Editorial
Hall of Fame
Schreib-Kick
Lesetipps
Schreibkurs
"Die Szenenplanung für einen Roman - Teil 2"
von Jurenka Jurk
"(Haupt-)Figur: Ich kenne dich! - Teil 1"
von Christiane Franke
Spannung, der Unterleib der Literatur
"Das Licht im zweiten Stock"
Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen
Buchbesprechung
"Kurzprosa schreiben"
besprochen von Gabi Neumayer
Interview mit Kathrin Lange
Verlagsportrait
"Magma Verlag"
Frag die Expertin für Fantasy
(Stefanie Bense)
Frag den Experten für Verlagswesen
(Björn Jagnow)
Frag den Experten für Kinder- und Jugendbuch
(Michael Borlik)
EDITORIAL: --------------------------------------------------------------------- Liebe Autorinnen und Autoren, habemus expertam! Unsere neue Expertin Kathrin Lange ist allerdings nicht für Latein zuständig, sondern für etwas, das AutorInnen viel dringender brauchen: das Plotten. Wir freuen uns sehr, dass uns die erfolgreiche Autorin historischer Romane, die zugleich ein erfahrener Coach ist, ab sofort unterstützt. In dem Interview, das Ursula Schmid- Spreer mit ihr geführt hat, lernt ihr sie gleich näher kennen. Und wenn ihr eine Frage zum Plotten habt: Kathrins Mailadresse findet ihr unten bei den ExpertInnen. Was erwartet euch sonst noch in diesem Tempest? Der zweite Teil von Jurenka Jurks Schreibkurs zur Szenenplanung zum Beispiel. Und der erste Teil eines Artikels von Christiane Franke, in dem es darum geht, wie man seine Charaktere besser kennenlernt. Ein neues Spannungslektorat von Hans Peter Roentgen ist natürlich auch wieder dabei, ein weiterer Verlag wird vorgestellt und ein Buch über das Schreiben von Kurzprosa, und drei unserer ExpertInnen beantworten diesmal eure Fragen. Dazu gibt es Tipps, Kicks, neue Ausschreibungen und Seminare und noch einiges mehr. Der Tipp des Monats Oktober, diesmal von http://www.writingforward.com/blog: Have fun. If youre not enjoying writing, then maybe its not for you. If youre not enjoying fiction writing, try something else like poetry, blogging, or screenwriting. Be open and youll find your way. Ich rufe an dieser Stelle ja immer wieder auf, nicht nur Artikelideen, Tipps und Kicks zu schicken, sondern auch einen finanziellen Beitrag zum Erhalt des Tempest zu leisten, damit wir ein weiteres Jahr angehen können. Im laufenden Jahr haben das noch nicht allzu viele getan, darum: Wem der Tempest wichtig ist und wer ihn auch 2013 lesen möchte, überweise bitte etwas - ob 5 oder 15 Euro, jeder Beitrag zählt! Gabi Neumayer Chefredakteurin ~~~~~~~~~~~ Damit wir den Tempest auch in Zukunft weiterführen können, brauchen wir eure Hilfe: Wer uns unterstützen möchte, überweise bitte einen freiwilligen Jahresbeitrag (15 Euro haben wir als Richtwert gesetzt, aber ihr helft uns auch schon mit 5 oder 10 Euro weiter) auf das Konto: Jürgen Schloßmacher Kreissparkasse Köln BLZ 370 502 99 Kto. 11 42 17 61 63 Stichwort: "Beitrag 2012" Wichtig: Das Konto läuft NICHT mehr auf den Namen "autorenforum", sondern nur auf "Jürgen Schloßmacher"! Für AuslandsabonnentInnen: Am 1. Juli 2003 wurden die Auslandsüberweisungsgebühren gesenkt. Aber natürlich könnt ihr uns euren Beitrag auch weiterhin per Post schicken (Adresse am Ende des Tempest). Wer aus Österreich überweist, braucht außerdem diese Nummern (bitte genau so zusammenschreiben!) IBAN: DE16 5509 0500 0100 7245 15 BIC: GENODEF1S01 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ISSN 1439-4669 Copyright 2012 autorenforum.de. Copyright- und Kontaktinformationen am Ende dieser Ausgabe ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ INHALT DIESER AUSGABE: TEIL 1: Editorial Hall of Fame Schreib-Kick Lesetipps Schreibkurs "Die Szenenplanung für einen Roman - Teil 2" von Jurenka Jurk "(Haupt-)Figur: Ich kenne dich! - Teil 1" von Christiane Franke Spannung, der Unterleib der Literatur "Das Licht im zweiten Stock" Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen Buchbesprechung "Kurzprosa schreiben" besprochen von Gabi Neumayer Interview mit Kathrin Lange Verlagsportrait "Magma Verlag" Frag die Expertin für Fantasy (Stefanie Bense) Frag den Experten für Verlagswesen (Björn Jagnow) Frag den Experten für Kinder- und Jugendbuch (Michael Borlik) Impressum TEIL 2: Veranstaltungen Ausschreibungen Publikationsmöglichkeiten mit Honorar ohne Honorar Seminare Messekalender Impressum ********************************************************************* HALL OF FAME: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) Die "Hall of Fame" zeigt die Erfolge von AbonnentInnen des Tempest. Wir freuen uns, wenn ihr euch davon motivieren und ermutigen lasst - dann werden wir euer neues Buch hier bestimmt auch bald vorstellen können. Melden könnt ihr aktuelle Buchveröffentlichungen (nur Erstauflagen!) nach diesem Schema: ....... AutorIn: "Titel", Verlag Erscheinungsjahr (das muss immer das laufende oder das vergangene Jahr sein!), Genre (maximal 2 Wörter). Zusätzlich könnt ihr in maximal 60 Zeichen (nicht Wörtern!) inklusive Leerzeichen weitere Infos zu eurem Buch unterbringen, zum Beispiel eine Homepage- Adresse. ....... Ein Beispiel (!): Johanna Ernst: "Der Fall der falschen Meldung", Hüstel Verlag 2009, Mystery-Thriller. Dann noch 60 Zeichen - und keins mehr! Inklusive Homepage! ....... Ausgeschlossen sind Veröffentlichungen in Anthologien, Bücher im Eigenverlag und BoDs (sofern sie im Eigenverlag erschienen sind) sowie Veröffentlichungen in Druckkostenzuschussverlagen. ACHTUNG! Schreibt in eure Mail mit der Meldung immer auch hinein, dass ihr bestätigt, dass die Veröffentlichung weder im Eigenverlag noch in einem Verlag erschienen ist, bei dem der Autor irgendetwas bezahlt hat! Als Bezahlung gilt auch, wenn er Bücher kostenpflichtig abnehmen muss, Lektorat bezahlt o. Ä. Schickt eure Texte unter dem Betreff "Hall of Fame" an redaktion at team pt autorenforum pt de. Wir berücksichtigen ausschließlich Meldungen, die nach dem obigen Schema gemacht werden und die Bestätigung zum Verlag enthalten. Änderungsaufforderungen zu Meldungen, bei denen das nicht der Fall ist, werden ab sofort nicht mehr verschickt! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Karl Plepelits: "Zwei Frauen in einem Haus. 4 Erotische Erzählungen", AAVAA Verlag 2012, erotische Liebesgeschichten. Vier vergnügliche Variationen zum Thema "Mann und Frau". Tobias Sommer: "Edens Garten", Septime Verlag 2012, Roman. Eden sucht den Maulwurf und gräbt sein Leben um. Stephanie Madea: "Night Sky 03 - Schicksal des Blutes", Sieben Verlag 2012, Paranormal Romance. Spannende Vampirliebesgeschichte. www.stephanie-madea.com Stephanie Madea: "A.M.O.R. 01 - Lyon", Sieben Verlag 2012, Paranormal Romance. Spannende Vampirliebesgeschichte. www.stephanie-madea.com Kerstin Lange: "Aufgetischt und abserviert", Cenarius Verlag 2012, Krimikochbuch. Mehr Infos: http://www.KerstinLange.com Jeanine Krock: "Feuerschwingen", Heyne 2012, Romantic Fantasy. Gefallene Engel lieben gefährlich! www.jeaninekrock.de Corinna Wieja: "Detective Invisible - Kommissar Unsichtbar", Langenscheidt 2012, deutsch-englischer Kinderkrimi. Leseprobe: http://www.corinnawieja.de/autorin/leseproben.html Barbara Kettl-Römer: "Was macht mein Kind im Netz? Der Social-Media- Ratgeber für Eltern", Linde International 2012. Was Eltern wissen müssen. www.kettl-roemer.de Gerd Zipper: "Der Tunnel", Prolibris Verlag 2012, Schwäbisch Gmünd- Krimi. http://www.prolibris-verlag.de/buch/der-tunnel ********************************************************************* SCHREIB-KICK: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) Unser Schreib-Kick für den Oktober, diesmal von Jennifer Schreiner: Wer weiß weiter? (Gruppenübung) 1. Schreib an den linken Rand eines leeren Blattes mit großen Abständen Themen auf, über die du schon immer schreiben wolltest, und reiche dann den Zettel weiter. 2. Schreib auf einen neuen Zettel alles auf, was dir zu den Themen einfällt (z. B. eine Person oder ein Zitat), und gib auch den weiter. Nach ca. 5 Minuten Denk- und Schreibzeit wird jeder Zettel weitergereicht, und zwar so lange, bis alle zu ihren Ausgangspunkten zurückgekommen sind. Was du mit den vielen Anregungen machst, entscheidest natürlich du selbst! ********************************************************************* LESETIPPS: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) http://www.andreaseschbach.de/schreiben/verlagssuche/verlagssuche.html Der Bestsellerautor Andreas Eschbach hat eine sehr interessante Studie zum Thema Verlagssuche in der heutigen Zeit durchgeführt. Zu welchen Ergebnissen er dabei kam, könnt ihr unter obigem Link lesen. +++++ http://www.youtube.com/watch?v=Rde3mtvVD0U&feature=share Im Interview mit buchreport.de beschreibt die Publizistin Cora Stephan die Buchbranche "Im Sog der Evolution", hinterfragt die Programm- und Preispolitik von Verlagen (anhand von Beispielen) und wünscht sich, dass sowohl Buchhändler als auch Verlage wieder zu Schatzsuchern werden. +++++ http://schreibkraftfmr.wordpress.com/2012/09/06/wahrscheinlich-ware- goethe-der-erste-mit-facebook-account-gewesen/ Der Autor Frank Maria Reifenberg spricht mit Stefan Wendel, freier Autorenberater (früher bei Thienemann), über Professionalisierung von AutorInnen, neue Anforderungen und die Frage, ob Qualität sich auszahlt. ********************************************************************* SCHREIBKURS: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) "Die Szenenplanung für einen Roman - Teil 2" von Jurenka Jurk Die Emotion der Figur Ein Detail, das gerne aus den Augen verloren wird, ist die Emotion der Figur. Klassischerweise hat dieser Punkt nichts in einer Szenenplanung verloren, doch meiner Erfahrung nach hat er einen Platz darin verdient. Betrachtet man einen Roman unter dem Aspekt des Konflikts, so muss die Figur im Prinzip ständig scheitern (sofern es sich um