man uns mit, dass man den Vertrag mit uns kündigen wird, weil die Firma Schmitt & Hahn diesen Laden nun in eigener Regie betreiben möchte. Es wurde betont, dass es nichts mit uns zu tun hat. Was nun im Nachhinein behauptet wird, können wir weder nachvollziehen noch verstehen. OAK: Von "vielen Kundenbeschwerden" ist dabei die Rede. Auf Facebook meldet sich daraufhin eine Kundin: "Klar ist es am Bahnhof manchmal nicht leicht. Aber ich habe schon erlebt, wie ihr berechtigterweise Leute freundlich, aber bestimmt hinausbitten musstet." Könntest du ein bisschen von diesen Vorfällen erzählen? MP: Hier, in der Bahnhofsumgebung, stoßen zwei Welten aufeinander. Das Bankenviertel in der Nähe und die ganzen kaputten Existenzen, die direkt vor und im Bahnhof unterwegs sind. Drogen, Alkohol, organisierte Bettlergruppen, Trickbetrüger - und das alles prallt auf mich ein, eine Frau aus einer Kleinstadt in Thüringen. Natürlich stumpft man mit der Zeit ab, man wird härter und lässt nicht mehr alles an sich heran. Doch dann geht wieder die Tür auf, und ein Junkie kommt in den Laden, gerade voll auf seiner Droge, und du weißt nicht, was du machen sollst. Kippt er uns gleich ins Regal, oder fällt er auf den Boden? Wir können in dem Moment nichts anderes machen, als ihn hinauszuschicken. Zum Schutz unserer Kunden, aber auch zu unserem eigenen Schutz. In diesem Moment kommt dieser Mensch nicht zu uns und möchte etwas kaufen, in den meisten Fällen wollen sie Bücher mitnehmen, aber nicht bezahlen. Schnelles Geld machen. Für die nächsten Drogen. OAK: Habt ihr schon irgendwelche Pläne, wie es mit euch als Team weitergehen könnte? MP: Leider haben wir noch keine Pläne, wie es weitergehen soll. Der Schock hat uns eine Weile gelähmt. Wir machen doch seit Jahren nichts anderes, als für unseren Laden und unsere Kunden da zu sein. Das kann man nicht mal eben abtun und ersetzen. Doch wir werden nun wieder aufstehen, weitermachen und sehen, wohin uns der neue Weg führt. Wir hoffen, wir können als Team woanders weitermachen. Und viele unserer Kunden haben gesagt, sie würden uns folgen. OAK: Vielen Dank für das Interview! Das Interview führte Olga A. Krouk (http://www.olgakrouk.de oder www.facebook.com/OlgaAKrouk, dort findet ihr auch mehr zu den aktuellen Entwicklungen) ********************************************************************* VERLAGSPORTRAIT: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) Verlag Monika Fuchs Langer Hagen 25 31134 Hildesheim Telefon: (0 51 21) 96 21 17Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. http://www.verlag-monikafuchs.de Verlagsgründung Monika Fuchs, die Gründerin des Verlags, arbeitet (noch) allein. Illustratoren, Lektoren etc. werden je nach Bedarf als freie Mitarbeiter beauftragt. Gemeinsam mit ihrem MedienBüro betreibt sie ihren Kleinverlag hauptberuflich. Den Impuls, einen Verlag zu gründen, gaben Aufträge, die sie für ihr Medienbüro bekam. Da waren manchmal Projekte dabei, die einen größeren Leserkreis verdient hätten, z. B. Schriften zu bestimmten Fachthemen. Von daher sah das ursprüngliche Verlagskonzept vor, "Kleinigkeiten" in Broschürenform zu publizieren, wenn sich das eine oder andere Projekt ergibt. Aber schon die dritte ISBN-Nummer gehört einem Buch Das offizielle Gründungsdatum des Verlags ist der 9. November 2006. Kurz darauf erschien die erste Publikation über einen Meditationsweg in Hildesheim. Die zweite Broschüre ergab sich 2007 aus dem Auftrag eines Kindergartens, das erste Buch erschien 2008. Von da an wurde es professionell mit dem Verlag, und die nächsten