Nach langer Suche zeigt ein Verlag Interesse an meinem Jugendsachbuch. Der Verlag teilte mir nun mit, dass ich für alle verwendeten Zitate und zitierten Stellen eine Abdruckgenehmigung von dem Inhaber der Rechte bräuchte, sofern die Autoren noch nicht länger als 75 Jahre tot seien. [...] Von einem ehemaligen Klassenkamerad, der als freier Journalist arbeitet, habe ich erfahren, dass nach dem UrhG § 51 das Zitieren in einem durch den Zweck gebotenen Umfang erlaubt sei. Bei meiner Recherche im Internet habe ich ferner herausgefunden, dass für die Zitate ein Änderungsverbot gemäß § 62 UrhG und die Pflicht zur Quellenangabe gemäß § 63 UrhG besteht.
1) In den Büchern / Zeitschriften, aus denen ich zitiere, steht immer im Impressum: "Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig." - Müsste es hier nicht korrekterweise lauten: "Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des UrhG", oder brauche ich wirklich immer die Zustimmung der Verlage?
2) In manchen Zeitschriften sind kleine Zitatsammlungen abgedruckt. Wenn ich davon eins verwende, ist das dann noch im durch den Zweck gebotenen Umfang? Ich zitiere in dem Fall ja nicht aus einem Artikel, sondern verwende das ganze (meist ziemlich kurze) Zitat.
3) Als ich vor einigen Jahren als Jugendlicher begann, meine Gedanken auf "Schmierzetteln" zu sammeln, war ich leider noch nicht besonders professionell und habe mir bei einigen schönen Zitaten zwar den Verfasser notiert, nicht aber die Quellenangabe. Aus meinem Gedächtnis heraus könnte ich vielleicht noch die Zeitschrift erraten und das Erscheinungsjahr mit "ca." angeben, aber leider nicht genauer. Ist das für § 63 UrhG "Pflicht zur Quellenangabe" ausreichend? Darf man ferner in Einzelfällen auch nur den Verfasser nennen und dazuschreiben "Quelle leider unbekannt"?
4) Manchmal möchte man ja nur die Gedanken, die schon jemand anders hatte, aufgreifen und mit eigenen Worten etwas dazu schreiben oder nur einen Begriff von jemand anderem verwenden. Im Rahmen meiner Diplomarbeit hatte ich dann immer "vgl. XY" mit entsprechender Quellenangabe geschrieben. Ist dies in Bezug auf das Änderungsverbot nach § 62 UrhG in einem Buch, das ja öffentlich erscheint und mit dem man theoretisch Geld verdienen kann (ist nicht meine Intention, sondern nur ein Hobby, aber der Verlag tut es und ich habe keine Lust, für mein Hobby verklagt zu werden), überhaupt erlaubt?
Bevor ich auf Ihre Fragen im Einzelnen eingehe, möchte ich einen wichtigen Hinweis geben: Bei rechtlichen Fragen gibt es drei grundsätzliche Beurteilungsgrade: erlaubt, unsicher, verboten. Viele Fragen sind nicht eindeutig, sondern werden erst vor Gericht endgültig entschieden. Diese "unsicheren" Fälle sollte man daher vermeiden, wenn man kein Risiko eingehen will.
zu 1:
Verwertung und Verwendung sind zwei verschiedene paar Schuhe. Was jedem erlaubt ist, ist nicht verwertbar. Der Eintrag in den Impressi ist also richtig. Ihr leicht abgewandelter Vorschlag "Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des UrhG" auch. Einfacher: Zitate nach den Vorschriften des UrhG sind erlaubt - egal was im Impressum steht.
zu 2:
Den Zweck bestimmt nicht die Quelle (Zitatensammlung), sondern der Einsatz (Ihr Jugendbuch). Wenn in einer Geschichte zwei Figuren über eine Passage eines anderen Textes diskutieren, ist ein Zitat dieser Passage in Ordnung, wenn es so kurz wie möglich ausgewählt wird. Das wäre ein dem Zweck gebotener Umfang. Bei Sach-, Fach- und Wissenschaftstexten muss ein Zitat ebenfalls so kurz wie möglich sein und für die Entwicklung oder Untermauerung eines Gedankenganges (zwingend) notwendig sein. - Diese Fälle sind erlaubt.
Schmückendes Beiwerk oder Zusammenfassung in einem Zitat kann erlaubt sein oder nicht. Das hängt vom Einzelfall ab. - Solche Fälle sind unsicher.
Zitate, die länger sind oder inhaltlich mehr aussagen als der eigene Texte, sind definitiv nicht erlaubt.
zu 3:
Nein, die Quellenangabe muss eindeutig sein, d. h. mindestens Autor, Titel, Verlagsname und -ort, Jahr.
zu 4:
Ideen genießen nach dem Urheberrecht keinen Schutz. Wenn Sie einen Gedanken aufgreifen, ist das völlig legal - ohne jede Einschränkung. Wenn Sie aber eine Formulierung aufgreifen, ist das ein Zitat, das nicht verändert werden darf. Mit Gewinnabsichten hat das übrigens nichts zu tun. Sie können auch bei nicht kommerziellen Veröffentlichungen für Ihre Fehler haftbar gemacht werden.
Darum geht es übrigens auch dem Verlag. Er will das Risiko von Schadensersatz verringern. Das schützt zunächst den Verlag, schlussendlich aber auch Sie. Sollte der Verlag von jemanden auf Schadensersatz verklagt werden, wird er sich die Kosten dafür vermutlich von Ihnen wiederholen. Sie sollten also sehr gut prüfen, ob und welche Risiken Sie eingehen wollen. Eventuelle Haftungen können nämlich deutlich höher sein als das Honorar.