Editorial
Hall of Fame
Neues aus der Buchszene
Autorenwissen
„Kafka und die Schreibregeln‟
von Hans Peter Roentgen
Impressum
Liebe Autor*innen,
wegen seines hundertsten Todestags ist Franz Kafka in diesem Jahr in aller Munde - auch in dem von Hans Peter Roentgen (an der Bildsprache arbeite ich noch ...). Hans Peter stellt zwei bekannte Schreibregeln anhand eines Kafka-Textes auf den Prüfstand - mit erstaunlichen Ergebnissen.
Neuigkeiten aus dem Netz hat Ramona Roth-Berghofer wieder für euch. Und wer den Sommer noch nutzen möchte für Schreibseminare, Ausschreibungen und Messebesuche, kann in Teil 2 des Tempest fündig werden.
Zitat des Monats, diesmal von Gertrude Stein:
„I write for myself and strangers. The strangers, dear readers, are an afterthought.”
Dieses Zitat von Gertrude Stein kann man auch als Tipp verstehen: Erst mal nicht zu sehr auf die möglichen Leser*innen und Verlage schielen, sondern das schreiben, was einem gefällt und etwas bedeutet. Der Blick nach außen kann dann beim Überarbeiten folgen.
Habt Spaß beim Schreiben!
Gabi Neumayer
Chefredakteurin
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ISSN 1439-4669 Copyright 2024 autorenforum.de. Copyright- und Kontaktinformationen am Ende dieser Ausgabe
INHALT DIESER AUSGABE
TEIL 1
Editorial
Hall of Fame
Neues aus der Buchszene
Autorenwissen
„Kafka und die Schreibregeln‟
von Hans Peter Roentgen
Impressum
TEIL 2 (in separater E-Mail, falls ebenfalls abonniert)
Veranstaltungen
Ausschreibungen
Publikationsmöglichkeiten
mit Honorar
ohne Honorar
Seminare
Messekalender
HALL OF FAME (
Die „Hall of Fame“ zeigt die Erfolge von AbonnentInnen des Tempest. Wir freuen uns, wenn ihr euch davon motivieren und ermutigen lasst - dann werden wir euer neues Buch hier bestimmt auch bald vorstellen können.
Melden könnt ihr aktuelle Buchveröffentlichungen (nur Erstauflagen!) nach diesem Schema:
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AutorIn: „Titel“, Verlag Erscheinungsjahr (das muss immer das laufende oder das vergangene Jahr sein!), Genre (maximal 2 Wörter). Zusätzlich könnt ihr in maximal 60 Zeichen (nicht Wörtern!) inklusive Leerzeichen weitere Infos zu eurem Buch unterbringen, zum Beispiel eine Homepage-Adresse.
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Ein Beispiel (!):
Johanna Ernst: „Der Fall der falschen Meldung“, Hüstel Verlag 2015, Mystery-Thriller. Dann noch 60 Zeichen - und keins mehr! Inklusive Homepage!
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Ausgeschlossen sind Veröffentlichungen in Anthologien, Bücher im Eigenverlag und BoDs (sofern sie im Eigenverlag erschienen sind) sowie Veröffentlichungen in Druckkostenzuschussverlagen.
ACHTUNG!
Schreibt in eure Mail mit der Meldung immer auch hinein, dass ihr bestätigt, dass die Veröffentlichung weder im Eigenverlag noch in einem Verlag erschienen ist, bei dem der Autor irgendetwas bezahlt hat! Als Bezahlung gilt auch, wenn er Bücher kostenpflichtig abnehmen muss, Lektorat bezahlt o. Ä.
Schickt eure Texte unter dem Betreff „Hall of Fame“ an d
Wir berücksichtigen ausschließlich Meldungen, die nach dem obigen Schema gemacht werden und die Bestätigung zum Verlag enthalten. Änderungsaufforderungen zu Meldungen, bei denen das nicht der Fall ist, werden nicht mehr verschickt!
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NEUES AUS DER BUCHSZENE (
Wir leben in turbulenten Zeiten, die Buchbranche ist in Bewegung wie nie zuvor. Ob es nun um KI geht, die zunehmende Digitalisierung des Marktes oder all die neuen Chancen und Möglichkeiten, die sich Verlagsautoren und professionellen Selfpublishern bieten: Eine Nachricht jagt die nächste. Damit ihr den Überblick behaltet und nichts Wichtiges verpasst, fassen wir hier alle interessanten Links zusammen, die uns jeden Monat ins Auge fallen - natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Verlage / Konzerne / Buchhandel
„Unsere unabhängigen Verlage sind kreative Wegbereiter!‟
Weltbild stellt in vierzehn Filialen seinen Geschäftsbetrieb bis Ende August ein.