eine Geschichte mit positivem Ausgang handelt). Erst ganz zum Schluss wird die Figur oder werden die Figuren Erfolg haben und Ziel oder Bedürfnis erreichen. Dabei läuft der Autor der Geschichte Gefahr, die Figur ständig in einer Emotion steckenbleiben zu lassen. Zu Beginn der Szene war sie wütend, am Ende ist sie noch wütender, in der nächsten Szene ist sie zornig, dann wird sie vielleicht hysterisch und zornig. Das ermüdet den Leser schnell. Daher achte ich darauf, die Figur mit einem anderen Gefühl aus der Szene steigen zu lassen, als sie hineinging. Entweder markiere ich mir das mit + und -, bzw. +++ und - - - für positive und negative Emotionen, oder ich schreibe aus, um welche Empfindungen es sich handelt. Die Brücke Zuletzt entwickle ich die Brücke, den Übergang von einer zur nächsten Szene. Im Verhältnis zu den meist dialog- und handlungsreichen Szenen ist die Brücke eher ein passives Element, das beschreibt, wie es in der Hauptperson aussieht. Auch hier verwende ich den bewährten Dreier- Schritt. Nachdem die Figur ihr Ziel nicht zufriedenstellend erreicht hat, wird sich in ihr (1.) ein Gefühl breitmachen (das kann das Gefühl vom Ende der Szene sein, oder es hat sich nochmals gewandelt). Aus diesem Gefühl entstehen (2.) Gedanken (die Figur reflektiert vielleicht Teile des Geschehens). Am Ende wird sie jedenfalls (3.) einen Entschluss fassen, und dieser Entschluss ist die Grundlage für das Ziel in der nächsten Szene. Braucht es eine Szene? Zuletzt bleibt nur die Frage übrig, ob wirklich die Szene das richtige Mittel der Wahl ist. Ausschlaggebend für die Beantwortung ist, ob der Konflikt groß genug und damit spannend genug ist und ob er genügend mit der Hauptfrage zu tun hat, die den ganzen Roman trägt (z. B.: Bekommen sich die Liebenden?). Ist das nicht der Fall, hat man die Möglichkeit, eine narrative Zusammenfassung, auch summarische Erzählung genannt, zu verwenden. Nennen kann man diese kurze Szenenplanung übrigens ganz unterschiedlich. Bekannt ist sie auch als Szenenübersicht, - visitenkarte, -exposé oder -zusammenfassung. Die Szenenplanung - eine Übersicht - Wo? - Wann? Jahr, Tag, Zeit. - Wer? Wer spielt alles in der Szene mit, und wer ist die Haupt- / Perspektivfigur dieser Szene? - Was? Was muss / soll passieren, welche Informationen sollen gegeben werden? - Ziel der Hauptfigur? Wonach strebt die Figur, warum ist das wichtig für sie? - Hindernisse? Innere/Äußere und Steigerung des Konflikts in drei Schritten. - Ergebnis? Wird das Ziel erreicht? Ja, aber / Nein / Nein, und außerdem. Gewöhnlich nie: Ja. Hiermit endet sonst die Geschichte. - Emotionen der Hauptfigur? Anfangswert bei Beginn der Szene? Im Wendepunkt der Szene wandelt sich der Anfangswert in den Endwert, der häufig gegensätzlich ist. - Wie? Wie handelt die Figur, und wie soll die Szene erzählt werden, wie läuft sie ab? - Die Brücke: 1. Gefühl, 2. Gedanke, 3. Entschluss der Hauptfigur. Welches neue Ziel verfolgt die Figur als Nächstes? Fragen im Anschluss an die Szenenplanung: - Sind alle Szenen schlüssig und verbunden? - Ist der Bezug zur zentralen Frage des Romans erkennbar? - Sind manche Szenen überflüssig? - Passt das Tempo der Szene zum Geschichtstyp? Zum Schluss Eine solche Ausarbeitung, bei der alle Szenen eines Romans durchgeplant werden, ist viele Seiten lang. Es drängt sich die Frage auf: "Lohnt es sich, so viel Zeit und Mühe da hineinzustecken? Hätte ich nicht lieber gleich den Roman selbst schreiben sollen?" Das kann jeder Autor nur für sich beantworten. Mir hat diese Technik bei meinem ersten Roman jedenfalls sehr geholfen. Zum Schluss hatte ich um die 80 Normseiten reine Planung (inklusive Figurencharakterisierung und Arbeitsexposé), bevor ich die erste Zeile des Romans verfasste. Aber ohne diesen roten Faden hätte ich mich verloren gefühlt und den Roman wohl nie zu Ende gebracht. Mittlerweile brauche ich nicht mehr so starre Strukturen. Die meiste Planung findet bei mir im Kopf und nicht mehr auf dem Papier statt. Das gelingt mir persönlich aber nur deshalb so gut, weil ich es wenigstens ein Mal konsequent auf dem Papier durchgeführt habe. Aufschreiben kann man die Szenenübersicht natürlich in jede Textdatei. Nützlich können aber auch Karteikarten sein, die man anschließend auf einem Tisch hin- und herschieben kann. Einzelne Punkte können natürlich noch gestrichen oder ergänzt werden, ganz nach eigener Arbeitsweise. Am besten einfach ausprobieren, dann zeigt sich der Nutzen dieses "Fahrplans", und der Roman kann ohne Umwege entstehen! **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Jurenka Jurk hat Kreatives Schreiben an der IB-Hochschule Berlin studiert und gründete in Konstanz ihre Schreibschule Schreibfluss. Dort bietet sie verschiedene Kurse an, auch eine Ausbildung zum Romanautor. 2012 erschien ihr Roman "Verliebt bis in die Haarspitzen". http://www.schreibfluss.com ********************************************************************* SCHREIBKURS: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) "(Haupt-)Figur: Ich kenne dich! - Teil 1" von Christiane Franke Wer kennt das nicht: Eine Szene ist nicht rund, irgendetwas stimmt nicht, aber man weiß nicht, was. Das liegt ganz oft daran, dass der Autor seine Figuren nicht genau kennt. So kommt es zu hölzernen Dialogen, Handlungen, die in sich nicht stimmig sind, weil die Figuren, würde man sie fragen, so gar nicht handeln würden. Der Fehler liegt oft darin, dass wir unsere Personen zwar vom Äußeren her beschreiben können - 175 groß, schlank / dick / untersetzt, blonde lange Haare / gar keine Haare / kurzer Igelputz -, dass uns aber ihr Innenleben und vor allem ihre Vergangenheit fremd sind. Aber jede unserer Figuren plumpst nicht jungfräulich in unsere Geschichten, ihr Handeln basiert auf dem, was sie in ihrem bisherigen Leben erlebt hat! Daher ist es für uns als Autor wichtig, unsere Figuren so gut wie möglich zu kennen. Geburt und Kindheit Wann sind sie geboren? Nicht nur das Jahr, sondern auch Tag und Monat. Einem im Sternzeichen Löwe Geborenen werden ganz andere Grundzüge attestiert als einem Fisch, einer Waage oder einem Skorpion. Das ist ein Pfund, mit dem wir als Autor wuchern können. Welche Familiensituation herrschte zu Hause? Einzelkind? Ältestes? Mittleres von Dreien? Eines von Fünfen? Die Figur wird sich anders verhalten, je nachdem, ob sie ein verwöhntes Einzelkind oder eines von mehreren Geschwistern ist. Wie sah die Kindheit aus? Kindergarten: ja / nein? Schule: Haupt-, Realschule oder Gymnasium? Ist es ihr leicht gefallen, zu lernen? Oder musste sie sich schon immer anstrengen, um zu erreichen, was sie möchte? Ist sie ein Kämpfer? Ein Mitläufer oder eher derjenige, der immer Pech hat? Niemals zwei Figuren mit gleicher Kindheit anlegen! Unbedingt eine Kindheit anlegen, sonst bekommt jede Figur automatisch und unbeabsichtigt die des Autors. Hobbys Ist unsere Figur sportlich oder träge? Macht sie immer noch Sport, hat sie den in der Jugend betrieben, oder guckt sie nur gern bei Sportveranstaltungen zu? Live? Oder im Fernsehen? Ist sie kreativ? Malt gern? Tanzt? Singt im Chor? Wenn ja: Männergesangverein, Frauenchor, Kirchenchor? Spielt sie gern Karten? Rommé, Canasta, Bridge, Skat oder Doppelkopf? Welche Fernsehsendungen schaut sie gern? Serien mit Herz-Schmerz? Polizei- oder Krimiserien? Rosamunde-Pilcher-Filme, weil die Landschaft so schön ist und die Welt so heil? Stärke, Schwäche oder Tic Jede Figur hat etwas, das sie ganz besonders gut kann. Und etwas, das sie überhaupt nicht kann. So könnte A ein Zahlenmensch sein, der sich alle Telefonnummern nebst der zugehörigen Namen merkt, mit denen er in den letzten 20 Jahren zu tun hatte. Dafür verlegt A grundsätzlich seinen Autoschlüssel. Nicht den Haustür-, nein, nur den Autoschlüssel. Bei B hingegen beginnt jedes Mal sein rechtes Augenlid zu zucken, wenn er sich nicht wohl fühlt. Das führt schon dazu, dass seine Frau ihn in der letzten Zeit immer argwöhnischer betrachtet. B bügelt leidenschaftlich gern, dafür kann er keinen Nagel in die Wand schlagen; nicht einmal ein simples IKEA-Regal kann er zusammenbauen. Sprache Ein Teil der Hobbys der Figur wird in ihren Sprachgebrauch mit einfließen. So kann ein Kartenspieler im Gespräch durchaus mal fordern: "So, nun aber Karten auf den Tisch", oder ein Skat-Spieler sagt: "Hosen runter!", ein Sportler wird in Stresssituationen auch bitten: "die Dinge sportlich zu sehen", ein musikalischer Mensch könnte in einem Streit durchaus sagen: "Na hör mal, der Ton macht die Musik!" Die Sprache unserer Figuren setzt sich u. a. aus ihrer Sozialisation, ihren Hobbys und der Schulbildung zusammen. Wichtig dabei: Darauf achten, dass zwei Figuren nie dieselbe Art zu sprechen haben! Das ist gerade für Dialoge wichtig, so dass man erkennen kann: Diesen Satz kann nur Person A oder Person B gesagt haben. Oder die Art, etwas anzusprechen, kann nur von A oder B kommen. Ego und Verhalten Was ist die Figur für ein Mensch: ängstlich / zurückhaltend oder offen und frei? Ist sie mit ihrer Figur zufrieden, oder ärgert sie sich über die Schuhgröße? "43 für Frauen, da kriegt man ja kaum vernünftige High Heels!" Wie verhält sie sich im Restaurant? Ist sie forsch und schnell bei der Bestellung und für den Fall, dass ihr etwas nicht passt? Oder dauert es ewig, bis sie sich entscheidet? Isst sie immer das Gleiche, oder variiert sie gern? Besucht sie überwiegend das gleiche Restaurant, oder experimentiert sie gern? Fährt dazu vielleicht sogar in eine andere Stadt / einen anderen Ort? Lässt sie in Gesprächen andere zu Wort kommen, oder ist sie selbst zurückhaltend und hört lieber zu? [Weitere Fragen gibt es im zweiten Teil dieses Artikels im nächsten Tempest. - die Red.] **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Christiane Franke ist Autorin und Dozentin für Kreatives Schreiben. Sie war für den Deutschen Kurzkrimipreis "Tatort Eifel" nominiert und erhielt 2011 das Schreibstipendium "Tatort Töwerland". In ihren Romanen ermitteln die Kommissarinnen Oda Wagner und Christine Cordes an der Nordsee. Sie ist auch Herausgeberin von Anthologien und hat jede Menge Kurzkrimis geschrieben. www.christianefranke.de ********************************************************************* SPANNUNG, DER UNTERLEIB DER LITERATUR: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) Was macht Romane spannend, und vor allem: Was macht sie langweilig? Wer Szenen hat, die sie oder er für spannend hält, oder Szenen, bei denen er sich nicht sicher ist, oder solche, die eigentlich spannender gestaltet sein sollten, doch die Frage ist: Wie? - wer solche Szenen hat, kann sie mir schicken. Ich wähle dann einige aus, die ich im Tempest bespreche. Schickt die Szenen als E-Mail-Anhang im RTF-Format an:Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. Bitte nicht mehr als 7.000 Anschläge, also etwa vier Normseiten. Dazu zählt auch der Vorspann! Da die Szenen aus beliebigen Stellen eurer Manuskripte stammen dürfen, müsst ihr eventuell die Vorgeschichte der Szene erklären. Diese Erklärung sollte 400 Anschläge nicht überschreiten! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ "Das Licht im zweiten Stock" Text: anonym, Lektorat: Hans Peter Roentgen Vorgeschichte: Ein als Kriegsinvalide getarnter ehemaliger Frontsoldat (Fred) ist mit seinen Freunden Hans und Leni Teil einer Widerstandsgruppe. Mit Hans setzt er Flugblätter auf und verteilt sie nachts, in Frauenkleidern. Als ich am kommenden Donnerstag zu Hans ging, war es schon spätherbstlich und weitaus kälter als die Woche zuvor. Überall lag verdorrtes Laub, das unter meinen Füssen und den Krücken raschelte. Ich ging übrigens immer ohne die Krücken zu Hans hinauf, denn ich musste ja schnell sein und wollte nicht auf der Treppe angetroffen werden. Außerdem kannte mich in dieser Gegend ja sowieso niemand. Hier war ich nur ein anonymer Besucher, noch dazu ein höchst anständiger, weil ich ja beim Betreten des Hauses die Straßenschuhe auszog. Ich versteckte also die Krücken wie gewohnt hinter dem Bushäuschen, sah mich noch einmal um und wartete auf das Zeichen von Hans. Ich starrte auf die schwarze Wand am Ende des langgezogenen Gartens. Da war es! Zweimal an, zweimal aus. Erwartungsvoll näherte ich mich dem Haus. Ich hatte ungefähr die halbe Strecke zurückgelegt, als unerwartet ein Wagen mit quietschenden Reifen laut um die Ecke fuhr. Es war eine schwarze Limousine, die nun etwas langsamer die Straße herunterkam. Instinktiv drehte ich mich um und ging wieder vom Haus weg. Ich war schon im Dunkel des Bushäuschens verschwunden, als der Wagen vor dem Haus von Hans anhielt. Aber seltsamerweise stieg niemand aus. Ein, zwei Minuten vergingen - nichts! Ich stellte mir vor, wie Hans oben auf mich wartete, und dachte daran, loszugehen. Da wurden plötzlich die Autotüren aufgestoßen und zwei Männer in schwarzen Mänteln sprangen heraus. Ich duckte mich, doch die Männer gingen zu Hans Haus. Ein dritter Mann stieg aus und blieb beim Wagen. Ich hörte ein kurzes metallisches Klicken, dann zog Rauch zu mir herüber. Offenbar hatte sich der Mann eine Zigarette angezündet. Ich machte mir keine Illusionen. Die beiden Männer würden nicht ohne Hans aus dieser Tür dort kommen, und obwohl ich das wusste, konnte ich nicht weggehen. Ich hätte mich sofort aufmachen, mich in die Sicherheit meiner Wohnung flüchten müssen. Es war verrückt, hier zu bleiben. Was hätte ich denn tun wollen? Hätte ich mich auf die zwei Männer stürzen, "Lauf, Hans!" schreien und mich vom dritten Mann niederschießen lassen sollen? Während ich an diese Möglichkeit dachte, kamen die Männer, meinen besten Freund vor sich her schiebend, aus dem Haus. Hans schien für einen Moment lang in meine Richtung zu blicken. Jetzt hätte ich losrennen müssen, aber ich zögerte. Zwei Sekunden später war er im Wageninnern verschwunden, die Türen wurden zugeknallt und die schwarze Limousine brauste davon. Ich weiß nicht mehr genau, was dann geschah. Ich versank in eine Art Koma. Ich konnte nichts mehr denken, nichts mehr entscheiden. Irgendwie muss ich in dieser Nacht nach Hause gekommen sein. Auch an die darauf folgende Woche kann ich mich kaum erinnern. Ich weiß beim besten Willen nicht mehr, was ich in diesen Tagen gedacht oder gemacht habe. Doch! An etwas erinnere ich mich: an ein Gefühl abgrundtiefer Scham, so wie damals, als ich mir im Schulgottesdienst in die Hosen gemacht hatte, weil ich nicht mitten in der Predigt aufstehen und hinausgehen wollte. Irgendwann war wieder Samstagabend, und ich ging auf meinen Krücken in den Garten hinunter, um Leni zu treffen. "Sie haben Hans verhaftet!", flüsterte sie mir, völlig aufgeregt, als Erstes zu. Ich spürte, dass sie mich im Dunkeln ansah und auf meine Reaktion wartete. "Ich weiß, ich habe es schon gehört", log ich - unfähig ihr zu sagen, dass ich ja dabei gewesen war, alles mit eigenen Augen gesehen und eigenen Ohren gehört hatte. Ich nahm sie in die Arme, und sie ließ es geschehen. Es schien auch das einzig Richtige in dieser Situation. "Fred, was ist, wenn sie dich auch erwischen?", stieß sie schluchzend hervor. "Keiner hat mich je bei Hans gesehen", entgegnete ich, um sie zu beruhigen. Ach, hätte ich Leni doch unter anderen Umständen kennengelernt! So hatte ich immer nur Angst um sie und sie Angst um mich, und das war im Grunde völlig verkehrt. Wir konnten uns keine Angst, keine Fehler und keine Sentimentalitäten leisten. "Ich werde anstelle von Hans weitermachen", sagte ich in die Stille hinein. "Aber die Druckerei haben sie doch auch ausgehoben!", erwiderte Leni und sagte mir damit etwas, das ich noch nicht wusste. Ich meinem Kopf drehten sich nun alle Zahnräder, arbeitete mein Gehirn auf Hochtouren. Ich suchte das, was ich eben gehört hatte, in seiner ganzen Tragweite zu begreifen. "Ich werde die Zettel eben von Hand schreiben", sagte ich nach einer Weile, im Grunde selbst wenig überzeugt von dieser Möglichkeit, aber irgendetwas musste ich doch tun! "Vielleicht sollten wir einfach aufhören", meinte Leni leise, es klang aber genauso wenig überzeugend. "Lass mich noch eine Weile darüber nachdenken", sagte ich schließlich. "Wir treffen uns wieder in einer Woche und besprechen dann alles, ja?" "Ja, Fred", sagte Leni, drückte fest meine Hand, und ließ mich ohne weiteren Abschied im Dunkeln zurück. Noch in derselben Nacht setzte ich ein Flugblatt auf. Es war hitziger, lauter, verzweifelter, prophetischer und apokalyptischer als alle Flugblätter, die wir bis dato geschrieben hatten. Natürlich spielte da meine ganz persönliche Verzweiflung, meine Resignation und mein Zorn, und das stetige Schwanken zwischen diesen beiden Polen eine Rolle. Nein, an Aufgabe war nicht zu denken, wir mussten weiterkämpfen, bis zu unserem eigenen Untergang, wenn es sein musste. In diesen Endzeit- Parolen fühlte ich zum ersten Mal eine Art innere Übereinstimmung mit den Ideen unserer Volksvisionäre, ein Umstand, der mir völlig absurd erschien, und der mich das erste geschriebene Flugblatt sogleich zerreißen ließ. Aber auch der zweite Entwurf ging in dieselbe Richtung, es kam immer wieder das Gleiche heraus. Nein, es ging ums nackte Überleben, jede Schönung schien verfehlt. Es war Aug um Auge, Zahn um Zahn, Hans um Hans, und Fred um Fred. Am Sonntag begann ich mit der Reinschrift meines Textes (schlussendlich entschied ich mich für die erste "apokalyptische" Version) und fand die Arbeit sehr mühsam. Ich musste ja meine persönliche Handschrift so gut es ging verstecken und in einer Art steifer Druckschrift, die ich mithilfe eines Lineals so gerade wie möglich hielt, mehrere Blätter füllen. Wenn ich mich verschrieb, musste das ganze Blatt neu gemacht werden, denn Radieren ging nicht, und ein verpatztes apokalyptisches Pamphlet war wohl das Allerletzte. Irgendwann kam mir die Idee: Ich hatte als Bub zum Schreibenlernen so eine Art Holzschablone, wo man die Buchstaben nachfahren konnte, besessen. Ja genau, so etwas brauchte ich, das würde mir unendlich viel Zeit sparen! Aber woher nehmen? Ich konnte nicht gut in die Stadt fahren und eine Schablone zum Plakatmalen verlangen. Das war zu riskant. Da fiel mir der Schuppen im Garten und die vielen Holzteile und - leisten, die darin herumlagen, ein. Der Schuppen war ja früher von Frau Fesslers Mann für Tischlerarbeiten verwendet worden. Sie hatte seine Sachen, wohl aus Sentimentalität, nie weggeworfen, ging aber auch niemals hinein. Ich wollte sie fragen, ob ich vielleicht ein kleines Stück Holz zum Basteln haben könnte. Das würde sie bestimmt nicht ablehnen, überhaupt wenn ich ihr dafür ein Glas Marmelade brachte. Ja, so könnte es gehen ... Drei Tage später hatte ich mir - in Tischlerdingen völlig unerfahren - unter größten Mühen eine passable Holzschablone zugeschnitten und ausgefeilt. Und diese angestrengte Tätigkeit hatte mir auch meine Energie und meine Entschlossenheit zurückgegeben. Endlich tat ich wieder etwas, hatte eine Aufgabe vor mir und konnte Leni am Samstag etwas Positives berichten. Am Donnerstag hatte ich bereits einen Stapel Flugblätter fertig, weitaus weniger als die von der Druckerei, aber es war ein Anfang. Als ich am Nachmittag in den Schuppen hinunter humpelte, um dort ein wenig aufzuräumen, hatte ich die Idee, noch ein kleines Stück für mich privat - sozusagen zur Tarnung - anzufertigen. Ich machte ein kleines, leicht geschwungenes Holzherz, polierte es und lackierte es in einem hellen, abgedämpften Rot. Ich wollte es Leni schenken, nicht diesen Samstag, aber vielleicht ein andermal ... Als ich Leni im Samstag von der Schablone und den Flugblättern erzählte, schien sie sich mit mir zu freuen, obwohl sie immer wieder davon anfing, wie gefährlich das war und ob es nicht doch noch eine andere Möglichkeit gäbe? "Schau Leni, ich bin der Einzige, der das jetzt machen kann, das siehst du doch ein, oder?" Sie gab mir recht und ließ sich von meinem Enthusiasmus anstecken. Wahrscheinlich hatte sie sich die ganze Woche Sorgen um mich gemacht und gedacht, ich würde mich aus dem Fenster stürzen oder mich vor eine Tram werfen. Ja, sie schien erleichtert darüber, dass es mir wieder besser ging, und das freute mich sehr. So sehr, dass ich ihr beim Abschied das rote Herz in die Hand drückte, glücklich darüber, dass sie im Dunkeln nicht die Röte, die ich plötzlich auf meinen Wangen fühlte, sehen konnte. Sie fragte: "Was ist das?" "Schau es dir daheim an", sagte ich, "ich habe es selbst gemacht ..." ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Lektorat von Hans Peter Roentgen Eine Geschichte, die an das dritte Reich und die Geschwister Scholl erinnert. Das muss nicht schlecht sein. Aber man muss die Bedingungen dieser Zeit und die Folgen für die Protagonisten kennen und den Leser nachempfinden lassen. Stellen Sie sich vor, Sie leben in einer Gesellschaft mit Geheimpolizei, Sie arbeiten in einer Widerstandsgruppe und dann wird einer aus dieser Gruppe verhaftet. Wie reagieren Sie? Was für Gefühle beherrschen Sie? Natürlich Sorge um den verhafteten Freund, Scham, weil Sie bei der Verhaftung passiv waren. Vor allem aber Angst: Wird der Freund im Verhör zusammenbrechen, wenn die Polizei ihn foltert? Doch vom Letzteren findet sich nichts im Text. Auch die anderen Gefühle werden behauptet, nicht gezeigt. Den Leser das Geschehen miterleben lassen Zunächst eine Woche, in der der Ich-Erzähler wie im Koma lebt. Sich an nichts mehr erinnert. Klingt das glaubwürdig? Eher nicht, denn eigentlich müsste er sich jetzt um die eigene Sicherheit und um die von Lena sorgen. In Gefahrensituationen kommt das Koma erfahrungsgemäß erst hinterher. Wenn die Gefahr vorbei ist. Aber selbst wenn er nach der Verhaftung eine Woche im Koma verbringt, selbst dann möchte der Leser das erleben. Die Behauptung: "Ich versank in eine Art Koma. Ich konnte nichts mehr denken, nichts mehr entscheiden. Irgendwie muss ich in dieser Nacht nach Hause gekommen sein. Auch an die darauf folgende Woche kann ich mich kaum erinnern. Ich weiß beim besten Willen nicht mehr, was ich in diesen Tagen gedacht oder gemacht habe" bleibt eine Behauptung. Sie lässt den Leser diese Starre nicht erleben. Und er gewinnt den Eindruck, dass diese Starre vom Autor behauptet wird, weil er nicht weiter weiß, weil ihm die Vorstellung fehlt. Vergleichen Sie damit die Szene der Verhaftung. Der Mann, der neben dem Fahrzeug steht und raucht, hier erleben wir die Szene, das wird so geschildert, dass beim Leser das Kopfkino in Gang gesetzt wird. Was also tun, wenn man Starre schildern will? Vielleicht so: .......... Ich blieb am nächsten Morgen einfach im Bett liegen, mir war es egal, was meine Wirtin dachte und was der Postbote, dem ich nicht öffnete. Irgendwann würden sie kommen, mich festnehmen und, wenn ich nicht öffnete, die Tür eintreten. Ich hatte es verdient. Ich hatte nicht eingegriffen, als sie Hans verhafteten. Hatte nur überlegt, und dann war es zu spät gewesen, ich war und blieb ein Zauderer. Ich konnte nichts erreichen, weil Zauderer nie etwas erreichen. .......... Natürlich ist das ein Kunstgriff. Denn in diesem Text erinnert sich der Ich-Erzähler sehr gut an die Zeit, zumindest kann er sagen, wie er sie verbracht hat und warum er so passiv war. Aber solche Kunstgriffe brauchen Sie. Der Leser will die dramatischen Momente miterleben, selbst wenn das Drama im passiven, entsetzten Nichtstun besteht. Konkret statt abstrakt Dann kommt Lena ins Spiel. In sie ist Fred verliebt, aber die Umstände erlauben es ihnen nicht, zueinander zu finden. Gute Idee. Doch auch dieser Dialog bleibt blass. Einmal, weil die Bedrohung, was mit Hans bei der Polizei geschieht, was das für Folgen hat, wenn er zusammenbricht, völlig außen vor bleibt. Diese abstrakte Schilderung setzt sich beim Flugblatt fort. Das Schneiden der Schablone dürfen wir miterleben, dass Flugblatt selbst nicht. Das sei "apokalyptisch", teilt uns der Autor mit. Aber wie sieht apokalyptisch aus? Was steht im Text? Wie soll er die Menschen aufrütteln? Wir erfahren es nicht. Dabei muss gar nicht mal das ganze Flugblatt im Text auftauchen. Ein kurzes Beispiel würde genügen. .......... Ich legte meine Wut über den Krieg, über die Verkrüppelten und die Toten in den Text, über die Mütter, die die Hitlerbilder auf den Misthaufen warfen, wenn sie erfuhren, dass ihr Sohn gefallen war, nur um sie am Morgen wieder an die Wand zu hängen, weil sie Angst vor der Polizei hatten. .......... Aber vielleicht spielt die Szene gar nicht im Dritten Reich? Wo dann? Was schreibt Fred in seinen Text? Dass wir der Szene gar nicht entnehmen können, in welchem diktatorischem System sie spielt, zeigt, wie abstrakt das Ganze geschildert wird. So anschaulich, wie der rauchende dritte Mann bei der Verhaftung neben dem Auto steht, so anschaulich sollte auch der Rest des Textes sein. Wir müssen dabei sein. Wir müssen das als Leser erleben. Nur dann wird die Szene ihr Potential ausspielen können. **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Hans Peter Roentgen ist Autor der Bücher "Vier Seiten für ein Halleluja" über Romananfänge und "Drei Seiten für ein Exposé". Außerdem hält er Schreibkurse und lektoriert. Und vor kurzem ist sein Krimi "Der Plotter" bei Conte erschienen. ********************************************************************* BUCHBESPRECHUNG: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) "Kurzprosa schreiben" besprochen von Gabi Neumayer Die wenigsten AutorInnen beginnen ihre Schreibversuche mit einem Roman. Die meisten wenden sich zuerst einmal kurzen Textformen zu. Und davon gibt es eine Menge: Anekdote und Aphorismus, Fabel und Groteske, Kalendergeschichte und Parabel ... Die Journalistin, Redakteurin und Schreibgruppenleiterin Eleonore Wittke beschäftigt sich in ihrem Ratgeber mit genau diesen kleinen Formen. Sie stellt jede von ihnen vor, benennt ihre Besonderheiten und illustriert sie mit Textbeispielen aus ihren Schreibwerkstätten - und auch aus der Literaturgeschichte. Denn auch wenn Kurzprosa gerade für SchreibanfängerInnen ein geeignetes Feld bietet, um viele verschiedene Dinge auszuprobieren, so ist sie doch keineswegs AnfängerInnen vorbehalten: Von Äsop bis Brecht, von Hebbel bis Schiller reichen die Belege in diesem Buch. Ein großer Teil des Buches ist der Vorstellung der verschiedenen Kurzformen gewidmet. Darüber hinaus gibt es Tipps und Techniken zur Themenfindung, zu den Voraussetzungen und Zutaten fiktionalen Schreibens (hier nicht ganz passend "guter Stil" genannt) und zum Schreibprozess selbst. Wer sich speziell für die ganz kurzen Prosaformen interessiert (die Kurzgeschichte kommt schon nicht mehr vor, da sie deutlich länger ist als die vorgestellten Formen), findet hier genug Anregungen, Tipps und Beispiele, um sich in jeder der Formen auszuprobieren. Die theoretischen Beschreibungen lesen sich manchmal etwas zu allgemein, aber das wird durch die vielen Beispiele wieder ausgeglichen. Eleonore Wittke: "Kurzprosa schreiben. Praktische Einführung", 2010, 144 Seiten, 14,90 Euro, Sieben Verlag ********************************************************************* INTERVIEW: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) "Solange das Kribbeln noch da ist, ist alles gut" Interview mit Kathrin Lange Kathrin Lange ist unsere neue Expertin, und zwar fürs "Plotten". Sie hat einige Jahre lang die Autorenzeitschrift "Federwelt" herausgegeben und veröffentlicht seit 2005 historische Romane und Jugendbücher. Der Jugendthriller "Schattenflügel" ist ihr dreizehntes veröffentlichtes Buch. Aktuell schreibt sie an einem Thriller für Erwachsene. Ursula Schmid-Spreer: Zu Beginn gleich die Standardfrage: Wie kamst du zum Schreiben? Gab es eine "Initialzündung"? Kathrin Lange: Eigentlich nicht direkt. Ich habe angefangen zu schreiben, als ich ungefähr 14 Jahre alt war. Damals erst einmal für mich selbst und heimlich, weil es mir peinlich war. Meiner Umgebung habe ich erzählt, ich schriebe Tagebuch, bis meine Großmutter schlau und ziemlich listig meinte, sie könne sich einfach nicht vorstellen, dass ich so viel erlebt habe, dass es für Stunden am Schreibtisch reicht. Na ja, da musste ich mich dann outen. USS: Was unsere Leser immer interessiert. Wie hast du einen Verlag gefunden? Und wie lange dauerte die Suche? KL: Bücher zu veröffentlichen war in den ersten Jahren natürlich nicht das Ziel. Das kam erst später. Viel später sogar. Ich habe nach dem Abitur eine Lehre zur Verlagsbuchhändlerin begonnen, weil ich in die Branche wollte. "Etwas mit Büchern machen", das war meine Motivation. Und dann kam irgendwann der Wunsch, meine Texte auch zu veröffentlichen - hauptsächlich durch Anregung von Freunden, die meinten, ich solle es doch mal versuchen. Ziel war es, bis zum dreißigsten Geburtstag den ersten Roman auf dem Markt zu haben - was nicht geklappt hat. Fünfunddreißig war ich, was jetzt auch endlich deine Frage beantwortet. Bei mir hat die Suche nach einem Verlag Jahre gedauert, inklusive der üblichen Tour durch die Ablehnungsmühle, einem Reinfall mit einer Agentur und allem, was so dazugehört. USS: Was hat dich bewogen, "The Tempest" als Expertin zur Verfügung zu stehen? (Darüber freuen wir uns natürlich sehr!) KL: Vor einigen Jahren habe ich begonnen, das Schreiben zu unterrichten - zuerst an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel, inzwischen auch in anderen Institutionen wie z. B. dem Literaturhotel Franzosenhohl in Iserlohn. Ich habe schon immer gern das weitergegeben, was ich selbst kann. Und da war der Schritt, Tempest-Expertin