Bücher folgten in kürzeren Abständen. Nach und nach kamen mit IBU und später den Barsortimenten auch die buchhandelsüblichen Vertriebswege dazu. Seit Februar 2013 lässt die Verlegerin über den MedienService Runge ausliefern, um die Schnittstelle zum Buchhandel besser bedienen zu können und den Verlagsalltag zu entlasten. Inzwischen sind über 30 Titel im VLB gelistet, Ende des Jahres werden es fast 40 sein. Programm und Philosophie Insgesamt bietet der Verlag "Leseglück für Groß und Klein" an. Sprich: Er soll ein Verlag für die ganze Familie sein. Schwerpunkt ist aber der Bereich Kinder- und Jugendbuch. Besonders zu erwähnen sind hier die Reihen "Edition Kleiner Fuchs" als Publikationsplattform für jugendliche Autoren und "linguAmica" für Bilinguales. Als Themen interessieren die Verlegerin vor allem originelle Stoffe, die ohne erhobenen Zeigefinger Werte vermitteln und zum Nachdenken und zum Gespräch anregen. Gute Chancen haben auch Manuskripte, die eine klare Zielgruppe erkennen lassen. Aber trotz dieses Schwerpunktes sollen auch Vater, Mutter, Onkel, Tante, Oma und Opa ihr Leseglück im Verlag Monika Fuchs finden können. Das Genre liegt bei den Erwachsenen nicht hindertprozentig fest, soll aber in erster Linie unterhalten. Die Manuskripte dafür werden danach ausgewählt, ob sie überzeugen und ob die Verlegerin eine Vermarktungschance sieht. Welche Autoren wurden bisher verlegt? Die "Wall of Fame" zählt zurzeit 96 Einträge. 57 davon sind "Neuzugänge" aufgrund der ersten Anthologie, "Autorenträume", die im Juni dieses Jahres erschienen ist. Zu den "Hausautoren und -illustratoren" gehören z. B. Gunnar Kunz, Frauke Baldrich-Brümmer, Tina Birgitta Lauffer, Yvonne Kopf, Rainer Osinger Christa Lippich, Katharina Arendt, Nina Lükenga, Inge Becher, Heike Georgi und Doris Gassner. Durch die Anthologie kamen u. a. Frederike Frei, Kai Riedemann, Matthias Kröner, Michèle Minelli, Adi Hübel dazu. Nicht zu vergessen Tanja Kinkel, die das Geleitwort zum Buch schrieb, weil wir mit einem Teil des Erlöses ihr Hilfswerk "Brot und Bücher e. V." unterstützen. Im Herbst können wir die Liste um die Namen Petra Gabriel, Petra Hartmann, Harriet Grundmann, Stefanie Jeschke, Olena Fradina, Hans Gärtner und Theresia Bongarth erweitern. Die komplette "Wall of Fame" findet man hier: http://www.verlag-monikafuchs.de/?page_id70 AutorInnen gesucht Im Moment werden keine neuen Manuskripte angenommen, weil das Programm schon bis Ende 2014 steht und der SUM, der Stapel ungelesener Manuskripte, noch nicht abgetragen ist. AutorInnen hätten einfach eine zu lange Wartezeit, bis die Verlegerin sich rühren kann und bis ihr Projekt eventuell verwirklicht werden könnte. Konditionen Der Verlag arbeitet nach dem klassischen Verlagsprinzip: Er trägt alle Kosten, die vor und nach der Publikation eines Buches anfallen, und Honorar wird auch gezahlt. Nicht nur an den Autor, sondern auch an Illustratoren, Lektoren und was sonst noch hin und wieder an Dienstleistungen eingekauft wird. Grundlage für Autorenverträge ist der Normvertrag, Konditionen (Honorare, Rechteübertragung etc.) werden von Projekt zu Projekt individuell verhandelt. Belegexemplare und Autorenrabatt (für eigene und alle anderen Verlagsbücher) gibt es auch. Was ist besonders wichtig? Professionalität und Qualität. Für die Manuskripteinreichung bedeutet das: Wurden die Vorgaben des Verlags erfüllt? Wie sorgfältig ist die Einsendung zusammengestellt? Überzeugt das Exposé auch in Sachen Rechtschreibung und Grammatik? Überzeugt die Geschichte? Beherrscht der Autor sein Handwerk? Denn - das