Das Branchenmagazin BuchMarkt wird ab 2025 nicht fortgeführt.
„Reclam, eure Chance!“ Markus Klose über Backlist-Tropes.
Papiergroßhändler Inapa Deutschland meldet Insolvenz an.
Bundesverband Druck und Medien: Konjunkturbericht 2023. Papier könnte wieder teurer werden.
Interview / Podcast / Reportage
Wie clever ist Dussmanns neuer Chatbot HAL, Herr Burger?
Meinungsfreiheit: „Der Grat, auf dem wir uns bewegen, wird immer schmaler.“
„Die Geschichten in uns“: Bestseller-Autor über die Faszination des Schreibens.
Künstliche Intelligenz
KI und Literatur: Benedict Wells über KI, Chatbots und die Zukunft der Literatur.
Amazons neuer KI-Assistent „Rufus“.
Kultur / Politik
Auszeichnungen
Deutscher Buchhandelspreis 2024: „Wir machen das Unmögliche möglich.“.
AUTORENWISSEN (
„Kafka und die Schreibregeln‟
von Hans Peter Roentgen
Schreibregeln sind nützlich.
„Wenn Sĭe ein Adjektiv treffen, bringen Sie es um“, sagte Mark Twain. Recht hatte er.
Doch wie sieht es aus, wenn Sie die Schreibregeln auf berühmte Texte anwenden? Sind Kafkas, Thomas Manns, Wolfgang Borcherts Texte besser, wenn Sie sie mit den Schreibregeln überarbeiten?
Adjektive streichen
Diese Regel kennt jeder Schreibanfänger. Und beherzigt sie oft nicht. Wie sieht es bei Kafka aus?
„Als Gregor Samsa eines Tages aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.“ („Die Verwandlung“)
„Unruhige Träume“ und „ungeheuren Ungeziefer“, sollte man hier die Adjektive streichen? Wie kann die arme Autorin entscheiden, was besser gestrichen werden sollte und was nicht?
Wirkung ist wichtig
Schreibregeln haben ein Ziel. Sie sollen einen Text wirkungsvoller machen, sicherstellen, dass der Text Bilder weckt. Wenn der Text ohne das Adjektiv besser wirkt, dann weg damit. Verliert der Text aber ohne an Wirkung, dann sollte man es stehen lassen.
In unserem Beispiel: Wie wirkt der Text auf Sie ohne die beiden Adjektive?
Als Gregor Samsa eines Morgens aus Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem Ungeziefer verwandelt.
Ganz klar: Die Wirkung ist schwächer. Das ungeheure Ungeziefer verleiht dem Satz einen Rhythmus, befeuert die Bilder. Und einfach aus Träumen erwachen? Jeder erwacht morgens aus Träumen, auch wenn er sich nicht immer daran erinnert. „Unruhig“ sagt etwas über die Träume aus. „Lange Träume“ würden nicht wirken und „heftige Träume“ würden ebenfalls weniger Wirkung haben. Außerdem zeigt uns „unruhig“ an, dass da etwas nachkommen wird.
Also lassen wir Kafka die unruhigen Träume und das ungeheure Ungeziefer.
Anschaulich schreiben
Anschaulich schreiben, „show don’t tell“, auch das eine wichtige Schreibregel. Besser ein „Kampfhund“ als ein „gefährlicher Hund“.
Sollten wir Kafka also raten, hier das allgemeine „Ungeziefer“ konkret zu benennen? Vielleicht ein „Mistkäfer“? Eine „Kellerassel“? Wäre das anschaulicher? Oder ein „furchtbarer Nashornkäfer“?
Nein. Aber warum nicht?
Weil in diesem Fall „Ungeziefer“ bestimmte Assoziationen weckt, anders als konkrete Tierbezeichnungen. Und weil es außerdem eine besondere Bedeutung hat. Tatsächlich wird Gregor Samsa in der Geschichte zu einem Ungeziefer für die Familie. Nicht zu einer Kellerassel und auch nicht zu einem Mistkäfer. Deshalb wirkt hier der Begriff „Ungeziefer“ am besten, weil er nicht nur ein Tier charakterisiert, sondern ein widerliches, ekliges Tier. Diese Wirkung würde eine konkrete Tierbezeichnung nicht erzielen.
Natürlich wäre „ekliges Insekt“ rein logisch gleich. Doch die Wirkung wäre eine ganz andere. Bei Wörtern ist immer wichtig, welche Assoziationen sie auslösen, welche Gefühle sie wecken. Auch wenn inhaltlich das Gleiche gesagt wird, kann die eine Formulierung wirkungsvoll sein, während die andere Gähnen auslöst.