zu werden, ja nicht so groß. USS: Was bedeutet dir das Schreiben? KL: Ich bezeichne es immer als eines meiner beiden Beine, auf denen ich stehe. Schneide es mir ab, und ich falle. Das andere Bein ist natürlich meine Familie. USS: Du hast gut zwei Jahre die Federwelt geführt, die du von Titus Müller übernommen hattest. Das war bestimmt sehr viel Arbeit. Wie bist du an die Beiträge gekommen? Und was war letztendlich der Auslöser dafür, die Federwelt an Sandra Uschtrin abzugeben? KL: Die "Federwelt"-Jahre waren die anstrengendsten meines Lebens, glaube ich. Es ist wirklich viel Arbeit, eine solche Zeitschrift am Laufen zu halten, Beiträge zu suchen, selbst zu schreiben, teilweise. Ich hatte allerdings ein gutes Netzwerk, das mir immer geholfen hat, an Artikel zu kommen. Parallel dazu habe ich ja noch gearbeitet, hatte zwei Kinder und musste irgendwie meine eigenen Romane schreiben. Die waren dann letztlich der Grund, warum ich die "Federwelt" an Sandra Uschtrin weitergereicht habe. Ich erinnere mich, dass Sandra Uschtrin genau an dem Tag bei mir war, um den gesamten Verlag mit einem Umzugswagen nach München zu holen, als ich das erste druckfrische Exemplar von "Jägerin der Zeit" aus dem Briefkasten gezogen habe. USS: Glaubst du, dass man heute ohne Agent überhaupt noch eine Chance hat, in einem Verlag unterzukommen? KL: Klar! Es gibt natürlich Autoren, die ohne Agent arbeiten. Das muss man allerdings können. Man muss in der Lage sein, sich hinzustellen und seine eigenen Werke offensiv zu vertreten. Für mich wäre das nichts, abgesehen davon, dass ein Agent sich ja auch um so unangenehme, aber leider wichtige Dinge wie Zahlen und Abrechnungen kümmert. USS: Übst du deinen "Brotberuf" Verlagskauffrau noch aus? War das ausschlaggebend, dich mit dem Genre historischer Roman zu befassen und dementsprechend auch ein Buch zu schreiben? KL: Zur ersten Frage: Nein. Dazu hätte ich heute überhaupt keine Zeit mehr. Das Schreiben und das Unterrichten füllen mich zeitlich zu sehr aus. Was ich allerdings tue, und zwar mit sehr viel Freude, ist, für den Dryas-Verlag als Herausgeberin einer Reihe historischer Romane, der "Grünen Fee", zu arbeiten. Dabei mache ich schon einmal auch Lektoratsarbeit, also, wenn ich es genau überlege, dann ist das eigentlich teilweise doch der Beruf der Verlagskauffrau. Das wird mir gerade so bewusst. USS: Du hast auch einmal einen Ausflug in das Jugendbuch gemacht. Gibt es mehr davon? KL: Das Jugendbuch-Genre ist eines meiner Standbeine. Neben historischen Romanen bei der Fischer Schatzinsel habe ich ja aktuell einen Jugendthriller bei Arena auf dem Markt. In dieser Richtung entsteht gerade eine sehr gute, fruchtbare Zusammenarbeit. Da wird also in der nächsten Zeit noch einiges von mir kommen. USS: Wie viel Zeit nimmt das Schreiben bei dir ein? Du hast ja auch noch eine Familie und einen Hund! Wie bringst du das alles unter einen Hut? KL: Das werde ich oft gefragt. Heute ist es ja nicht mehr ganz so heftig wie früher, aber es ist, leider muss ich das sagen, auch wenn es blöd klingt, eine Frage der Selbstorganisation und auch der Disziplin. Ich habe da einige Methoden entwickelt, speziell was das Schreiben von langen Texten angeht, die es einfacher machen. Das ist übrigens eines der Themen, die ich über den Tempest gern weiterreichen möchte. USS: Wie kamst du dann auf die Idee, Krimi und Historisches miteinander zu verbinden? KL: Die "Seraphim"-Reihe, die im Aufbau-Verlag erscheint und von der in diesem Oktober der dritte Band auf den Markt kommt, sind historische Krimis, eigentlich mehr historische Thriller. Das Crossover kam zustande, weil ich selbst gern Krimis und Thriller lese und meine historischen Romane nach und nach immer mehr in Richtung Thriller tendierten. Aber der Auslöser war tatsächlich ein Besuch in Nürnberg, bei dem mein Mann und ich die Felsengänge unter der Stadt besichtigt haben. Na, und aus dem faszinierten "Daraus müsstest du unbedingt mal ein Buch machen!" meines Mannes ist dann die Idee für die Reihe entstanden. USS: Was bedeuten Wörter für dich? Hat sich deine Einstellung zum Schreiben im Laufe der Zeit verändert? KL: Hm. Darüber muss ich erst einmal einen Moment nachdenken. Eigentlich waren Wörter für mich immer klarer, verständlicher als Zahlen. Schon als Kind habe ich gern Geschichten erzählt. Insofern ist Sprache und das Arbeiten damit für mich nur die logische Konsequenz aus meiner Vorliebe. Meine Einstellung zum Schreiben hat sich - glücklicherweise kann ich sagen - bisher nicht geändert, auch wenn es natürlich etwas anderes ist, professionell zu schreiben, sprich, seine Brötchen damit zu verdienen. Der Druck ist höher. Aber damit kann ich zum Glück ganz gut umgehen. Und solange das Kribbeln immer noch da ist, wenn ich einen neuen Roman anfange, ist alles gut. USS: Mittlerweile gibst du ja auch viele Kurse, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. Lernst du eigentlich auch etwas dabei, wenn du diese Kurse gibst? KL: Jedes Mal! Manchmal sind es handwerkliche Dinge, die mir plötzlich bewusst werden, und manchmal habe ich auch richtige Aha-Erlebnisse. Das bezieht sich allerdings nicht immer nur auf Schreibtechniken oder Literaturwissenschaftliches, sondern ganz oft auch auf Zwischenmenschliches. Ich glaube, dass dies einen wesentlichen Teil meiner Faszination fürs Unterrichten ausmacht. USS: Was machst du, wenn du merkst, der Kurs entgleitet dir, da sind Leute dabei, die sind nur auf Konfrontation aus? KL: Das kommt zum Glück sehr selten vor, aber wenn es mal geschieht, habe ich eine Art Spezialwaffe. Freundlichkeit. Dann regelt sich das nämlich oft von selbst, weil die Leute merken, dass sie mit Gemoser bei mir nicht das erreichen, was sie wollen, nämlich dass ich ihre schlechte Laune übernehme. Übrigens habe ich die Erfahrung gemacht, dass Leute, die in Seminaren auf Konfrontation gebürstet sind, oftmals schon ziemlich viele Demütigungen in Hinsicht auf ihr eigenes Schreiben erlebt haben. Wenn die spüren, dass sie bei mir mit Ihrem Schreiben und ihrem Text ohne Wenn und Aber ernst genommen werden, dann entspannen sich viele. Anders sieht es aus, wenn Leute in meine Seminare kommen, die einfach nur beweihräuchert werden wollen. Das gibt schon mal Stress, denn wenn ich einen Text für schlecht halte, dann sage ich das auch. Lob muss man sich bei mir erarbeiten, das hat einmal eine Teilnehmerin als Begründung dafür angegeben, warum sie mich für eine Auszeichnung als Fernlehrerin vorgeschlagen hat. Und genau so ist es. USS: Was machst du noch alles neben Workshops und dem Schreiben von Büchern? Lesungen? KL: Lesungen sind bei mir ein kleinerer Teil des Broterwerbs. Ich bin für den Bödeckerkreis ab und an in Schulen unterwegs. Dann gebe ich eine wöchentliche Schreib-AG an der Schule meiner Kinder, hauptsächlich, weil es mir Spaß macht, so junge Menschen zum Schreiben anzuleiten. Nun ja, und zusätzlich bin ich als Romancoach unterwegs, den man engagieren kann, wenn es mit dem eigenen Stoff nicht so recht klappen will. USS: Gehörst du Organisationen an? Zum Beispiel dem Schriftstellerverband, den Freien Autoren oder ...? Bringst du dich ein? KL: Ich bin Mitglied beim Autorenverband "Quo Vadis" für den ich in den letzten Jahren ziemlich viel gearbeitet habe, u. a. als Vorsitzende und aktuell als Organisatorin des Sir-Walter-Scott-Preises für den besten deutschsprachigen Roman. Dann bin ich auch noch eine "Mörderische Schwester", wobei ich hier nicht ganz so viel Zeit habe, mich einzubringen, wie ich gern möchte. USS: Bringt das etwas, wenn man sich so einer Vereinigung anschließt? KL: "Quo Vadis" hat mir zu Anfang meiner Karriere eine Menge geholfen und die "Mörderischen Schwestern" aktuell ebenfalls, z. B. in Hinsicht auf Recherchen. Ich bin eine Networkerin, und würde jedem, der Bücher veröffentlichen will, raten, es ebenso zu halten. Mit dem richtigen Netzwerk ist es schlicht und ergreifend einfacher, sich in dieser hart umkämpften Branche zu behaupten. USS: Wenn du an einem Roman arbeitest, entwickelst du ihn, indem du dir vorher ein Konzept erstellst? Wie ist die Vorbereitung? KL: O je. Darüber könnte ich jetzt hier ein ganzes Buch schreiben. Ich versuche, es in ein paar Sätze zu packen. Meine Romane entstehen meist aus einer Szenenidee. Das bedeutet, ich habe eine sehr konkrete Szene vor Augen, wie z. B. die im "Seraphim", dass eine Leiche gefunden wird, die mittels Schwanenflügeln in einen Engel verwandelt worden ist. Diese Szene skizziere ich so genau wie möglich. Und dann fange ich an zu recherchieren, überlege mir Szenen, die davor stehen könnten und zu "meiner" Szene hinführen. "Nach vorne plotten" nenne ich das. Wenn das getan ist, folgt das "Nach-hinten-Plotten", indem ich Szenen ausarbeite, die "meiner" folgen. Irgendwann einmal, das ist der Plan, werde ich einen Ratgeber über diese Methode schreiben. Den Arbeitstitel habe ich schon: "Plotten für Chaoten." USS: Woher nimmst du deine Ideen? Liest du viel historische Romane? KL: Ich schaue mir natürlich die meisten historischen Romane an, aber wirklich lesen tue ich davon, ganz ehrlich gesagt, nur wenige, denn es ist ganz seltsam: Es blockiert mich. Wenn ich an einem historischen Roman schreibe, lese ich lieber Thriller oder Phantastisches. Meine Ideen kommen eher "aus dem Leben", z. B. weil ich, wie in Nürnberg, ein interessantes Setting entdecke. Eine interessante Inschrift an einem Haus kann da schon ausreichen, oder aber ich stoße in den diversen Fachzeitschriften, die ich abonniert habe, auf ein Thema, das mich fasziniert. USS: Was liebst du an deinen Figuren, wenn du sie entwickelt hast? KL: Ich mag es, wenn sie vielschichtig daherkommen, kleine Brüche haben, wie eben echte Menschen. Wenn ich Figuren entwickele, nähere ich mich ihnen meist über ihre Backstory. Daraus entwickelt sich dann