sollte schon klar sein: Schreiben ist in erster Linie Handwerk, Inspiration sollte natürlich dazukommen, aber Genie ist dann doch eher selten. In Bezug auf die Vermarktung schöpft Monika Fuchs alle Möglichkeiten, die sie hat (Werbemittel, Pressearbeit etc.), aus, um Buch und Autor zu fördern. Aber sie wünscht sich - wie wohl die meisten Kleinverlage - ein aktives Mittun des Autors, weil fast sieben Jahre Verlagserfahrung gezeigt haben, dass man wenig ausrichten kann, wenn der Autor die Füße auf den Tisch legt und hofft, dass der Rubel auch ohne ihn rollt. Irgendwo rollt der sicher Zukunftspläne, Perspektiven Nahziel: eine Mitarbeiterin, die die Verlegerin vor allem bei Werbung und Vertrieb unterstützt und mit der sie noch viele neue Ideen in allen Bereichen der Verlagsarbeit entwickeln kann. Sie würde nämlich gern wachsen! ********************************************************************* UNSERE EXPERTINNEN UND EXPERTEN: --------------------------------------------------------------------- Bitte schickt den ExpertInnen nur Fragen zu ihrem Expertenthema - keine Manuskripte zur Beurteilung. Bitte verseht jede Anfrage mit einem aussagekräftigen Betreff. Sonst kann es sein, dass die Mail vorsichtshalber sofort gelöscht wird. Drehbuch: Oliver Pautsch drehbuch at experte pt autorenforum pt de Fandom: Thomas Kohlschmidt fandom at experte pt autorenforum pt de Fantasy: Stefanie Bense fantasy at experte pt autorenforum pt de Heftroman: Arndt Ellmer heftroman at experte pt autorenforum pt de Historischer Roman: Titus Müller historischer.roman at experte pt autorenforum pt de Kinder- und Jugendbuch: Michael Borlik kinderbuch at experte pt autorenforum pt de Kriminalistik: Kajo Lang kriminalistik at experte pt autorenforum pt de Lesungen: Rüdiger Heins lesungen at experte pt autorenforum pt de Lyrik: Martina Weber lyrik at experte pt autorenforum pt de Recherche: Barbara Ellermeier recherche at experte pt autorenforum pt de Plotten: Kathrin Lange plotten at experte pt autorenforum pt de Sachbuch: Gabi Neumayer sachbuch at experte pt autorenforum pt de Schreibaus- und -fortbildung: Uli Rothfuss fortbildung at experte pt autorenforum pt de Schreibgruppen: Ute Hacker schreibgruppen at experte pt autorenforum pt de Schreibhandwerk: Ute Hacker schreibhandwerk at experte pt autorenforum pt de Sciencefiction: Andreas Eschbach sf-autor at experte pt autorenforum pt de Übersetzung: Barbara Slawig uebersetzerin at experte pt autorenforum pt de Verlagswesen: Bjørn Jagnow verlagswesen at experte pt autorenforum pt de ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ................. Experten-Special: ................. Bjørn Jagnow hat seine Fragen und Antworten zu den Themen Urheberrecht, Verlagswesen und Vermarktung der letzten Jahre gesammelt - thematisch sortiert und aktualisiert: "Urheberrecht, Verlagswesen und Vermarktung für Autoren 2012", E-Book, 2,99 Euro, http://www.amazon.de/gp/product/B007VD3OL6/ ********************************************************************* FRAG DIE EXPERTIN FÜR LYRIK: --------------------------------------------------------------------- Martina Weber (lyrik at experte pt autorenforum pt de) Frage: 1. Welchen Einfluss hat die Veröffentlichung von Gedichten im Internet (gegebenenfalls mit freiwilligen Zahlmöglichkeiten) auf eine mögliche Printveröffentlichung? 