„Wählen Sie das genau passende Wort, nicht seinen Cousin“, auch das eine Schreibregel von Mark Twain.
Beschreibungen
Im zweiten und dritten Satz von Kafka folgen Beschreibungen. Da liegt der Ich-Erzähler auf seinem panzerartig harten Rücken. Ganz wichtig: Er „hat“ keinen panzerartig harten Rücken, er „liegt“ auf einem. „Hat“ würde sehr viel statischer wirken.
Und dann „sah er“, wenn er den Kopf ein wenig hob, „den von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch“. Wieder ein aktives Verb, mit dem die Beschreibung eingeführt wird.
„Und auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum halten konnte.“ Wieder zwei Verben, um die Beschreibung anschaulich zu gestalten. Nicht: „Auf seinem Bauch befand sich die Bettdecke, die unsicher dalag.“
Achten Sie einmal in Texten darauf, wie viele und welche Verben die Autorinnen und Autoren verwenden. Und ob es die gängigen statischen Verben sind („befand sich“, „da liegen“).
Der dritte Satz Kafkas
„Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglich dünnen Beinen flimmerten ihm hilflos vor seinen Augen“.
Auch dieser Satz hat viele Adjektive. Streichen? Da machen wir doch gleich den Test: „Seine Beine sah er vor seinen Augen.“
Besser? Ganz sicher nicht.
„Vor seinen Augen sehen“, diese Formulierung ist langweilig, durch das ungewöhnliche „flimmern“ aber werden Bilder geweckt. Hatten Sie schon einmal das Gefühl, Beine von Insekten „flimmern“? Ich schon.
Stil
Natürlich ist Kafkas Stil für heutige Texte höchst ungewöhnlich. Viele Nebensätze, viele Einschübe, mit Kommata getrennt, so schrieb man damals, heute nicht mehr. Stil ist auch eine Modesache - nicht nur bei Kleidung, auch beim Schreiben. Das heißt nicht, dass Kafkas oder Manns Stil heute nicht mehr gelesen würde. Aber die Leser müssen sich umstellen. „Leichte Sprache“ geht anders.
Niemand verbietet Ihnen, in dem gleichen Stil zu schreiben. Aber Sie müssen sich klar sein, dass Ihr Text damit heute mehr Probleme in der Leserschaft finden wird.
Resümee
- Adjektive streichen, wenn ohne sie der Text besser wird. Nicht streichen, wenn ohne sie der Text schlechter wird.
- Aktiv schreiben - auch in Beschreibungen sind Verben wichtig.
- Wählen Sie das genau treffende Wort, nicht seinen Cousin.
Übung
Ziehen Sie eines ihrer Lieblingsbücher aus dem Regal. Zählen Sie, wie viele Verben es auf der ersten Seite enthält.
Streichen Sie alle Adjektive. Welche müssen Sie behalten?
Nehmen Sie dann einen ihrer Texte und vergleichen Sie das Ergebnis.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und noch mehr Motivation für die Arbeit mit Kafka an Ihren Texten.
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Hans Peter Roentgen ist Autor der Bücher "Vier Seiten für ein Halleluja" über Romananfänge, "Drei Seiten für ein Exposé", „Schreiben ist nichts für Feiglinge“ und "Klappentext, Pitch und weiteres Getier". Außerdem hält er Schreibkurse und lektoriert.
UNSERE EXPERTINNEN UND EXPERTEN
Bitte schickt den Expert*innen nur Fragen zu ihrem Expertenthema - keine Manuskripte zur Beurteilung. Bitte verseht jede Anfrage mit einem aussagekräftigen Betreff. Sonst kann es sein, dass die Mail vorsichtshalber gelöscht wird.
Fragen (anonymisiert) und Antworten werden in der Regel hier im Tempest veröffentlicht, damit auch andere Autor*innen davon lernen können. Wer das aber nicht möchte, schreibt das bitte ausdrücklich dazu.
Drehbuch | Oliver Pautsch | |
Fantasy | Stefanie Bense | |
Heftroman | Arndt Ellmer | |
Historischer Roman | Titus Müller | |
Kinder- und Jugendbuch | Sylvia Englert | |
Kriminalistik | Kajo Lang | |
Lyrik | Martina Weber | |
Marketing | Maike Frie | |
Sachbuch | Gabi Neumayer | |
Schreibaus- und -fortbildung | Uli Rothfuss | |
Schreibhandwerk | Ute Hacker | |
Science-Fiction | Andreas Eschbach |
Veranstaltungen, Ausschreibungen, Publikationsmöglichkeiten, Messen und Seminare findet ihr im zweiten Teil des Tempest, den ihr separat abonnieren müsst.
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Gabi Neumayer (
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Thomas Roth-Berghofer (
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