teilweise sogar der Plot. USS: Was macht dir mehr Spaß? Das Recherchieren an den Orten, das Charakterisieren der Figuren, einen Plot entwickeln? KL: Das ist ungefähr gleichwertig. Für alles gibt es seine Zeit, würde ich sagen. Den größten Flow allerdings habe ich beim reinen Schreiben, nachdem der Plot ausgearbeitet ist und ich die Szenen "runterschreibe". Ich überarbeite erst im nächsten Zug, so dass ich beim reinen Schreiben in meine Welt völlig eintauchen kann. USS: Liest du gerne? Hast du viele Bücher über das "Schreiben" gelesen, bevor du selbst mit dem Schreiben begonnen hast? KL: Ich lese sehr gerne. Meine Kinder bezeichnen mich als Buch-Nerd, und das bin ich wohl auch. Allerdings habe ich, bevor ich mit dem Schreiben begann, keinen einzigen Ratgeber gelesen. Macht das überhaupt jemand? Man beginnt doch aus einem inneren Antrieb heraus zu schreiben, denke ich. Und erst später, wenn man merkt, dass es so was wie Handwerk gibt, fängt man an, sich für Ratgeber (oder Seminare) zu interessieren. Mein Ratgeber-Regal ist überaus umfangreich, allerdings schaffe ich inzwischen neue Ratgeber hauptsächlich deswegen an, weil ich wissen will, ob ich sie meinen Studenten empfehlen kann. USS: Welches Buch liegt auf deinem Nachtkästchen? Und hast du ein Lieblingsbuch? KL: Aktuell liegt auf meinem Nachtkästchen "Mystic River" von Dennis Lehane, den ich für seine Sprache sehr schätze und dem ich versuche nachzueifern. Mein absolutes Lieblingsbuch ist "Die geheime Geschichte" von Donna Tartt und - fast gleichwertig - "Die Frau des Zeitreisenden" von Audrey Niffenegger. USS: Als du dein erstes Buch veröffentlicht hast, hast du dich da selber unter Druck gesetzt, um gleich ein Nachfolgeprojekt zu etablieren? Oder wollte der Verlag gleich ein zweites Buch haben? KL: Da war ich recht strategisch. Weil ich (Stichwort Netzwerk!) von etablierten Kollegen wusste, wie schwierig das zweite Buch wird, wenn man mit dem ersten bereits auf dem Markt ist und auch kritisiert wird, hatte ich "Das achte Astrolabium" bereits zu achtzig Prozent fertig, als "Jägerin der Zeit" erschien. In dieser Hinsicht konnte ich dann ganz entspannt sein. USS: Was meinst du - hat Druck auch positive Seiten? KL: Kommt darauf an, wie man tickt. Ich weiß, dass es Leute gibt, die ohne den Druck eines näherrückenden Abgabetermins nicht fertig werden. Ich kenne aber genauso viele Leute, die unter Druck blockieren und gar nichts fertig bekommen. Das muss man, glaube ich, für sich selbst herausfinden. Mir macht Druck nicht so viel aus - in Hinsicht auf das Schreiben, meine ich. Aber frag mal meine Familie: Wenn ich Abgabetermindruck habe, werde ich ziemlich unleidlich, behauptet man. USS: Wie gehst du mit Kritik um? KL: Das kommt darauf an, wie man Kritik versteht. Ich habe drei Testleser, die meine Manuskripte bekommen, bevor sie ins Lektorat gehen: mein Mann, der Vielleser ist, und zwei Freundinnen, die ebenfalls schreiben. Deren Kritik ist mir wichtig. Wenn ihnen etwas nicht gefällt, dann schreibe ich um und ändere. Wenn du mit Kritik allerdings die am gedruckten Buch meinst, also Rezensionen, dann sieht es anders aus. Ich versuche, mich von negativer Kritik nicht zu sehr beeindrucken zu lassen (was manchmal schwierig ist, besonders wenn sie unsachlich daherkommt). Über positive Rezensionen freue ich mich natürlich, aber auch da versuche ich, auf dem Teppich zu bleiben und mir zu sagen, dass es letztendlich immer nur eine Meinung ist. Das hilft in beide Richtungen. USS: Wie sehen deine Zukunftspläne aus? Hast du schon Ideen für neue Bücher, für neue Projekte? Möchtest du mehr in das Coaching gehen bzw. mehr Seminare geben? KL: Aktuell habe ich gut zu tun. Es sind zwei Projekte unter Vertrag, eines bei Blanvalet, eines bei Arena. Der Aufbau-Verlag möchte weiter historische Romane mit mir machen, und hier gibt es einige spannende Ideen zu neuen Themen. Ferner denke ich an einer Jugendbuch-Idee herum, von der meine Agentin sehr begeistert ist, über die ich aber noch nichts verraten kann. Was das Coaching angeht, baue ich das gerade zusammen mit Sandra Thoms vom Dryas-Verlag aus. Wir sind dabei, eine Romancoaching-Agentur ins Leben zu rufen, die unter dem Namen romanmentoren.de laufen wird. Und der Ratgeber "Plotten für Chaoten" spukt natürlich auch in meinem Hinterkopf. USS: Möchtest du weiter Historisches schreiben, oder lesen wir von dir zukünftig Kinder- bzw. Jugendbücher? Wie schaut es mit Fantasy oder gar SF aus? KL: Es wird von mir weitere historische Romane geben, wie eben schon verraten. Fantasy, das Genre, mit dem ich als Jugendliche angefangen habe, ist im Moment eher nicht das Thema, wobei ich durchaus einige Ideen für größere Fantasy-Projekte habe. SF steht ebenfalls aktuell nicht an, was sich aber in dem Moment ändert, in dem mir eine richtig gute Idee kommt. Ich bleibe da flexibel. USS: Beantwortest du alle Mails oder Briefe, die dir Leser schreiben? Freust du dich darüber? KL: Ich freue mich immer über Kontakte mit LeserInnen und versuche auch, jede Mail und jeden Brief zu beantworten. Bisher ist mir das gelungen, und ich hoffe, dass ich es auch in Zukunft so halten kann. USS: Jetzt gebe ich dir mal die Gelegenheit, dich in eine literarische Figur zu versetzen. Wer wäre das denn? Fällt dir jemand spontan dazu ein? KL: Grace aus "Moonfleet" von John Meade Falkner. Ich würde die ganze Geschichte um Blackbeards Diamanten gern einmal aus ihrer Sicht erzählen. Bei Falkner ist sie ja eher eine Randfigur. USS: Wen oder welchen Literaten würdest du gerne mal treffen wollen? KL: Vor einem Jahr hätte ich an dieser Stelle noch ohne zu Zögern geantwortet: Robert B. Parker. Leider ist der inzwischen gestorben. Also muss ich überlegen. Ich glaube, ich würde gern einmal Joanne K. Rowling treffen und sie fragen, ob das viele Geld, das sie mit Harry Potter verdient hat, sie glücklicher gemacht hat, als sie früher war. USS: Du hast drei Wünsche frei. Was wünscht du dir? KL: 1. Gesundheit und ein langes Leben für mich und alle, die ich mag. (Ist das ein Wunsch oder schon mehrere?) 2. Einen Bestseller. 3. Auch danach noch immer das Kribbeln beim Schreiben zu verspüren. USS: Hast du ein Leitmotto? KL: An meiner Schreibtischlampe hängt der Spruch "Schlafen kann ich, wenn ich tot bin." Das ist aber eher als Scherz gemeint, hoffe ich zumindest. Als echtes Leitmotto könnte vielleicht Heraklit herhalten: Alles fließt. Darüber kann man so herrlich und intensiv meditieren. USS: Was rätst du angehenden AutorInnen? Soll man an Wettbewerben / Anthologien teilnehmen? KL: Ich habe das nur sehr selten getan und es auch ohne geschafft. Das liegt jedoch daran, dass ich schon immer eine Langstreckenautorin war und nicht so gern kurze Texte schreibe, die ja für Anthologien gebraucht werden. Wenn die Wettbewerbe und Anthologien seriös sind, schaden sie aber auf keinen Fall. USS: Und zum Schluss: Welche Tipps kannst du unseren Lesern mitgeben? KL: Schreibt mit Herzblut. Alles andere kommt hinterher. Und hier findet ihr die Homepage von Kathrin Lange: http://www.kathrin-lange.de ********************************************************************* VERLAGSPORTRAIT: --------------------------------------------------------------------- (redaktion at team pt autorenforum pt de) Magma Verlag GbR Maren und Willi Winter Alte Dorfstraße 7 19217 Rieps / Cronskamp Telefon: (03 88 73) 3 35 50Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. http://www.magma-verlag.de Maren und Willi Winter sind gleichzeitig Gründer und Mitarbeiter des Magma-Verlags. Die beiden Gründer sind hauptberuflich Puppenspieler. Ihr Tourneetheater ist in ganz Deutschland unterwegs. Außerdem layoutet Maren Winter Web- und Printmedien und schreibt historische Romane, die bei Heyne bzw. Rowohlt erschienen sind. Anlass für die Verlagsgründung Erster Anlass, sich mit einer Verlagsgründung zu beschäftigen, war die Tatsache, dass zu dem vergriffenen Roman "Das Erbe des Puppenspielers" nach wie vor Lesungen angefordert werden. Aber Lesungen ohne Büchertisch wirken ziemlich kümmerlich. Einen anderen seriösen Verlag für das bereits veröffentlichte Buch zu finden war utopisch, also blieb nur der Eigenverlag. Den entscheidenden Anstoß gab das Publikum bei Figurentheater- Aufführungen. Eltern fragten nach den Geschichten der Stücke, Kindergärten hätten gerne die Texte in ihrer Gruppe, um sich gemeinsam zu erinnern. Bücher zum Film werden ja oft verlegt, aber Kinderbücher zum Kinderstück? Durch den PoD-Anbieter Createspace ergab sich die Möglichkeit, Bücher herauszugeben, ohne in finanzielle Vorleistung treten zu müssen. Weitere Projektideen stellten sich ein, für die nun auch andere Autoren ins Boot geholt werden sollten. Im Mai 2012 wurde der Verlag gegründet. Im Juni 2012 erschien als Erstes das Testbuch "Ein Vogel, der vom Himmel fiel" von Maren Winter, das als Printbuch erscheint, außerdem erschien das Buch als E-Book (Kindle und epub). Programm und Philosophie Bei den angestrebten Inhalten handelt es sich hauptsächlich um Nischenbereiche, mit denen sich größere Verlage wenig befassen: Literatur zu ungewöhnlichen oder regionalen Themen, kleine Geschichten, Sachbücher, die die Verleger selbst interessieren, Theaterstücke als Kinderbuch und nicht zuletzt Neuauflagen vergriffener Werke. Neue Romane machen sie nicht, das nötige Lektorat könnten sie nicht leisten. Alle Bücher sind über Amazon zu beziehen. Die Printausgaben bekommen zwar eine Verlags-ISBN, und sie werden auch ins VlB eingetragen, dennoch werden sie kaum im Buchhandel auftauchen. Es lohnt sich also nur, wenn die Autoren eigene Vertriebswege nutzen können. Mit den Autoren möchten die Verleger ein Team auf Augenhöhe bilden, in dem sich beide Seiten einsetzen, nicht mit Geld, sondern mit Elan. Welche Autoren wurden bisher verlegt? Maren Winter, Amrei Thieß, Judith