2. Wie würde die - sicher gegenüber der Printpublikation einfachere - Publikation als E-Book laufen? Antwort: Zu 1: Grundsätzlich hat die Veröffentlichung von Gedichten im Internet gar keinen Einfluss auf eine mögliche Printveröffentlichung. Denn ein gutes Gedicht will der Lesende letztlich doch gern in gedruckter Form besitzen. Deshalb wird ein Verlag die Publikation eines bereits im Internet veröffentlichten Gedichtes nicht aus dem Grund, weil es bereits im Internet veröffentlicht wurde, ablehnen. Allerdings gibt es Lyrikwettbewerbe, die die Einsendung unveröffentlichter Gedichte verlangen. Bei solchen Wettbewerben dürfen ins Internet gestellte Gedichte nicht eingereicht werden. Es gibt auch Zeitschriften, die nur bisher unveröffentlichte Gedichte drucken. Unabhängig davon rate ich eher zur Zurückhaltung mit der Veröffentlichung im Internet. Es gibt renommierte Seiten wie Fixpoetry.com oder poetenladen.de, auf denen nur Gedichte veröffentlicht werden, die die Herausgeber überzeugt haben. Die Veröffentlichung auf einer dieser Seiten ist daher bereits ein Qualitätskriterium. Für eine Veröffentlichung von Gedichten im Internet sollte man jedoch auf keinen Fall Zahlungen leisten müssen, auch keine freiwilligen. Das schadet dem Ruf und könnte sich tatsächlich auf eine mögliche Printveröffentlichung ungünstig auswirken. Zu 2: Mir ist kein Gedichtband bekannt, der ausschließlich als E-Book veröffentlicht wurde. Vielleicht wäre statt eines E-Books auch ein Book on Demand interessanter. **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Martina Weber erhielt u. a. das im Jahr 2009 erstmals ausgeschriebene Frankfurter Autorenstipendium. Im Januar 2013 erschien ihr Lyrikdebüt mit dem Titel "Erinnerungen an einen Rohstoff" im Poetenladen Verlag, Leipzig. Außerdem erschienen: "Zwischen Handwerk und Inspiration. Lyrik schreiben und veröffentlichen" Uschtrin Verlag München, 3. Auflage 2011. Inhalt: http://www.uschtrin.de/weber.html ********************************************************************* FRAG DIE EXPERTIN FÜR FANTASY: --------------------------------------------------------------------- Stefanie Bense (fantasy at experte pt autorenforum pt de Frage: Ich habe in meiner Freizeit einen Roman geschrieben und möchte mir Meinungen dazu einholen. Allerdings würde ich es bevorzugen, zunächst Bekannte danach zu befragen und logische Brüche etc. weitestgehend auszuhebeln, bevor ich einen Lektor bemühe. Nun sollte man zwar meinen, dass man seinen Freunden vertrauen kann, aber man kann schließlich nie sicher genug sein. Wie kann ich ausschließen, dass diejenigen, die mein Buch lesen, es als ihr eigenes deklarieren und veröffentlichen? Welche Sicherheiten gibt es für mich als Autor, wenn das Buch noch nicht veröffentlicht wurde? Ich möchte es außerdem jemandem geben, den ich nicht so gut kenne, der also eine etwas distanziertere Meinung hat und bei dem das Risiko noch größer ist, da ich ihm das Script per E-Mail zusenden müsste. Antwort: Sie können niemals sicher sein, dass kein anderer Ihre Ideen verwendet. Nicht einmal, wenn Sie Ihr Buch die nächsten Jahre in einem Tresor verwahren und niemandem zeigen. Dieselbe Idee, die Sie hatten, könnte auch ich entwickeln oder ein anderer Autor. Manche Ideen liegen einfach "in der Luft". Ideen sind außerdem nicht urheberrechtlich geschützt. