Ist es in Deutschland möglich, als gänzlich unbekannter Autor, der von keiner Filmhochschule kommt, ein Drehbuch (Exposé/Treatment) an eine Sendeanstalt oder eine Produktionsfirma zu veräußern?
Immer häufiger stoße ich auf Aussagen, die dies klar verneinen. Produktionsfirmen würden ausschließlich auf halbwegs namhafte Autoren zurückgreifen. Auch gute Stoffe blieben unberücksichtigt, wenn der Autor unbekannt ist. Begründungen finden sich darin, dass unerfahrene Amateure nicht in der Lage seien, Stoffe für eine Produktion termingerecht umzuschreiben.
Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?
Ich würde niemals "nie" oder "ausschließlich" sagen.
Allerdings stellt sich die momentane Situation so dar, dass Sie im seltenen Erfolgsfall sehr wahrscheinlich von einem ausgebildeten Autor oder Regisseur mit Diplom oder Hochschulabschluss in seinem Taxi zur Drehbuchbesprechung gefahren würden, denn trotz sinkender Zahl von Produktionen steigt die Anzahl der Absolventen jährlich.
Es muss im Gegenzug allerdings auch die Frage erlaubt sein, ob Sie Ihre Steuererklärung, Zahnbehandlung oder Scheibenbremsenreparatur jemandem anvertrauen würden, der vorher beruflich etwas völlig anderes gemacht hat. Ich persönlich lasse mir z. B. sehr ungern Blut von einem Azubi abnehmen. Weil ich, was Stiche mit Nadeln in Körperteile angeht, ein rechter Feigling bin.
Mein Vorschlag: Verdienen Sie sich das Vertrauen! Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer das ist und wie lange es dauern kann, vom Gag- und Quizfragenschreiber zum Drehbuchauftrag für einen 90-minütigen Fernsehfilm zu kommen. Aber es ist möglich – sonst könnte ich ja jetzt und hier nicht den Fachmann geben ;-)
Ich möchte erneut (und immer wieder!) betonen, dass ich meine ersten Schritte mit Kurzfilmen und sogar den ersten Fernsehfilm mit Filmstudenten und Absolventen auf die Bahn gebracht habe. Suchen Sie sich in diesem Bereich Kontakte. Denn (und das muss ich jetzt groß schreiben): ES WERDEN IMMER (GUTE) STOFFE AN HOCHSCHULEN GESUCHT!
Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich behaupte, dass viele Regiestudenten keine Ahnung vom Schreiben haben. Oder keine Idee (auch: keine Lust!.) Denn das öde Autorendasein ist ja nicht zwingend ihre Aufgabe.
Weitere Vorteile:
- Hochschulen bekommen Fördergelder und Sendeplätze.
- Studenten setzen viel Enthusiasmus, Herzblut und manchmal sogar eigenes Geld für ihre Projekte ein.
- Sie können sich in den Fächern "Verkaufsgespräche (coolfilmdeutsch: Pitching)", "Kreativer Streit", "Umgang mit (oder: Erdung von) lebensfernen Künstlern" und noch vielen anderen Disziplinen üben.
Und wer weiß – wenn Sie lange genug durchhalten und sich Vertrauen verdienen: Vielleicht fährt Sie einer Ihrer Regisseure viele Jahre später in seinem Taxi zur Drehbuchbesprechung zum Sender oder ins Produktionsbüro ...
Ich weiß, das war jetzt böse. Aber nicht ganz unrealistisch.