Solms. AutorInnen gesucht? Autoren, die ein vergriffenes Werk wiederbeleben möchten, und Autoren, die nicht nur schreiben, sondern für ihr spezielles Buchprojekt spezielle Vertriebsmöglichkeiten einsetzen wollen, können uns am besten per Mail erreichen. Für den Start in eine belletristische Autorenkarriere sind andere Verlage allerdings besser geeignet. ? Konditionen Die Autoren liefern den Text und eventuelle Illustrationen in digitaler Form. Der Verlag gibt dem Projekt ein öffentliches Gesicht: Cover, Satz, Umwandlung in druckfähige Dateien, Umwandlung ins E-Book-Format für Kindle (epub muss gesondert abgesprochen werden). Der Verlag verlangt kein ausschließliches Veröffentlichungsrecht, so bleiben die Rechte weiterhin bei den Autoren. Der Verkaufserlös wird aufgeteilt: 40 % Verlag, 60 % Autor (Anhaltspunkt: bei einem E-Book für 3,50 Euro werden z. B. 2,32 Euro aufgeteilt). Der Verlag bewirbt die Bücher auf seinen Webseiten. Bieten sich passende Gelegenheiten an, werden die Bücher natürlich auch dort vorgestellt. Die Autoren kümmern sich um weitere Werbe- und Vertriebsmöglichkeiten, z. B. Vorträge, Lesungen, soziale Netzwerke ... Was ist besonders wichtig? Der Magma-Verlag ist ein kleiner Verlag, der auf kleiner Flamme kocht. Die Grossisten bleiben außen vor. Stattdessen strebt der Verlag eine enge Zusammenarbeit mit den Autoren während des gesamten Produktions- und Vertriebsprozesses an. Der Titel wird genauso mit allen Beteiligten abgestimmt wie die Covergestaltung. Der Verlag macht das jeweilige Buch mit dem Autor gemeinsam, alle sollen es am Ende mögen. Zukunftspläne, Perspektiven Belletristik: Der vergriffene Roman "Das Erbe des Puppenspielers" wird neu aufgelegt. Danach können vergriffene Romane anderer Autoren folgen. Weitere kleine Bücher mit Kurzkrimis von verschiedenen AutorInnen sind geplant, außerdem Dorfgeschichten aus dem regionalen Umfeld. Kinderbücher: Die Reihe "Das Buch zum Theaterstück" wird uns zunächst mit drei eigenen Inszenierungen beschäftigen. Gespräche mit Kollegen sind geplant. Sachbücher: Im Zeitalter von Computergesteuerten Licht- und Tonanlagen möchte der Verlag für die "kleine Bühne" die alten technischen Tricks ausgraben: Donnerblech und Windmaschine, verblüffende Lichteffekte, Feuer aus Samen usw. Außerdem soll ein Fotoband mit Porträts von Theaterpuppen entstehen, der eventuell periodisch erscheinen kann. Ähnlich wie "In Literaturzeitschriften veröffentlichen" möchte der Verlag weitere Bücher zu Teilbereichen des Autorenalltags entwickeln. Zudem sollen beide Fachbereiche verbunden und Ratgeber zum "Stückeschreiben" herausgebracht werden. ********************************************************************* UNSERE EXPERTINNEN UND EXPERTEN: --------------------------------------------------------------------- Bitte schickt den ExpertInnen nur Fragen zu ihrem Expertenthema - keine Manuskripte zur Beurteilung. Bitte verseht jede Anfrage mit einem aussagekräftigen Betreff. Sonst kann es sein, dass die Mail vorsichtshalber sofort gelöscht wird. Drehbuch: Oliver Pautsch drehbuch at experte pt autorenforum pt de Fandom: Thomas Kohlschmidt fandom at experte pt autorenforum pt de Fantasy: Stefanie Bense fantasy at experte pt autorenforum pt de Heftroman: Arndt Ellmer heftroman at experte pt autorenforum pt de Historischer Roman: Titus Müller historischer.roman at experte pt autorenforum pt de Kinder- und Jugendbuch: Michael Borlik kinderbuch at experte pt autorenforum pt de Kriminalistik: Kajo Lang kriminalistik at experte pt autorenforum pt de Lesungen: Rüdiger Heins lesungen at experte pt autorenforum pt de Lyrik: Martina Weber lyrik at experte pt autorenforum pt de Plotten: Kathrin Lange plotten at experte pt autorenforum pt de Sachbuch: Gabi Neumayer sachbuch at experte pt autorenforum pt de Schreibaus- und -fortbildung: Uli Rothfuss fortbildung at experte pt autorenforum pt de Schreibgruppen: Ute Hacker schreibgruppen at experte pt autorenforum pt de Schreibhandwerk: Ute Hacker schreibhandwerk at experte pt autorenforum pt de Sciencefiction: Andreas Eschbach sf-autor at experte pt autorenforum pt de Übersetzung: Barbara Slawig uebersetzerin at experte pt autorenforum pt de Verlagswesen: Bjørn Jagnow verlagswesen at experte pt autorenforum pt de ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ................. Experten-Special: ................. Bjørn Jagnow hat seine Fragen und Antworten zu den Themen Urheberrecht, Verlagswesen und Vermarktung der letzten Jahre gesammelt - thematisch sortiert und aktualisiert: "Urheberrecht, Verlagswesen und Vermarktung für Autoren 2012", E-Book, 2,99 Euro, http://www.amazon.de/gp/product/B007VD3OL6/ ********************************************************************* FRAG DIE EXPERTIN FÜR FANTASY: --------------------------------------------------------------------- Stefanie Bense (fantasy at experte pt autorenforum pt de) Frage: Ich habe noch nie professionell geschrieben, weshalb ich meinen Roman nach "Rezept" schreibe (ich hab mich für die Schneeflocken-Methode von Randy Ingermanson entschieden). Doch auch wenn ich nach "Vorlage" arbeite, so tauchen doch immer wieder Fragen auf, die man als Anfänger selbst nicht lösen kann. [...] 1. Ist es möglich, Fantasy und Science-Fiction erfolgreich miteinander zu vermischen, ohne dass es dem Leser auffällt? Bei mir spielt die Geschichte im zukünftigen Europa, doch Europa ist als solches nicht zu erkennen. Der Leser glaubt, sich in einer Fantasy-Welt mit magischen Wesen zu befinden. Dies soll auch so sein, doch: Ist es ratsam, dem Leser von Anfang an klar zu machen, dass der Roman in unserer zukünftigen Welt spielt, um ihn nicht zu verwirren? Denn meine Idee ist es, es dem Leser erst nach und nach zu enthüllen, jedoch wird er am Schluss nicht mit Sicherheit sagen können, ob sich das Ganze nun wirklich in unserer Welt abgespielt hat oder nicht. 2. Ist es für einen Anfänger wie mich möglich, den Roman aus drei verschiedenen Perspektiven zu erzählen? Wie mach ich das am Besten, ohne den Leser zu langweilen oder zu verwirren? [...] 3. Was ist für sie, als Fantasy-Expertin, Fantasy? Wie definieren Sie diesen Begriff? Und vor allem, wo vermischen sich Ihrer Meinung nach die Grenzen von Fantasy und Science-Fiction? Antwort: Zunächst einmal: Jede/r Autor/in schreibt nach einem "Rezept" - zumindest nach ihrem eigenen. Alle suchen sich aus dem, was sie erfahren, sich erarbeiten und woanders abschauen, eine Werkzeugsammlung, die für sie funktioniert. Bei mir funktioniert eine Mischung aus Orson Scott Cards MICE-Methode, Campbells Heldenreise, Bickhams Scene-Structure-Methode und etliche Einzelstrategien wie z. B. die Geschwätzvermeidungsstrategie für den Dialog von Elizabeth George. Ingermanson stellt mit seiner Schneeflockenmethode ebenso einzelne Werkzeuge zusammen, die es bereits gab. Er macht (nur?) einen Ablauf daraus. Da ich mich schlecht nur auf Charaktere oder Handlung konzentrieren kann, wachsen beide bei mir parallel statt nacheinander in der Planungsphase des Romans. Beim Schreiben kann sich dann noch einiges ändern, aber die groben Eckdaten, Spannungsbögen und Plotstrukturen liegen bereits fest. Ein Werkzeugkasten ist keine Vorlage! Eine Vorlage würden Sie nutzen, falls Sie aus einem Fantasy-Roman die Struktur übernehmen, z. B.: Harry Potter - Ihr Held ist jung und wächst ungeliebt bei Verwandten auf, er hat eine besondere Fähigkeit und wird zur Ausbildung "eingezogen". Er kommt in ein Institut, in dem er sich zurechtfinden und beweisen muss, und stört dabei einen mächtigen Gegner auf. In vielen Abenteuern lernt er seine Fähigkeit zu beherrschen und anzuwenden, lernt, mit dem Verlust seiner Eltern umzugehen, und wird eine eigenständige Persönlichkeit, die den Feind im Showdown bezwingt - kurz: eine Entwicklungsgeschichte vom Underdog zum Helden. Nun zu den Fragen: zu 1: Klar, man kann Fantasy und Science-Fiction mischen. Gibt es auch schon: Marion Zimmer Bradley hat es in den Achtzigern mit ihren Darkover-Romanen getan: die ersten sind sehr fantasymäßig, die anderen werden schnell SF; aber die Grundlage ist klar Social-Science-Fiction (wie entwickelt sich eine abgeschnittete menschliche Kolonie unter Psi-Einfluss der Einheimischen?). Susanne Gerdom ("Anidas Prophezeiung") arbeitet damit, dass hinter einer Fantasy-Welt die Realität SF steht, also SF-Figuren mit hochtechnischen Waffen und Geräten im Fantasy-Ambiente auftauchen. Mich hat das beim Lesen sehr gestört, weil die Fantasy-Welt der Hauptheldin sehr intensiv gezeichnet wurde und ich es als Fantasy gekauft hatte. Dem Leser wird eine solche Mischung immer auffallen. Es ist nur die Frage, ob der Leser die Mischung "schluckt" bzw. ob es ihm gefällt, solche Mischgenres zu lesen. Mich, ehrlich gesagt, stört es, wenn ich einen Fantasyroman angefangen habe, dann eine SF-Lösung vorgesetzt zu bekommen. Es ist sehr viel schwieriger, SF und F glücklich und nahtlos miteinander zu verweben, als sich auf ein Genre zu beschränken. Zur Unterscheidung: In einer Fantasy-Welt funktioniert Magie, sie ist sogar so essentiell, dass die Story zusammenbrechen würde, wenn man sie streichen müsste, eventuell gibt es Fabelwesen und Götter als selbständige Figuren, aber relevant sind sie selten; dagegen geht SF von einer technisierten Welt aus, extrapoliert von heutigen Entwicklungen, und auf keinen Fall funktioniert dort Magie, alles ist naturwissenschaftlich erklärbar. Was Sie mit Ihrer Weltenkonstruktion beschreiben, ist keine SF, sondern ein post-apokalyptisches Szenario. Das kann Hintergrund für SF wie für Fantasy sein. Etwa: Moorcocks Elric von Melniboné lebt ebenso in einem apokalyptischen Land, doch durch sein Seelentrinker-Schwert, die Verwicklung mit Göttern (die aktive Figuren sind) und seine Magie ist es eindeutig Fantasy. Aus Ihrer Beschreibung der