Mich würde interessieren, wie es momentan auf dem Buchmarkt um die Chancen für jüngere, unbekannte AutorInnen steht, veröffentlicht zu werden. Liest heutzutage überhaupt noch jemand so etwas, und noch wichtiger, kauft jemand so etwas (jenseits von Literaturzeitschriften)? Wie groß ist der Anteil der Gegenwartslyrik am gesamten Buchmarkt? Sind auch in der Lyrikszene Agenturen schon das Nonplusultra? Wie findet man als blutiger Anfänger eine gute Agentur?
Die Lyriklandschaft ist zur Zeit sehr facettenreich, die Eventkultur hat zu einem Aufschwung der Lyrik geführt. In Buchhandlungen findet man jedoch nur die gängigen Namen. Der Anteil der Gegenwartslyrik am Buchmarkt ist verschwindend gering. Hinzu kommt, dass die Lyrikbände unbekannter AutorInnen in Auflagen von maximal 200 bis 300 gedruckt werden, bibliophile Bände sogar noch in weit geringerer Auflage. Wer Lyrik schreibt, muss sich darauf einstellen, mit seiner Arbeit so gut wie nichts zu verdienen. Was die Lyrik gibt, kann man nicht in Geld messen.
Seriöse Agenturen lassen sich keine Honorare für das Lesen
von Manuskripten zahlen, sondern vereinbaren ausschließlich eine
Provision vom Erfolgshonorar des Autoren / der Autorin (meist ca. 15 %).
Da ein Autor mit einem Lyrikband von einer Auflage von 200 Exemplaren
ohnehin so gut wie nichts verdient, lohnt sich die Lyrik für Agenturen
nicht. Mir ist keine Agentur bekannt, die Lyrik annimmt und nach dem Erfolgshonorarprinzip
arbeitet.
Allerdings haben durchaus auch völlig unbekannte AutorInnen eine
Chance. Es gibt eine Fülle kleiner und kleinster Verlage, die seriös
arbeiten und neue AutorInnen suchen. Es kommt nur darauf an, den richtigen
Verlag zu finden. Das allerdings ist ziemlich schwierig. Eigeninitiative
und Zähigkeit sind gefragt. Für die Suche kann ich folgende
Tipps geben:
1. Im "Handbuch für Autorinnen und Autoren" von Sandra Uschtrin findet sich eine Zusammenstellung von Lyrikverlagen, manchmal mit weiteren Hinweisen und Internetadresse. Diese Aufstellung findet sich unter http://www.uschtrin.de/lyrikverlage.html.
2. In der Literaturzeitschrift Muschelhaufen, Ausgabe 42-2002, hat Theo Breuer eine Zusammenstellung seiner Lieblingsverlage veröffentlicht, und zwar unter dem Titel: "Mein lyrisches Verlags-ABC". Einen Einblick in diesen Artikel gibt es unter http://www.muschelhaufen.de.
3. Eine weitere Fundgrube für Verlage sind die Kurzbiographien der Anthologie "Lyrik von Jetzt", herausgegeben von Björn Kuhligk und Jan Wagner. Der Band erschien in diesem Jahr im DuMont Literatur und Kunst Verlag und versammelt "74 Stimmen" von LyrikerInnen ab Jahrgang 1965.
4. Ein Besuch auf der Mainzer Minimesse, einer internationalen Buchmesse, ist für LyrikerInnen auf Verlagssuche sehr empfehlenswert. Hier stellen Klein- und Kleinstverlage ihre Bücher aus, teilweise bibliophile Bände, teilweise preiswerte. Diese Messe findet Ende Mai statt, leider nur alle zwei Jahre, in den ungeraden Jahren. (Die nächste Messe ist also erst Ende Mai 2005.) Unter http://www.minipresse.de kann man "demnächst" ein Verzeichnis aller AusstellerInnen der Messe des Jahres 2003 herunterladen - eine Fundgrube für LyrikerInnen auf Verlagssuche. Unter http://www.vmpm.de findet sich außerdem ("coming soon") eine "Buchhandlung der Kleinverlage und Handpressen".
5. Darüber hinaus empfehle ich, darauf zu achten, bei welchen Verlagen KollegInnen, deren Textqualität der eigenen ähnelt, publizieren. Es ist sehr empfehlenswert, einige Bücher aus dem Angebot seines Verlagsfavoriten zu kennen. In diesen Werken wird man kaum in Stadtbibliotheken oder im Sortiment von Buchhandlungen stöbern können. Wer nicht gerade in der Nähe einer der Filialen der Deutschen Bibliothek in Leipzig oder Frankfurt am Main wohnt und dort alle nach 1945 in Deutschland erschienenen Bücher lesen kann, dem nützt wenigstens der Online-Katalog unter http://www.ddb.de als Recherchehilfe, zum Beispiel um herauszufinden, wie viele Bücher welcher AutorInnen mit welchen Seitenzahlen ein Verlag veröffentlicht hat. Die Anforderungen der Verlage an die Qualität von Gedichten sind sehr unterschiedlich. Auch die Zahl der Gedichte, die einen Band füllen, schwankt, und zwar zwischen 15 und um die 100. Ein wichtiges Kritierium für die Auswahl eines Verlages ist für mich auch der Verkaufspreis eines Bandes. Er darf nicht zu teuer sein. Bibliophile Bände finden auch ihre Sammler, allerdings nur in geringen Stückzahlen.
Kaum ein Verlag schätzt die Kontaktaufnahme per E-Mail. Ich empfehle eine Sendung per Post, im DIN-A4-Format, mit einer Textprobe von ca. 15 Gedichten, einer Kurzbiographie (in der sich die hart erarbeitete Zeile "Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien" gut macht, besonders, wenn einige renommierte dabei sind) und Rückporto.
Wer ein Produkt verkaufen möchte, muss es bekannt machen. Eine unbekannte Autorin schafft kaum den Sprung in die Buchhandlungen. Die Pressearbeit ist aber lernbar. Erste Schritte sind der Anruf bei der Lokalzeitung und die Organisation von Lesungen, am besten zunächst mit KollegInnen.