Ich schreibe seit längerem an einem Roman. Weltenbau, Plot, Charaktere habe ich mir schon vor dem Schreiben sehr intensiv vorgenommen, und die Geschichte entwickelt sich in meinem Sinne. Allerdings ist sie relativ umfangreich, und ich befürchte, sollte sich jemals jemand dafür interessieren, für ein einziges Buch möglicherweise zu lang. Im Moment habe ich etwas über 400 Seiten geschrieben und bin ungefähr bei einem Drittel der Geschichte. Ich könnte die Geschichte in zwei, eher noch drei Teile spalten. Allerdings weiß ich nicht, wie ich die jeweiligen Teile beenden soll. Endet das Buch mit einer Frage oder einer Antwort? Schließe ich mit einer Katastrophe, die die Neugier des Lesers dazu verleitet, auch den zweiten Teil zu lesen, oder sollten die einzelnen Bücher eher in sich beendet sein? – Was bei der Geschichte sehr schwierig wäre ... Oder schreibe ich einfach einen Teil, und "zerstückeln" kann man es dann auch später noch?
Die Geschichte bestimmt, wie lang sie wird. Es gibt Romane, die kann man eben nicht auf 200 oder 400 Seiten erzählen, die brauchen mehrere Bände. Aber diese Geschichten haben dementsprechend auch in ihrem Spannungsbogen „Gelenke“, an denen man sie teilen kann.
Ein „schlechtes“ Beispiel ist „Herr der Ringe“ von Tolkien, das anfangs nur aus buchbinderischen Gründen aufgeteilt wurde. Ein „besseres“ Beispiel ist der Zyklus von Trudi Canavan, der die Entwicklung der Heldin nachvollzieht: Rebellin – Novizin – Magierin (und jetzt mit Sonea fortgesetzt wird). Ich, als Leserin, mag Storys, die zwar einen gewissen Abschluss finden, aber dennoch genug offenlassen, um mich neugierig auf den Fortgang der Story zu machen.
Es gibt kein Patentrezept dafür, wie man das schafft. Es gibt nur gute und weniger gute Beispiele. Ich rate dir, Zyklen zu lesen, bei denen du das Gefühl hast, sofort in den nächsten Band einsteigen zu wollen. Und dann prüfe sie daraufhin, wie die Autoren die Übergänge schaffen. Was macht dich neugierig? Warum willst du mehr lesen? Liegt es an der Handlung, die nicht zu Ende geführt ist? Oder doch eher an der Anteilnahme an einer Hauptfigur? Willst du eher wissen, wie’s weitergeht, oder, was dieser einen Figur passiert?
Grundsätzlich: Schreib deine Geschichte erst einmal zu Ende, egal, ob sie 400 oder 1.400 Seiten benötigt. Erst im zweiten, dritten Durchgang des Überarbeitens kannst du klarer sehen, ob du alles brauchst oder kürzen kannst. Ob die Story sich für einen Zyklus eignet oder – ich beurteile hier nichts, sondern stelle nur Alternativen vor –, ob du zu weitschweifig erzählst. Dann solltest du dich auch fragen, ob du vielleicht eine andere Erzählstrategie verfolgen kannst, anstatt linear von der Geburt deines Helden an zu erzählen. Was Wichtiges bei der Geburt passiert ist, ließe sich z. B. in einem Dialog mit der Mutter, in den Verhaltensweisen der Verwandten etc. unterbringen. Frag dich, was wirklich für die Story von Bedeutung ist.