Ich schreibe derzeit einen zeitgenössischen Roman über [...]. Es handelt sich um Personen, die möglicherweise heute noch leben und sich durch eine falsche Darstellung eventuell verunglimpft fühlen. Da über den Charakter der Offiziere dieser Einheit [...] nichts bekannt ist, werden ihnen von mir bestimmte (erfundene) Wesenszüge zugeschrieben. Der Leser kann sich in die Zeit nur dann hineinversetzen, wenn sie authentisch erzählt wird, will heißen, mit den tatsächlichen Namen der Personen, die damals gelebt haben. Ausgedachte Namen wirken unecht. Jeder kann nachlesen, dass der Regimentskommandeur nicht [...] hieß.
Verleumdungs-/Rufmordklagen etc. von Angehörigen möchte ich im Vorfeld schon kategorisch ausschließen. Insbesondere, wenn man über die Thematik Deutsch-Sowjetischer Krieg schreibt, die sofort mit Vernichtungskrieg, Völkermord und Kriegsverbrechen assoziiert wird. Welche Lösung gibt es aus diesem Dilemma? Nur mit rein fiktiven Personen arbeiten?
Es erstaunt mich, dass du schreibst, ausgedachte Namen würden unecht wirken. Seit Jahrhunderten arbeiten Romanautoren mit ausgedachten Namen, und die Leser halten die Figuren trotzdem für so real, dass sie wegen ihnen Stunde um Stunde zittern und heulen, sich in sie verlieben oder sie hassen. Warum hast du Angst vor der Fiktion? Das klingt mir danach – wenn ich einmal den Manuskriptdoktor heraushängen lassen darf –, als müsstest du dir noch einmal gut überlegen, ob du einen Roman oder ein Sachbuch über die Infanterieeinheit schreiben willst.
Völlig einleuchtend, dass du nicht über lebende Personen schreiben und ihnen etwas andichten kannst, was sich im destruktiven Kriegsgeschehen rings um Vergewaltigung, Töten von Zivilisten und rohen Manieren bewegt.
Mein Rat wäre, sogar die Infanterieeinheit umzubenennen. Im Nachwort zum Roman kannst du dann schreiben, dass du deine fiktive Infanterieeinheit an diese bestimmte reale Einheit angelehnt hast.
Mach dir keine Sorgen, dass Leser die Namen nachrecherchieren und deinen Roman nicht mehr mögen, nur weil du den Bataillonskommandeur umbenannt hast. Im berühmten und überaus erfolgreichen Roman "Choral am Ende der Reise" von Erik Fosnes Hansen, der von den Musikern der Titanic erzählt, heißen die Protagonisten auch anders als die wirklichen Musiker, und es sind fiktive Biographien erzählt. Niemand hat sich daran gestört.
Mut zum Roman! Mitunter steckt in der fiktionialisierten Geschichte mehr Wahrheit als im Faktenaufzählen der Historiker. (Schreibt ganz frech einer, der selbst Geschichte studiert hat …)