Ich war auf eurer Homepage und bin wirklich beeindruckt, in wie vielen großen Verlagen Ihr bereits zahlreiche Bücher veröffentlicht habt. Wärt Ihr so nett und würdet mir noch einmal die Kriterien für Kinder, vor allen Dingen Bilderbüchern aufzählen, wie z. B. kurze Sätze, problemorientierte Geschichten etc.? Ich habe zwar schon ein Kinder-Vorlesebuch herausgegeben und auch mit Gute Nacht Geschichten einen bescheidenen Erfolg, aber trotzdem möchte ich meinen Stil verbessern, um auch bei großen Verlagen meine Chancen zu erhöhen.
Ich frage mich immer wieder, wieso gerade dies oder jenes Manuskript angenommen wurde. Was auf dem Markt ist, empfinde ich nicht als besser oder schlechter als meine Texte. Ist das einfach Glückssache oder wirklich Können? Ich weiß, dass ich mich noch verbessern kann. Vielleicht könntet Ihr mir ein paar grobe Tipps geben, da Ihr ja schon mit vielen verschiedenen Verlagen zusammengearbeitet habt.
Sicher hast du Recht, wenn du vermutest, dass es "harte" Kriterien für die unterschiedlichen Kinderbuch Formate gibt. Nur: Nahezu jeder Verlag hat seine eigenen. Hier zunächst ein paar Grundlagen, die sich im Kinderbuch Markt als nahezu allgemeingültig durchgesetzt haben:
Sprache (Wortwahl und Grammatik) müssen altersgemäß sein. Üblich ist
folgende Unterteilung:
- FKB (Bilderbuch, Vorlesebuch bis Ende Kindergartenalter)
- Erstleser (6 8 Jahre)
- Kinderbuch (8 10 Jahre)
- Jugendbuch (10 12/14 Jahre)
Darüber werden, wenn überhaupt, Erwachsenenbücher gelesen. Mit zunehmendem Alter dürfen Handlung, Grammatik und Wortwahl anspruchsvoller werden. Tabuthemen sind jedoch, vor allem für die jüngeren Leser, Gewalt, Drogen und all das, was diese Altersgruppe meist schon im Fernsehen sieht ...
Aber auch vermeintlich alltägliche Wörter sind mit Bedacht zu wählen. So habe ich erst in der vergangenen Woche in einem Erstlesemanuskript als zweites Wort "Frühstückszeit" gelesen. Für einen Erstklässler, der gerade erst die letzten Buchstaben des Alphabets lernt, ein absolutes Killerwort.
Hier hilft es ungemein, sich von Anfang an ganz klar der angepeilten Altersgruppe bewusst zu sein und vor und während der Arbeit am Manuskript gezielt andere Bücher für die gleiche Zielgruppe unter sprachlichen Gesichtspunkten auszuwerten. Ein Tipp z. B. in Sachen Satzlänge für Erstleser: Nahezu überall, wo ein Komma steht, kann auch ein Punkt stehen.
In der Praxis sind die Hinderungsgründe für eine Manuskriptannahme aber meist zwei andere:
Erstens sind, so brutal das klingt, im Kinderbuchbereich die Autoren meist austauschbar, d. h. weitaus mehr Autoren sind in der Lage, martktgerechte Bücher zu produzieren, als die Verlage absetzen können. Rund 95% aller Kinderbuchtitel verkaufen sich über die Vertriebsstärke des Verlages und über Titel/Thema/Illustration. Nur ein Bruchteil über einen Autorennamen (und der lautet dann Lindgren, Ende etc.).
D. h., für die Lektorate zählen ganz andere Kriterien, vor allem: Wie professionell arbeitet die Autorin. Liefert sie pünktlich? Sind die Manuskripte professionell aufbereitet, umfassend redigiert (eine Lektorin in einem großen Verlagshaus bearbeitet bis zu 60 Buchtitel im Jahr!!!), ist sie bereit, redaktionelle Vorgaben zu übernehmen, ist sie verliebt in den eigenen Text oder bereit, auch lange Textpassagen abzuändern, kurz: Wie pflegeleicht ist die Autorin?
Zweitens haben nahezu alle Kinderbuchverlage klare Programmstrukturen, mit klaren thematischen und inhaltlichen Vorgaben. Nehmen wir einmal die (aus urheberrechtlichen Gründen fiktive, aber absolut typische) Reihe "LESELAUS" des XY Verlages:
In dieser Reihe erscheinen pro Jahr acht Titel von acht verschiedenen Autoren. Die zuständige Lektorin hat außer der LESELAUS Reihe noch vier weitere Reihen zu versorgen. Die Programmplanung hat in der Regel einen Vorlauf von zwei Jahren, die Themen müssen aus der kindlichen Alltagswelt kommen. Keine Gewalt, keine "Problemthemen". Die Protagonisten müssen zu 70% weiblich sein, immer acht oder neun Jahre alt, immer Sympathieträger. Die Themen Pferde, Katzen, Zirkus, Feuerwehr, Urlaub, Ferien, Gespenster sind bereits vergeben. Zur Zeit sucht die Lektorin noch dringend einen Autor für das Thema Ballett, da ihr der ursprüngliche Autor kurzfristig abgesprungen ist. Die Texte werden umfangreich illustriert, sie müssen also genug visuelle Vorlagen beinhalten. Die Länge muss 660-680 Sinnzeilen umfassen (eine Sinnzeile hat maximal 35 Zeichen, wird aber bei jeder Sprech- oder Sinnpause bereits umbrochen). Der Text muss in 6-7 Kapitel eingeteilt sein, einen klaren Spannungsbogen und ein Happy End haben. Ein offener Schluss ist nicht möglich.
Klar, warum auch die besten unverlangt eingereichten Kinderbuch Manuskripte meist chancenlos bleiben? Mit Qualität alleine ist in der Branche kein Blumentopf zu gewinnen.
Deshalb unser Tipp: Ganz genau analysieren, was der angepeilte Verlag publiziert. Dann ein kompatibles Manuskript einreichen - und es von Anfang an als "Arbeitsprobe" sehen und auch präsentieren. Dann persönlich nachhaken und versichern, man könne auch zu anderen Themen schreiben. Wenn man dann eine Chance bekommt: So schnell und so perfekt wie möglich liefern, professionell überarbeiten, und dann biste drin ...
Klingt einfach, ist schwer, aber durchaus möglich.