Ich schreibe meine Geschichte eigentlich komplett im auktorialen Erzählstil (gemischt mit dem personalen). Aber mein Prolog wird aus der Ich-Perspektive erzählt. Es wird aber nicht aufgelöst, wer diese Person ist, die erzählt. (Ich bin auch noch nicht sicher, ob ich das zum Schluss auflösen soll). In diesen zwei Seiten wird das "Ende" eines Krieges beschrieben, ohne zu viel zu verraten. Außerdem setzte ich am Ende mancher Kapitel manchmal eine Frage an die Hauptperson, um die es im vorangegangenen Kapitel ging. Allerdings ohne Antwort, z. B: "Was meinst du, Amber, hättest du anders gehandelt, wenn du es gewusst hättest?"
Da wollte ich fragen, ob man das in einem Fantasy-Roman schreiben kann oder ob man das lieber lassen sollte.
Grundsätzlich: Man darf alles im Roman schreiben, solange es so gut gemacht ist, dass es den Leser unterhält und nicht von der Geschichte abhält. Auch jegliche Perspektivwechsel. Bei einer Kurzgeschichte rate ich dazu, sich für eine Perspektive zu entscheiden, weil nicht genug Platz ist, um sich auf unterschiedliche gut einstellen zu können (sowohl beim Schreiben als auch beim Lesen).
Perspektivwechsel sind modern und werden inzwischen in jedem Genre genutzt. Sie haben dort ihre Berechtigung, wo Teile der Story sonst gar nicht erzählt werden können, die aber essentiell sind. Oder wo sehr unterschiedliche Figuren sehr verschiedene Blickwinkel auf die Story haben (z. B. in Kai Meyers "Wellenläufer", in dem ein Piratenmädchen und ein Inseljunge erzählen; aber: Meyer hat System beim Perspektivwechsel!).
Leider erlebe ich beim Lesen immer wieder, dass der Autor oder die Autorin es sich mit der auktorialen Perspektive und / oder wechselnden Perspektiven nur "leicht" gemacht hat. Statt über eine interessante Aufteilung oder eine eingegrenzte Sicht nachzudenken und die Herausforderung anzunehmen, nur aus einer oder zwei Perspektiven zu erzählen, wird schnell der "bequeme Ausweg" gewählt. Klar, man kann aus der Perspektive einer Figur nicht erzählen, was eine andere denkt, es sei denn, sie sagt es oder macht es sonstwie deutlich. Ja, sicher, es ist schwierig, die Perspektivfigur an allem zu beteiligen, was sie wissen muss, ohne ihr ständig "Weißt-du-schon-Monologe" von anderen Figuren vorbeten zu lassen. Aber das ist ja gerade das Handwerk ...
Solche bequemen Perspektiven verführen den Autor / die Autorin leider schnell dazu, ohne Plan hin- und herzuspringen, so dass es keinen roten Faden für den Wechsel gibt. Damit fühlt man sich als Leser schnell ausgeliefert. Außerdem wirken die Figuren distanziert, weil zu viele die Aufmerksamkeit beanspruchen. Wenn die auktoriale Perspektive strukturiert wechselt, kann es aber durchaus interessant sein.
Natürlich ist es Geschmackssache, ob man lieber einer Figur ganz nah folgt oder in alle Figuren hineinschauen möchte. Ich etwa mag die auktoriale Perspektive nicht lesen, weil sie so beliebig durch die Figuren wandert und mich an keine richtig heranlässt. Für mich sind die personale Perspektive oder die Ich-Perspektive am spannendsten und intensivsten. Aber das ist eben (nur) meine Lese-Vorliebe.
Da der Prolog ein eigenständiges Kapitel bildet, ebenso wie der Epilog, kann die Perspektive hier völlig abgesetzt von der Haupthandlung sein. Dennoch würde ich mich (als Leserin und an deiner Stelle als Autorin) fragen: Was hat es für Vor- bzw. Nachteile, hier eine nach deiner Beschreibung vage Ich-Perspektive zu nutzen? Wer ist dieses Ich, wenn es später keine Rolle mehr spielt, und wozu benötige ich es an dieser Stelle?
Die Fragen am Ende des Kapitels sind ein Stilmittel, das sich mir in seiner Bedeutung leider nicht erschließt. Wozu benötigst du das? Soll es als Spannungselement oder fiktiver Dialog dienen? Als Gag? Als Beteiligung eines externen Erzählers, der sonst nicht zu Wort käme?
Als Spannungselement:
Es führt einen externen Erzähler ein, der auktorial aus der Rückschau kommentiert. Denn diese Fragen beantwortet ja die genannte Figur nicht. Also ist die Frage rhetorisch und zielt auf den Leser. Der Leser soll angeregt werden, darüber nachzudenken, welche Wahl die Figur Amber gehabt hat und ob sie anders gehandelt bzw. entschieden hätte, wenn sie andere Informationen gehabt hätte.
Das spricht zwar das Alltagsverständnis des Lesers an – wer hat das noch nicht erlebt, dass man hinterher schlauer war und es lieber anders gemacht hätte?! –, doch finde ich dieses Stilmittel plump, da es so offensichtlich aus der Erzählebene der Geschichte fällt und den Leser drängt, so zu denken, wie es der Autor gerne hätte. Spannend ist das nicht.
Als fiktiver Dialog:
Wer fragt da wen? Antworten sie sich tatsächlich, also: erhält Amber die Chance, darauf etwas zu erwidern? Falls nein, ist es kein Dialog. Falls ja, was bringt es der Geschichte? Spannend ist es dort, wo die Hauptfigur als alter Erzähler in der Rückschau seine Geschichte kommentiert (ohne aufdringlich zu werden), z. B. in "Name der Rose". Dann muss die Erzählperspektive in der Story aber entweder Ich oder Er / Sie sein.
Als Gag:
... ist es ein Flopp oder ein Eigentor, weil du damit den Leser aus der Storyebene reißt. Das ist kein Gag wert. Zumal, wenn nicht aufgelöst wird, wer die Fragen stellt und was Amber damit anfangen sollte.
Als Beitrag eines externen Erzählers, der sonst nicht zu Wort kommt: Ja, wozu muss er dann in diesen Fragen zu Wort kommen? Ein externer Erzähler ist nur sinnvoll, wenn er die Figuren kontrastiert, wenn er über die Figurenerfahrungen hinaus etwas zur Story beitragen kann. Beispiel: "Die Leiden des jungen Werther" von Goethe. Da wird der externe (fiktive) Erzähler bzw. Herausgeber benutzt, um Authentizität zu schaffen. Man glaubt diesem Herausgeber der Wertherschen Briefe eher, dass diese Briefe so existiert haben. Oder man hat als Erzähler eine unzuverlässige Figur, die von einem externen Erzähler Paroli geboten bekommen muss, damit der Leser "bei der Stange" bleibt.
Kurz und gut: Frage dich stets, was das Element, das du nutzen willst, für deine Story leistet.