Weltkonzeption habe ich keine Fantasy- Elemente herauslesen können. Nur exotische Tiere oder Wesen reichen nicht, um etwas zur Fantasy zu machen. Welche Art von Magie funktioniert in Ihrer Welt? Wo ist sie entscheidend für die Story? Vampire z. B. sind keine Magier, sie sind unsterblich (fast) und sicherlich besonders stark und anziehend - aber es sind Figuren aus dem Horrorgenre, nicht der Fantasy. Sie benötigen keinerlei Magie, um zu funktionieren. Auch wenn jetzt die Definitionen durch Verkaufsstrategien der Verlage und unsaubere Etikettierungen aufgeweicht werden und Vampirromane unter "Dark Fantasy" oder "Romantic Horror" vermarktet werden. zu 2: Drei Perspektiven zu verwenden kann eine Erleichterung sein, wenn z. B. die Story in verschiedenen Ebenen (geografisch, zeitlich o. a.) spielt. Dann kumulieren die drei Perspektiven zum Schluss, damit sie die Lösung der Story ergeben. Drei Perspektiven können jedoch auch schwierig sein, wenn die Struktur der Story sie nicht verlangt, z. B., wenn alle eine gemeinsame Heldenreise unternehmen, denn alle drei Perspektivfiguren brauchen eine eigene Stimme, eigene Motive, Ziele, Wünsche und Handlungsweisen. Außerdem verteilt man das Leserinteresse von einer Figur auf drei - das ist haarig, weil man sich leichter mit einer Figur als mit dreien identifiziert; also kann der Leser eher eine Lieblingsfigur wählen und ungeduldig werden, wenn die anderen Perspektiven erzählt werden. Als Erstes machen Sie sich klar, wozu Sie drei Perspektiven benötigen. Müssen Dinge erzählt werden, die nicht aus der Sicht der Hauptfigur erzählt werden können, weder durch Informationen im Dialog noch durch eigenes Erleben? Könnte man das anders lösen? Falls drei Perspektiven absolut unabdingbar sind, entwerfen Sie unterschiedliche Figuren, geben Sie ihnen eine relevante Aufgabe in der Story, legen Sie deren Motive, Stärken, Schwächen, Handlungsweisen und Erzählstimme fest. Achten Sie darauf, dass die Stimme nicht zu übertrieben gerät (Dialekt, unlesbare Verstümmelungen oder Weitschweifigkeit ...). Achten Sie auch darauf, dass jede Figur etwas Relevantes leisten muss, damit man sie nicht ersatzlos streichen kann. Etwa: Wenn Figur A nicht lernt, Magie anzuwenden, kann sie Figur B nicht retten - und B würde sterben. Wenn Sie die Figuren ausgearbeitet haben, stricken Sie die Verknüpfung. Was haben die Figuren miteinander zu tun? Wo entstehen Bündnisse, Gegner- und Feindschaften, Lieb- und Freundschaften? Wo kreuzen sich Stärken und Schwächen, ergänzen sich oder heben sich auf? Wie, wie oft, in welcher Reihenfolge und zu welchen Spannungspunkten in der Story sollen sie sich treffen, mit welchem Ziel und welchem Ergebnis? Dann entwerfen Sie für jede Perspektive - die ja auch Erzählstränge sind - einen Spannungsbogen. Figur A will dies, muss etliche Hindernisse überwinden, kämpft mit XYZ, wird gefangen und erreicht schließlich ihr Ziel. Figur B will etwas anderes, muss sich gegen JKL durchsetzen, muss sich einige Hilfsmittel erkämpfen und Figur C will die Welt retten, muss sich erst aus dem Sklavendasein kämpfen, muss fliehen, muss sich gegen RST wehren, findet ihre Fähigkeiten, und mit ihrer Hilfe ... Diese drei Stränge müssen dann zu einem Strang verwoben werden. Es muss ein Ganzes ergeben. Die drei dürfen sich nicht einfach nur zum Showdown treffen, es sei denn die Story braucht es so. Das heißt, dass Sie Verknüpfungen schaffen müssen, ohne die die Story nicht funktioniert. Beispielsweise: Figur A bringt ihren Gegner dazu zu fliehen, dadurch stößt der Gegner in einer anderen Stadt auf Figur B, die dabei ist ..., während Figur C dem Gegner hilft, weil ... Es können Überschneidungen, kausale Abhängigkeiten und Konsequenzen, Parallelen (eine Figur reitet über Land, die andere wird in der Stadt vom Pferd niedergetrampelt), Abfolgen oder Verschränkungen sein. (Das wird eine Menge Arbeit!) Noch ein Tipp: Machen Sie sich zwischendurch immer mal klar, wenn Sie eine Perspektive schreiben, was die anderen beiden gerade tun / erleben. Es mag Sie aus Ihrer Schreib-Perspektive reißen, ist aber notwendig, um die Abläufe möglichst gut aufeinander abzustimmen. Wenn ich hier mal Reklame für ein Produkt von "einer von uns" machen darf: Gabi Neumayer hat drei Perspektiven in ihrem SF-Roman "Als die Welt zum Stillstand kam" verwendet: ein Mädchen, zwei Jungen - alle recht unterschiedlich, mit eigener Stimme, alle auf ein Ziel zusteuernd, jede/r mit eigener Story und eigenem Verhalten, jede/r muss etwas lernen, etwas ablegen, etwas erkämpfen, damit sie letztendlich zur Lösung beitragen können. **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Stefanie Bense lebt und arbeitet in Emden, gibt Schreibkurse und führt eine Roman-Werkstatt, http://www.romantisch.essdeh.de, veröffentlicht sporadisch und schreibt an ihrem dritten Roman. ********************************************************************* FRAG DEN EXPERTEN FÜR VERLAGSWESEN: --------------------------------------------------------------------- Bjørn Jagnow (verlagswesen at experte pt autorenforum pt de) Frage: In dem Zeitraum vor 6-18 Monaten haben ich etlichen Verlagen ein Romanmanuskript angeboten. [...] Nachdem ich die Kritiken verstanden und angenommen habe und auch dadurch, dass ich in dieser Zeit dazugelernt habe, habe ich einige Schwächen meines Manuskriptes begriffen und dieses noch einmal überarbeitet. [...] Wie kommt es bei Verlagen an, die das "erste Manuskript" abgelehnt haben, wenn ich ihnen das "neue" Manuskript anbiete? Einerseits ist es jetzt eine andere Geschichte, sie ist anders aufgebaut, der Schreibstil ist angepasst worden, andererseits wird dasselbe Thema behandelt [...] Würde ich mir mit diesem Vorgehen sozusagen den "Zorn der Verlage zuziehen" [...], oder ist ein solches Vorgehen akzeptabel und vielleicht sogar üblich? Und wenn ich mein Manuskript ein zweites Mal einreiche, sollte ich dann darauf hinweisen, dass ich ein verändertes Manuskript zum zweiten Mal einreiche, oder sollte ich besser darauf verzichten? Antwort: Ich sehe hier ein paar Variationen, auf die ich unterschiedlich reagieren würde: 1) Der Ansprechpartner im Verlag ist nicht mehr derselbe: Der neue Ansprechpartner kann nicht wissen, was schon einmal eingereicht wurde (kein Verlag führt Listen dazu). Ein Hinweis ist unnötig. 2) Der Ansprechpartner ist derselbe und hat auch inhaltliche Rückmeldung gegeben: Dieser Ansprechpartner erinnert sich sehr wahrscheinlich an die erste Einsendung, spätestens wenn er das Manuskript liest. Hier ist ein Hinweis unbedingt nötig, um Irritationen zu vermeiden, und auch sinnvoll, weil die Verbesserungsvorschläge aufgenommen wurden. 3) Der Ansprechpartner ist derselbe, hat aber nur eine Standardantwort als Ablehnung verschickt: Ob sich dieser Ansprechpartner an das Manuskript erinnert, ist fraglich. Auf keinen Fall wird die Erinnerung positiv besetzt sein, denn dann hätte er sich vermutlich die Mühe gemacht, eine ausführlichere Antwort zu schreiben. Wahrscheinlich ist hier ein Hinweis auf die erste Einsendung nicht hilfreich. Bei Variation Nummer 3 besteht natürlich das Risiko, einen Lektor zu verprellen. Andererseits gehört es zum Alltag, dass Autoren an ihren Werken arbeiten und sie verbessern. Das dürfte einen Lektor normalerweise nicht aufregen. Außerdem wird das Buch bestimmt nicht veröffentlicht, wenn es nicht noch einmal angeboten wird. Allerdings sollte eines gut überlegt sein: Verlage, die mit "passt nicht ins Programm" geantwortet haben, haben womöglich Recht. Da sollte man als Autor zumindest ernsthaft überlegen, warum man das anders sieht und den Verlag mit einer wiederholten Einreichung "bekehren" will. **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Bjørn Jagnow ist Schriftsteller, Verlagsfachwirt, Verlagskaufmann und Buchhändler. Unter http://bjoernjagnow.blogspot.com/ bloggt er über die Zukunft der Medien, über Rollenspiele und andere Themen. ********************************************************************* FRAG DEN EXPERTEN FÜR KINDER- UND JUGENDBUCH: --------------------------------------------------------------------- Michael Borlik (kinderbuch at experte pt autorenforum pt de) Frage: Ich habe einige Kinderbücher fertig geschrieben, konnte bisher aber niemanden finden, der mir beim Illustrieren hilft. Ich habe gelesen, dass die meisten Verlage auch unillustrierte Versionen annehmen, um diese selbst zu bearbeiten. Leider konnte ich bisher keinen dieser Verlage finden, und meine Geschichten wurden aufgrund der Unvollständigkeit abgelehnt. Haben Sie einen Tipp zu geeigneten Verlagen für mich? Antwort: Es ist richtig, dass in den meisten Fällen der Verlag einen Illustrator beauftragt. Es ist also nicht nötig, Ihre Geschichten vorab illustrieren zu lassen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich in den Buchhandlungen oder im Internet umzusehen und nach einem Verlag zu suchen, zu dessen Programm Ihre Bücher thematisch passen. Nicht jeder Verlag veröffentlicht jedes Genre. **~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~** Michael Borlik, 1975 geboren, ist freier Schriftsteller, der bereits über 30 Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht hat. Mehr Infos zu seinen Büchern unter http://www.borlik.de. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Veranstaltungen, Ausschreibungen, Publikationsmöglichkeiten, Messen und Seminare findet ihr im zweiten Teil des Tempest, der mit getrennter Mail kommt +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Einsendeformalien: Einsendungen sind zu allen Rubriken von autorenforum.de - nach Rücksprache - erwünscht. Das Urheberrecht verbleibt bei der Autorin bzw. beim Autor. Einsendungen bitte im RTF-Format und per E-Mail, und zwar an: beitrag at team pt autorenforum pt de. 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