Ich habe schon einige Kurzgeschichten geschrieben. Davon habe ich allerdings einige auch unbeendet gelassen. Dieses Mal bin ich mit dem festen Willen an meine Geschichte gegangen, sie unbedingt auch zu beenden. Nun habe ich aber auch einen wohl typischen Anfängerfehler begangen. Ich habe mich schwer in meinen Hauptcharakter verliebt, und die Story wächst und wächst. Die Planungen sind so weit abgeschlossen und der erste Teil der Szenen geschrieben, aber schon jetzt ist klar, dass es entweder ein Riesenwälzer oder (für mich die bessere Alternative) ein Mehrteiler werden wird. Das wäre auch von Vorteil, weil ich durch mehrere Genres hüpfe und von Polit-Thriller über Romanze bis Fantasy alles drin habe. Eigentlich sollte ich wohl einfach knallhart streichen und mich auf den Kern konzentrieren. Aber ich bin fest von meiner Story überzeugt und denke, das Endergebnis wird überzeugen.
Allerdings wird eines langsam klar: Das Ganze wächst mir langsam über den Kopf. Darum hätte ich gerne etwas professionelles Feedback und vielleicht einen Lektor. Das ist natürlich mit Schwierigkeiten verbunden. Eine anständige Bezahlung für einen Lektor kann ich mir nicht leisten. Außerdem will ich auch eher ungern meinen Text aus der Hand geben, zumal er sich ja auch noch in der Entstehungsphase befindet. Im Internet gibt es einige Angebote in Sachen Lektorat. Aber sind die denn qualifiziert? Ich will auch nicht meine Story irgendwo anders unter anderem Namen wiederfinden.
Jede Geschichte, die du anfängst, solltest du versuchen, auch zu Ende zu schreiben. Wenn dir "die Ideen ausgehen", hattest du vermutlich noch gar keine Geschichte, denn "Geschichte" kommt von "Geschehen". Möglicherweise hattest du ein paar gute Ideen zu den Figuren und Orten, aber die Handlung war dir nicht klar. Wusstest du, warum und wo die Story anfangen und enden sollte? Hast du die Geschichte so erzählt, wie sie dir in den Sinn kam? War dir klar, warum wer in der Story was tun sollte, und konntest du das in die Handlungen der Figuren umsetzen?
Kurz: Du brauchst für eine Geschichte ein Ende, auf das sie abzielt. Ohne dieses Ende wird es meist keine Geschichte, sondern eine Sammlung von Episoden, die kaum inneren Zusammenhalt aufweisen.
Sich in die Hauptfigur zu verlieben, ist kein Problem, solange man ihr dabei immer noch ordentlich "weh tun" kann. Denn man muss sie in Konflikte stürzen, leiden lassen, gegen Feinde antreten lassen, ohne dass sie dabei als strahlender Supermann wegkommt.
Wenn du absiehst, dass die Handlung zu umfangreich für einen Roman wird, ist die Entscheidung für eine Trilogie bestimmt günstiger, als alles zu kürzen, um eine handhabbare Romanlänge einzuhalten. Allerdings macht das, was du über deinen Roman erzählst, auf mich leider nicht den Eindruck, als wäre dir klar, warum und wie du den Umfang aufteilst. Nur, weil man ins Erzählen kommt, sollte man nicht einen 2000-Seiten-Roman aus einer Geschichte machen, die gut mit 200 Seiten auskommen würde. Oder mit 240. Frage dich, ob die Geschichte (nicht die Hauptfigur!) das wirklich hergibt. Frage dich, ob die Spannung über diese Strecke gehalten werden kann, oder ob du dich in Einzelheiten verzettelst.
Du solltest dir schon darüber im Klaren sein, für was für ein Genre du schreibst. Kein Verlag wird ein Manuskript kaufen, das als Polit-Fantasy-Romanze daherkommt. Was anderes ist es, wenn du neben der Kerngeschichte Fantasy noch eine Liebesgeschichte als Nebenhandlung einflichst oder/und ein Intrigenspiel in der Fürstenpolitik. Aber - wie gesagt - als NEBENHANDLUNG! Damit dürfte klar sein, dass du dich für ein Genre entscheiden musst.
Es geht nicht darum, dass ich dich von deiner Überzeugung für deine Story abbringen will. Beileibe nicht, denn wenn man nicht von seiner Sache überzeugt ist, wie will man dann die Absagen ertragen, die Schwierigkeiten und Rückschläge? Du solltest dir allerdings klar machen, dass deine Geschichte, so wie du sie mir darstellst, noch gar keine ist. Wenn du wüsstest, was sie werden soll, würdest du zum Beispiel deutlich sagen können: Ja, es ist Fantasy, aber eine kleine Liebesgeschichte kommt auch drin vor.
Eine Überzeugung verkauft keinen Roman, sondern die Geschichte tut es, die den Lektor oder Herausgeber anspricht. Das kann sie nur, wenn sie konsequent, in sich glaubwürdig und gut umgesetzt ist. Und das wiederum kannst du nur erreichen, wenn dir das Ganze eben nicht "über den Kopf wächst", sondern du Herr der Lage bleibst.
Deine Überzeugung kann nicht auf festen Füßen stehen, sonst würdest du nicht einerseits professionelles Feedback haben wollen, andererseits aber den Text nicht aus der Hand geben wollen. Da widersprichst du dir selbst. Lektoren sind Berufsleser und verlangen dafür (wie jeder Handwerker) Geld. Einen Installateur oder EDV-Fachmann müsstest du ja ebenfalls bezahlen, wenn er dir hilft oder etwas repariert.
Die Internet-Angebote von Lektoraten kann ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall finde ich, es ist zu früh, sich um einen Lektor zu bemühen. Du musst erst für dich und die Geschichte selbst einen Kern finden. Wie wäre es stattdessen mit einer Gruppe Gleichgesinnter, in der ihr eure Plot-, Stil- und Figuren-Probleme ausdiskutieren könnt?
Noch ein Wort zu der häufigen Angst, den eigenen Text "unter anderem Namen wiederzufinden". So etwas wäre ein Plagiat und kommt den "Dieb" meist recht teuer. Hierzulande gibt es das Urheberrecht, das das geistige Eigentum schützt.
Echte Profis wie Lektoren wären sich auf jeden Fall viel zu schade dafür und hätten es ganz sicher nicht nötig. Und andere Autoren/innen haben in der Regel genug eigene Ideen, die sie in ureigener Art und Weise umsetzen, ohne auf deine Geschichte angewiesen zu sein. Darüber hinaus gibt es einen allgemein menschlichen Ideen-Pool, der es möglich macht, dass einige ähnliche Ideen und Geschichten fast zeitgleich entstehen, auch außerhalb der Belletristik. So entstanden die Kreativstrategien Mindmap und Cluster zeitgleich in England und den USA. Dagegen kann man sich nicht wehren; es gibt kein Patent auf Ideen.
Richtig ist es, erst Manuskripte oder Texte herauszugeben, die einen gewissen Standard in Reife, Überarbeitung und Ausgestaltung haben. Das heißt: Niemals die allererste Fassung an Verlage oder Lektoren senden! Aber mit der Furcht vor Plagiaten auf dem Manuskript zu sitzen, hat etwas Paranoisches.