Nach zwei Jahren habe ich endlich die Biographie meiner Mutter fertig gestellt. Nach x-mal überarbeiten will ich noch mehr Zeitkolorit der Jahre 1933 bis ca. 1950 hineinbringen. Können Sie mir Tipps geben für Quellen, und könnten Sie mir vielleicht auch Tipps geben, wie es sich in die Handlung einbauen lässt?
Sie haben richtig erkannt: Zeitkolorit ist das Salz in der Suppe, wenn man eine Geschichte aus vergangenen Zeiten kocht. Meine Tipps, wo Sie dieses Salz herbekommen für Ihren Zeitabschnitt (1933-1950):
- Fragen Sie Zeitzeugen. Es gibt sie in Ihrer Nachbarschaft, in Ihrer Verwandtschaft - Menschen, die so viele Gerüche, Bilder und Geräusche der betreffenden Jahre in ihrem Kopf herumtragen, dass Sie eine zwölfbändige Romanserie davon schreiben könnten. Ermutigen Sie sie, sich zu erinnern, und schreiben Sie fleißig mit.
- Fragen Sie Universitätsprofessoren. Wenn Sie die Sorge haben, dass Sie einem gestressten Wissenschaftler die Zeit rauben, bitten Sie ihn, Sie an einen Professor für Neuere Geschichte zu vermitteln, der bereits im Ruhestand ist. Ich spreche aus Erfahrung: Professoren im Ruhestand sind unendlich glücklich und dankbar, wenn sie Ihnen weiterhelfen dürfen mit ihrem Berufswissen.
- Lesen Sie alte Zeitungen. Jeden Tag sind 1933 - 1950 Zeitungen erschienen (in den ersten Jahren nach dem Krieg ein wenig dünner, wegen des Papiermangels), und sie berichten von nahezu allem, was die Menschen zu dieser Zeit beschäftigt hat. Für den Zeitraum 1933-1945 würde ich allerdings sehr sorgfältig hinschauen, wo zwischen den Propagandaschluchten noch kleine Häufchen Wahrheit hocken und wo nicht. Vielleicht lohnen sich britische oder französische Tageszeitungen zum Vergleichen.
- Bücher über die NS-Zeit können Ihnen einen Überblick verschaffen. Manchmal liefern sie einen kleinen Ansatz für Zeitkolorit, den Sie weiterverfolgen können - ein Detail zum Beispiel, das im Buch nur am Rande erwähnt wird und nach dem Sie sich bei Ihrem Professor im Ruhestand erkundigen können.
Wie bauen Sie das Zeitkolorit in Ihre Handlung ein? Die meisten Mosaiksteinchen werden geradezu nach der Stelle schreien, an der sie platziert werden wollen. Das kleine Mädchen bestaunt die neue Kleidermode an den Tanten, die zu Besuch sind. Ihre Cousins schwärmen vom Krieg, formen ihre Hände zu Flugzeugen und stottern Maschinengewehrfeuer ...
Achten Sie nur darauf, dass Sie - wie es Autoren historischer Romane mitunter passiert - Ihre Protagonisten nicht im Dialog Dinge hin und her wiederholen lassen, die den damals lebenden Personen allein bekannt sind.