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass andere Autoren denselben (!) Roman schreiben (können) wie Sie? Selbst wenn wir von derselben Idee, denselben Figuren und demselben Handlungsaufbau mit demselben Ende ausgehen würden, kämen dennoch zwei völlig unterschiedliche Storys dabei heraus. Sie würden vielleicht mehr Wert auf Action legen, ich auf Figurencharakterisierung, Sie eventuell auf Weltenbau, ich auf Spannungsaufbau. Von Umfang, Wortwahl, Arten der Beschreibung, Dialogfassungen, Kapitelaufteilung und Stil ganz zu schweigen. Ich hoffe für Sie, dass Sie sehr wohl Freunde und Bekannte haben, denen Sie vertrauen. Aber das ist nicht unbedingt das beste Kritiker- Publikum. Suchen Sie sich lieber eine schreibhandwerklich orientierte Gruppe oder einen Lektor, die / der professionell an den Text geht. Diese Kritik ist zwar schmerzhaft und meist recht umfassend, bringt aber mehr, weil Leute, die selbst schreiben, besser den Finger auf die Schwachstellen legen und sie benennen können. Und in einer Gruppe, in der Texte auf Gegenseitigkeit gelesen und kritisiert werden, sollte Vertrauen selbstverständlich sein. Abgesehen davon, sollten Sie den Roman nur in Textauszügen vorstellen. Am besten mit konkreten Fragen: "Wie wirkt der Dialog auf euch? Warum "hakt" es hier? Die Figur erscheint mir so flach - habt ihr Ideen, wie ich das besser hinkriegen kann?" - Da werden Ideen schnell zu freigiebiger Tauschware, denn ohne die Ideen und Kritiken der anderen entwickelt man sich selbst im Schreiben nur langsam weiter. Ganz offen: Ich gebe seit zwanzig Jahren Seminare, habe mehrere Gruppen geleitet und bin selbst Mitglied in realen und virtuellen Schreibgruppen gewesen oder bin es noch und habe es in all den Jahren nicht ein einziges Mal erlebt, dass jemand einem anderen etwas "gestohlen" hätte. Sehr wohl gab es Anfragen: "He, das ist eine gute Idee, den Frosch statt in einen Prinzen in einen Stallburschen zu verwandeln - darf ich das auch benutzen?" Ich habe jedes Mal "ja" dazu gesagt - und nicht ein einziges Mal erlebt, dass die Geschichte der anderen Autorin meiner auch nur ähnelte. Ich weiß, dass unter jungen Autoren/innen die Furcht sehr verbreitet ist, dass der Ideenklau umgeht. Doch diese Angst ist unbegründet. Zum einen stehen Ideen nicht unter Urheberrecht, sondern nur die daraus entstehenden Werke, zum anderen gibt es so viele Ideen - warum sollte man da eine bereits "benutzte" verwenden? Bitte lesen Sie dazu meinen Artikel "Schreckgespenst Ideenklau" aus dem Tempest-Archiv 10-11 November 2008 und die Experten-Antwort auf eine Leserfrage 13-1 Januar 2011. **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Stefanie Bense lebt und arbeitet in Hannover, gibt Schreibkurse, veröffentlicht sporadisch und schreibt an ihrem vierten Roman. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Veranstaltungen, Ausschreibungen, Publikationsmöglichkeiten, Messen und Seminare findet ihr im zweiten Teil des Tempest, der mit getrennter Mail kommt +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Einsendeformalien: Einsendungen sind zu allen Rubriken von autorenforum.de - nach Rücksprache - erwünscht. Das Urheberrecht verbleibt bei der Autorin bzw. beim Autor. Einsendungen bitte im RTF-Format und per E-Mail, und zwar an: beitrag at team pt autorenforum pt de. Fragen zu Einsendungen sollten ebenfalls an diese Adresse gerichtet werden. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ I M P R E S S U M ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Herausgeber: Ramona Roth-Berghofer public.relations at team pt autorenforum pt de Gabi Neumayer redaktion at team pt autorenforum pt de Stefan Schulz webmaster at autorenforum pt de Thomas Roth-Berghofer Thomas.Roth-Berghofer at team pt autorenforum pt de Jürgen Schloßmacher juergen.schlossmacher at team pt autorenforum pt de ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "The Tempest" ist ein kostenloser Newsletter für Autorinnen und Autoren. 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