Ich plane gerade eine Fantasy-Saga. in der es unter anderem um das Jagen von Übernatürlichem geht. Nun stehe ich allerdings vor folgendem Problem: Ist es möglich, das Buch kapitelweise in einzelne "Fälle" zu gliedern, gleichzeitig aber mit jedem Kapitel eine neue größere Bedrohung zu beschreiben, dessen Abwenden schließlich zum Hauptziel des ersten Buches wird? Wenn ja, wie?
Am besten lässt sich das wohl anhand einer Serie beschreiben. Die Folgen sind meist in sich abgeschlossen, oft wird in einer der ersten allerdings noch eine Frage aufgeworfen, die mit dem Ziel der Folge scheinbar nicht zusammenhängt. Mit jeder Folge kommen dann stückchenweise neue Infos zu dieser Frage, die meist gleichzeitig auch ein unabhängiges Ziel des Hauptprotagonisten ist und schließlich in einer finalen Doppelfolge Hauptthema wird bzw. zuerst ihren Höhepunkt findet und schließlich beantwortet wird.
Lässt sich so etwas in einem Buch überhaupt bewerkstelligen?
Deine Frage ist eine der Konzeption des Plots und der Aufstellung der Prota- und Antagonisten. Wer kämpft gegen wen? Mit welchem Ziel und warum?
1. Es gibt zwei Parteien, z. B. "Grimm": Jäger bekämpfen gewalttätige Fabelwesen wie Löwenzähne, Blutbader, Banshees ... Aber es gibt auch Fabelwesen, die harmlos sind, wie Krötenmenschen oder eine Kräuterhexe, die den Jägern sogar hilft. Hier wird Fall für Fall gelöst, was bei einer Serie nicht verwunderlich ist. Für ein Buch ist es eine unglückliche Konzeption, denn es fehlt der starke Rahmen, der alles zusammenhält.
Wenn du fallweise arbeiten willst, benötigst du einen Rahmen, z. B.: Die Jäger müssen ein Gleichgewicht wiederherstellen, weil sonst die Fabelwesen die Menschheit ausrotten würden. Besser ist eine persönliche Beteiligung der Jäger, etwa, dass Familienmitglieder in Gefahr sind. Dennoch werden Fantasy-Leser schnell hinter das Muster dieser Kämpfe kommen und es irgendwann langweilig finden. Denn der Ausgang ist klar: Die Helden müssen überleben, um in der nächsten Folge weiterkämpfen zu können.
2. Es gibt mehrere Parteien, die sich aus Gründen gegenseitiger Unverträglichkeit oder wegen Dominanzproblemen bekriegen, z. B. Vampire gegen Werwölfe. Dies ist ein offenes Szenario, das unbefriedigend bleibt, wenn keine kräftige Motivation dahintersteht. Es ist, als führten beide Parteien Krieg und die Handlung zerfiele in einzelne Schlachten.
Wenn es jedoch ein wichtiges Ziel gibt oder eine Spezies die andere vernichten will, um selbst zu überleben, dann kann es spannend werden. Allerdings dürfen nicht nur Schlachten und Kämpfe aneinandergereiht werden, sonst bekommt es für Leser einen mechanischen Ablauf, der langweilig wirkt. Auch hier hilft es, starke Figuren für beide Seiten (!) einzusetzen und persönliche Ziele zu verknüpfen.
3. Am deutlichsten ist es, wenn klare individuelle Gegner sich bekämpfen, z. B. van Helsing gegen Dracula (statt Jäger gegen Vampire), Frankenstein gegen seine eigene Schöpfung, Perseus gegen die Medusa ... Es ist sozusagen ein Stellvertreterkrieg: Menschheit gegen Vampiere in persona van Helsing gegen Dracula.
Persönliche Kämpfe und Ziele reizen einen Leser eher als unpersönliche: eigenes Kind retten / Welt retten. Außerdem benötigen die Helden/innen eine Entwicklung etwa zur besseren Kämpferin, zum mitfühlenden Wesen, zur differenzierten Weltsicht, in der es auch Grau gibt statt nur Weiß und Schwarz.
Das Konzept, das du beschreibst, lehnt sich an Rätselgeschichten an, in der Stück für Stück Informationen gefunden werden müssen, um das Gesamträtsel zu lösen. Oder die Queste in der Fantasy, in der Artefakte beschafft werden müssen, um die Magie, das Königreich oder die Welt zu retten. Das Konzept ist gut, logisch und auch für ein Buch verwendbar – aber Vorsicht! Zu viele "Fälle", zu viele Artefakte, und der Leser findet es langweilig, vor allem, weil leicht das Gesamtproblem aus dem Blick gerät.
Außerdem muss für jede Aktion für die Hauptfiguren etwas auf den Spiel stehen, und dieser Einsatz muss ständig erhöht werden ("rising the stakes"). Auch das ist bei einem fortlaufenden gleichen Handlungsschema schwierig.
Nichtdestotrotz finde ich dein Konzept spannend und wünsche dir viel Erfolg und Spaß beim Schreiben!