Ich habe derzeit ein Problem mit einem Verlag [...]. Ein Text von mir wurde nach mehreren Überarbeitungen angenommen. Der Text ist schon beim Layouter eingereicht, und die Veröffentlichung der gesamten Zeitschrift ist für September festgesetzt. Jetzt aber habe ich mir, nur zur Kontrolle, noch einmal die fertige Version meines Textes zuschicken lassen, nachdem es hieß, dass nur noch Kleinigkeiten verändert worden sind.
Die Version, die ich jetzt geschickt bekommen habe und die für die Veröffentlichung vorgesehen ist, hat aber mit meinem Text nicht mehr viel zu tun. Der Lektor hat aus verschiedenen Versionen meiner Überarbeitung die Geschichte "neu" zusammengesetzt, den Satzbau fast überall umgestellt und sogar teilweise seine eigenen Phantasien in den Text hereingeschrieben.
Ich war total enttäuscht über diese Entwicklung und möchte mit allen Mitteln verhindern, dass dieser "fremde" Text gedruckt wird. Ich weiß aber nicht, was ich tun kann. Zwei Mails an den Lektor, der meine Geschichte "umgeschrieben" hat, blieben bislang unbeantwortet.
Können Sie mir weiterhelfen, für den Fall, dass der Lektor
nicht einlenkt und meine Geschichte in seiner Version veröffentlichen
will? Ich weiß nicht, wie ich mich gegen ein solches selbstgerechtes
Vorgehen wehren kann.
Ich gebe Ihnen mal meine Eindrücke wieder. Eine detaillierte Rechtsberatung können Sie allerdings nur von Rechtsanwälten oder Autorenverbänden erhalten.
Die Verfremdung urheberrechtlich geschützter Werke (z. B. Literatur) ohne Zustimmung des Urhebers nennt das Gesetz "Entstellung". Sie ist absolut und unter allen Umständen verboten. Wer allerdings im stillen Kämmerlein vor sich hin "entstellt", hat kaum Rechtsfolgen zu fürchten.
Mit der Veröffentlichung eines entstellten Textes wird der Autor in seinem Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt. Der Öffentlichkeit wird vorgegaukelt, er habe diesen Text so verfasst. Je nach Art und Umfang der Entstellung kann dies vergleichbar mit einer Beleidigung oder einer üblen Nachrede sei. Auf jeden Fall ist es wettbewerbsschädigend für den Autor. Daher macht sich der Verlag, der entstellte Werke veröffentlicht, schadensersatzpflichtig. Dieser Schadensersatzanspruch hängt nicht davon ab, ob für die Veröffentlichung ein Honorar vereinbart war oder nicht.
Sinngemäß das Gleiche gilt übrigens auch bei falscher, fehlender oder ungewünschter Angabe des Verfassernamens.
Vielleicht können Sie den Lektor auf das Risiko ansprechen, das er eingeht, wenn er Ihren Text entstellt. Da der Schadensersatz zuerst den Verlag trifft, würde die Veröffentlichung den Verlag finanziell und im Ruf schädigen. Das könnte sich der Verlag eventuell vom Lektor zurückerstatten lassen.
Ich hoffe, dass Sie mit einem solchen Hinweis Erfolg haben. Wenden Sie sich nicht nur an den Lektor, sondern auch an einen Geschäftsführer des Verlags.
Falls Sie nicht weiterkommen, können Sie ankündigen, den Schriftwechsel und die verschiedenen Versionen Ihrer Geschichte an die Fachpresse zu geben (z. B. http://www.writingbusiness.de, http://www.federwelt.de, http://www.autorenforum.de). Die Berichterstattung darüber würde von vielen AutorInnen gelesen werden.
Sollte auch diese Ankündigung erfolglos bleiben, müssten Sie Rechtsmittel einreichen. Das kann eine einstweilige Verfügung (vor Veröffentlichung) oder eine Schadensersatzklage (nach Veröffentlichung) sein. Dazu brauchen Sie unbedingt Beistand durch einen Anwalt oder Verband (z. B. http://www.verdi.de - Fachgruppe: Verband der Schriftsteller)!