Ich schlage mich mit zwei Ideen herum. Die erste findet ihren Ursprung in einer Legende, der Keim der Idee wuchs inzwischen weiter. Jedoch eher im Rahmen einer Zeitsprunggeschichte, so dass ich nun nicht sicher bin, ob man das Manuskript dann eigentlich als historischen Roman anbieten kann?
Darum meine Frage, welche Vorgaben ein Roman erfüllen muss, um als historischer Roman zu gelten? Wie groß soll der Anteil an Geschichte sein? Welche Tabus gibt es, bzw. was ist besonders dabei zu beachten?
Ich beantworte Ihre Frage gerne. Und ich beantworte Sie subjektiv. Es gibt keine DIN-Norm für die Bezeichnung "historischer Roman", es gibt nur die Einschätzung der Verlage, womit man die Liebhaberleser von historischen Romanen erfreuen und womit man sie enttäuschen kann.
Die Ideen, von denen Sie "verfolgt" werden, erscheinen mir als sinnvolle und reizvolle Hintergründe für einen historischen Roman. "Exotisch" verkauft sich bei historischen Romanen gut, wie ich von Verlagslektoren gehört habe. (Eine beratende Frage am Rande: Sie erzählen aber doch von Menschen, und nicht vordergründig von einem Ort, oder? Ich gehe davon aus.)
Wenn Sie sich intensiv auf das Thema "Zeitsprung" konzentrieren, wird man Ihr Manuskript als Sciencefiction einordnen, auch wenn die Zeitreisenden bei den Inkas landen oder in Arabien. Wenn Sie die Legenden überbetonen, verliert es die Basis eines historisch gut recherchierten Romans - und Leser von historischen Romanen nehmen es sehr genau mit den Fakten. Natürlich kann kein Autor eine Geschichte erzählen, ohne große Teile zu erfinden oder - selbst bei historischen Romanen - Vermutungen anzustellen. Das, was man sicher über die geschichtlichen Gegebenheiten weiß, sollte aber nicht einfach ignoriert werden, weil es im Plot besser passt, wenn Friedrich II. in Rom statt auf Sizilien aufgewachsen ist oder Waterloo in Ihrem Buch eben ganz anders ausgeht. Von einem historischen Roman wird erwartet, dass die erzählte Geschichte möglicherweise so geschehen sein könnte, damals. Jeder weiß, sie ist erfunden, aber es "könnte so gewesen sein", keine überlieferten Fakten sprechen dagegen.
Viele Legenden enthalten einige Stückchen Wahrheit. Es ist Ihre Freiheit als Autorin, sich Stückchen aus ihnen auszuwählen, die Sie für eine mögliche Grundlage der Legenden halten, und damit eine Geschichte zu erzählen. Beim Thema Zeitreise wäre ich vorsichtig, wenn Ihnen das Prädikat "historischer Roman" wichtig ist. Andererseits gibt es ausgezeichnete Romane mit Zeitreisenden - lassen Sie sich nicht von dem Wunsch einengen, einen historischen Roman schreiben zu wollen, wenn Sie eine grandiose Idee für eine Zeitsprung-Geschichte haben. Manche haben es damit bis zur Weltliteratur geschafft. Und dann sind Kategorien plötzlich völlig unwichtig.